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Abgestrafter Sohn

Seit einem Jahr tobt an der Fakultät für Naturwissenschaften ein Streit. Jetzt ermittelt sogar die Bozner Staatsanwaltschaft gegen Rektor Paolo Lugli. Die Hintergründe.
Panorama Uni Bozen
Foto: Hannes Prousch
Kinder von bekannten Politikern haben es nie leicht.
Alles was sie tun, wird weniger ihrer Leistung oder ihrem Können zugerechnet, als dem politischen Einfluss und der Macht ihrer Mutter oder ihres Vaters.
Hannes Schuler kann inzwischen ein Lied davon singen. Der 35jährige Sohn von Landesrat Arnold Schuler befindet sich seit gut einem Jahr im Auge eines Orkans. Der Wirbelsturm hat jetzt seinen bisherigen Höhepunkt erreicht.
Am Mittwoch wurden Beamte der Finanzwache im Rektorat der Freien Universität Bozen vorstellig. Auf Anordnung des stellvertretenden Staatsanwaltes Igor Secco beschlagnahmten die Finanzer Akten zu zwei Wettbewerben und zu zwei Einstellungsverfahren an der Uni Bozen. Im Fokus der Ermittlungen steht Rektor Paolo Lugli. Die Ermittlungshypothese: Lugli hätte die Karriere eines Forschers gebremst und gleichzeitig einen anderen Forscher bevorzugt. Weil der angebliche Bevorzugte Hannes Schuler heißt, ist auch schnell der Grund für diese mutmaßlichen Machenschaften gefunden. Der politische Einfluss und Druck des mächtigen Vaters und Landeshauptmannstellvertreters auf die Uni-Spitze. 
 
 
So jedenfalls wird – nach Informationen von salto.bz – die Geschichte in einer Eingabe zusammengefasst, die bei der Staatsanwaltschaft Bozen eingebracht wurde. Es ist eine auf den ersten Blick durchaus appetitliche Verschwörungstheorie, die durch ein behängendes Verfahren vor dem Bozner Verwaltungsgericht noch schmackhafter wird.
Schaut man sich aber die gesamte Geschichte genauer an, dann präsentiert sich das Ganze doch ein Wenig anders.
 

Transparente Bewerbung

 
Hannes Schuler studierte an der Universität für Bodenkultur in Wien (Boku) Landwirtschaft und Phytomedizin. Schuler spezialisiert sich dabei auf Entomologie (Insektenkunde). 2012 schließt er sein Doppelstudium mit einer Dissertation ab. Danach erhält er mehrere Forschungsstipendien, die in zweimal an die University of Notre Dame in Indiana in die USA führen. Zwischen 2013 und 2017 arbeitet er als Post-Doktorand an der Boku. 2017 habilitiert er sich im Forschungsfach Entomologie.
Hannes Schuler will aber wieder nach Südtirol zurückkehren. Die erste Adresse für einen Forscher in diesem Sachgebiet im Land ist die Versuchsanstalt Laimburg. Das Problem dabei: Es ist ausgerechnet Schulers Vater Arnold, der als Landrat für Landwirtschaft politisch der Laimburg vorsteht. Eine Anstellung seines Sohnes würde damit unweigerlich zu Polemiken führen.
 
 
Ich kann doch nicht seiner Karriere im Weg stehen“, sagte Arnold Schuler bereits vor Monaten zu salto.bz,deshalb habe ich von Beginn an gesagt, wir machen es so transparent wie möglich“. Als sich die Bewerbung seines Sohnes Hannes für eine befristete Stelle in der Versuchanstalt Laimburg abzeichnet, schreibt Arnold Schuler an alle Landtagsabgeordneten einen Brief. In dem Schreiben erläutert der SVP-Landesrat die Absichten seines Sohnes. Um über jeden Verdacht des Nepotismus erhaben zu sein, schlägt Schuler nicht nur vor, dass die eventuelle Beschäftigung seines Sohnes über einen öffentlichen Wettbewerb erfolgen soll, sondern, dass wenn erwünscht die Kritiker oder die Opposition einen Vertreter für die Wettbewerbskommission namhaft machen sollen.
Der öffentliche Wettbewerb wird durchgeführt, Hannes Schuler gewinnt und er tritt 2018 seine Stelle in der Laimburg an.
 

