Economia | Nahverkehr

Gatterers Eingabe

In Südtirols Nahverkehr tut sich ein weiterer Kriegsschauplatz auf: SAD-Chef Ingemar Gatterer zeigt die STA wegen des Ankaufs neuer Züge bei der Staatsanwaltschaft an.
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Foto: Salto.bz

In Südtirols öffentlichem Nahverkehr stehen nicht nur große Weichenstellungen bevor, es herrscht bekanntlich auch ein äußerst angespanntes Klima. Stimmungsmacher ist dabei immer wieder SAD-Chef Ingemar Gatterer, der nicht nur mit seinen eigenen Busfahrern  im Clinch steht. Auch zwischen Landesverwaltung und dem Pusterer Unternehmer sprühen seit dem Konflikt um das Informationssystem im öffentlichen Nahverkehr regelmäßig die Funken. Zum wichtigsten Schlachtfeld, der anstehenden Neuausschreibung der Buskonzessionen im kommenden Jahr, gesellt sich nun immer mehr der Schauplatz Schiene. Das beweist eine Eingabe, die der SAD-Mehrheitseigentümer vor knapp zwei Wochen bei der Bozner Staatsanwaltschaft hinterlegte. „Ogetto: esposto ad evidenza penale, amministrativa e contabile“ ist eine vierseitige Darstellung übertitelt, in der Ingemar Gatterer der Inhousegesellschaft Südtiroler Transportstrukturen AG (STA AG) „unrechtmäßige und unerlaubte Vorgänge“ beim millionenschweren Ankauf neuer Züge unterstellt.

Eine Notwendigkeit, die sich im Zuge der angestrebten Stärkung des Schienenverkehrs innerhalb der Euregio ergibt. Nach der Einführung einer stündlichen direkten Bahnverbindung nach Lienz und der Direktverbindung zwischen Bozen und Innsbruck im Jahr 2014 soll es als nächsten Schritt und nach dem Abschluss der Elektrifizierung der Vinschgerbahn ab 2020 im Stundentakt eine durchgehende Bahnverbindung ohne Umsteigen zwischen Mals, Bozen und Innsbruck geben. Dafür braucht es sieben neue Mehrstromloks, mit denen die bisherigen Dieselzüge der Vinschgerbahn ersetzt werden.

Nachdem dem Platzhirsch in Südtirols öffentlichem Nahverkehr bereits im Sommer 2016 - zu Gatterers Verärgerung gemeinsam mit Trenitalia - der Betrieb der Südtiroler Bahndienste bis Ende 2024 zugesichert wurde, fühlte sich die SAD bereits seit dem Vorjahr dafür verantwortlich, sobald wie möglich den Ankauf des neuen Rollmaterials in die Wege zu leiten. Das geht aus der ausführlichen Schilderung hervor, die Ingemar Gatterer der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis übermittelte. Um die angestrebte Modernisierung termingerecht erfüllen zu können – immerhin müsse laut Gatterer für solch einen Auftrag mit einer Vorlaufzeit von 30 Monaten gerechnet werden – hat sich die SAD demnach seit Sommer 2016 mit einer Ausschreibung der nötigen sieben Züge befasst. Doch obwohl die SAD die Ausschreibungsbekanntmachung bereits im Oktober 2016 im Europäischen Amtsblatt veröffentlichte und die Angebote Anfang November prüfen wollte, kam alles anders.

Gemeinsame Sache mit ÖBB

Ende Oktober zog Landesrat Mussner laut Gatterers Schilderung an die Staatsanwaltschaft die Handbremse – indem er vor allem für die veranschlagten Kosten von fast 100 Millionen Euro noch eine Überprüfung durch das Land ankündigte. Bereits im November vollführte die Landesregierung dann eine Kursänderung und beauftragte ihre In-House-Gesellschaft STA mit dem Ankauf der sieben Züge, für die im gleichen Beschluss 67,7 Millionen Euro bereitgestellt wurden. Die SAD sollte die angekauften Züge dann innerhalb des Dienstleistungsvertrags mit der Provinz anmieten, ließ Landesrat Florian Mussner das Unternehmen laut Gatterers Eingabe wissen. Doch obwohl dem Transportunternehmen versprochen wurde, die nötige Ausschreibung so schnell wie möglich in die Wege zu leiten, sei erst einmal monatelang nichts passiert. Erst im April 2017 habe er dann auf wiederholte Nachfragen endlich eine Antwort von STA-Direktor Joachim Dejaco erhalten. Darin tauchte neben der Option, die SAD die Ausschreibung im Namen der STA durchführen zu lassen, auch die Hypothese auf, die Zuggarnituren gemeinsam mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) anzukaufen. Eine Option, die ihm schließlich nach weiteren Monaten des Wartens vor einem Monat auf erneute Nachfrage von STA-Präsident Martin Außerdorfer bestätigt worden war, so Ingemar Gatterer.  

Demnach habe der Verwaltungsrat der STA den Weg einer europaweiten Ausschreibung fallengelassen und einen Direktankauf von Zügen der Marke Bombardier über die ÖBB beschlossen. Ein Vorgehen, dass CEO Gatterer nun von der Staatsanwaltschaft untersucht wissen will. Denn er vermutete hinter dem geplanten Deal mit der ÖBB nicht nur eine schwerwiegende Verletzung des Gemeinschaftsrechts, sondern sieht im Verhalten des Landes auch eine mögliche Schädigung seines Unternehmens. Denn aufgrund der ständigen Verzögerungen und der Blockierung der von der SAD eingeleiteten Ausschreibung, bestehe nun die Gefahr, dass die nötigen Züge nicht mehr rechtzeitig angeliefert werden könnten – und die SAD nicht zuletzt gegenüber ihrem direkten Konkurrenten Trenitalia ins Hintertreffen gerate. Diesbezüglich vermutete der SAD-Mehrheitseigentümer bereits im Frühjahr 2017 Gefälligkeiten des Landes gegenüber dem ehemaligen Monopolisten Trenitalia zum Schaden der SAD.

 

SAD-Präsident Martin Außerdorfer kann solchen Verdächtigungen wenig abgewinnen. Auf Nachfrage von salto.bz spricht Außerdorfer von einem äußerst vorteilhaften Angebot, dass sich im Zuge der Potenzierung der Zugverbindungen innerhalb der Euregio von Seiten der ÖBB ergeben habe. Das österreichische Bahnunternehmen habe bereits 2016 eine europaweite Ausschreibung für den Ankauf von 300 Zügen durchgeführt – auch um mit sechs dieser Züge gemeinsam mit SAD und Trenitalia das Italien-Paket zu erfüllen. Nachdem das Unternehmen Bombardier als Sieger aus dem Wettbewerb hervorgegangen war, sei der Südtiroler Landesverwaltung von Seiten der ÖBB angeboten worden, in den Vertrag miteinzusteigen, erzählt Außerdorfer.

Ein durchaus ökonomisches Angebot – „nachdem der Ankauf von 300 Zügen zu weit besseren Konditionen erfolgen kann als der von sieben Zügen“. Allerdings habe man in Südtirol bisher Züge der Schweizer Firma Stadler angekauft, die qualitätsmäßig auf einem hohen Standard seien. „Deshalb mussten wir zuerst einmal prüfen, ob die Produkte von Bombardier den Anforderungen und Qualitätskriterien entsprechen, die wir von einem Anbier fordern“, sagt der STA-Präsident. Die sei mittlerweile über Nachverhandlungen sichergestellt. Nachdem man aufgrund des geringeren Ankaufspreises auf diesem Weg „einen der sieben Züge fast gratis haben könne“ und die Operation mit den österreichischen Bundesbahnen auch im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der Euregio als vorteilhaft zu beurteilen sei, habe der STA-Verwaltungsrat der Landesregierung Anfang August empfohlen, auf das Angebot der ÖBB einzugehen, so Außerdorfer. Noch sei die endgültige politische Entscheidung jedoch nicht gefallen – auch weil noch letzte Details abgeklärt werden, sagt er. Auch was die europarechtlichen Bedenken des SAD-Chefs betrifft. Denn obwohl die ÖBB den Südtirolern zugesichert habe, dass die direkte Abtretung eines Teils ihrer Ausschreibung rechtlich möglich wäre, sei man noch dabei dies zu vertiefen.

Dank Ingemar Gatterer nun wohl auch mit Hilfe der Bozner Staatsanwaltschaft. Ob dies als weiterer Einschüchterungsversuch des SAD-Mehrheitseigentümers gegenüber der öffentlichen Verwaltung zu deuten ist, will Außerdorfer nicht kommentieren. „Ich kann nur sagen, dass ich überrascht bin, dass die SAD ohne die Inhalte unserer Entscheidung zu kennen und die vereinbarten technischen Anforderungen an Bombardier zu wissen, vorab eine Eingabe macht“, sagt der STA-Präsident. Die Stimmung zwischen den großen Playern im öffentlichen Nahverkehr wird sich dadurch in jedem Fall nicht verbessern.