Die Plattform

 
Im Oktober 2017 schließen das Land Südtirol, die Versuchanstalt Laimburg und die Freie Universität eine Konvention ab. Es wird die „Plattform Pflanzengesundheit“ eingerichtet, die die Schaffung einer zusätzlichen Professoren- und einer Forscherstelle an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Bozen vorsieht. Finanziert zu je einem Drittel von den drei Institutionen. Es ist Arnold Schuler, der diese Konvention in seiner Funktion als zuständiger Landesrat unterschreibt.
 
 
Doch die Plattform startet nie. Es gibt vor allem Widerstände aus der Laimburg. Im Frühsommer 2018 schreibt die Uni Bozen aber die geplante Forscherstelle aus. Hannes Schuler war als Post-Doktorand 2013/14 schon einmal genau in dieser Fakultät tätig. Er bewirbt sich um die Forscherstelle. Wiederum informiert Arnold Schuler vorab den gesamten Landtag per Email von der Bewerbung seines Sohnes.
Hannes Schuler gewinnt den öffentlichen Wettbewerb und erhält eine auf drei Jahre befristetet Forscherstelle an der Fakultät für Naturwissenschaft und Technik. Weil die Stelle als „Senior Forscher“ ausgeschrieben wurde, behaupten die Kritiker,  dass der Sohn des Landesrates spätestens in drei Jahren automatisch zum Professor werden wird. Sicher ist: Dazu muss Hannes Schuler auf jeden Fall noch einen öffentlichen oder internen Wettbewerb bestehen.
 

Der Kläger

 
Dieser Einstieg Schulers in die Uni erregt vor allem wegen seiner Herkunft Unmut. Es gibt an jeder Universität Revierkämpfe. An der Uni Bozen kommt dabei noch eine klare Rivalität zwischen italienischen und deutschen Akademikern dazu. Für viele ist das Urteil deshalb von Anfang an klar: „Una nomina politica“. Einer, der von seinem Vater auf diesen Posten geschoben wurde. Die Fähigkeiten von Hannes Schuler zählen dabei nicht.
Schulers Pech ist es zudem, dass seine Berufung - sowohl in der Wahrnehmung der Kritiker, wie jetzt auch in den Vorermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft - mit einem anderen kontroversen Vorfall an derselben Fakultät verknüpft wird.
 
 
An der Fakultät für Naturwissenschaft arbeitet seit 2009 der Entomologe Sergio Angeli. Der heute 47jährige Nonsberger hat einen unbefristeten Vertrag als Assistenzprofessor und Forscher. Dass mit Hannes Schuler ein zweiter Forscher seines Fachbereichs eingestellt wird, müsste Angeli eigentlich erfreuen. So kann die didaktische Tätigkeit mit den Studenten auf zwei Schultern verteilt werden.
Dass aber genau das Gegenteil der Fall ist, liegt an einer Entwicklung, die fast zeitgleich mit Schulers Berufung vor sich geht.
 

Gebremste Berufung

 
Sergio Angeli möchte Professor werden. Auch er ist seit 2017 habilitiert. Unterrichtsministerin Mariastella Gelmini hat 2010 eine Sonderbestimmung für die italienischen Universitäten erlassen. Um der Abwanderung der Akademiker vorzubeugen, wurde eine Art interner Wettbewerb an den Unis eingeführt. Demnach können Universitäten intern Assistenten zu Professoren 2. Grades (professore di 2. fascia) berufen.
Im Gesetz aber auch in einem 2013 von Verwaltungsrat der Uni Bozen sowie vom Fakultätsrat genehmigten Reglement wird genau festgelegt, wie diese internen Berufungen ablaufen. Auf Vorschlag der Fakultät muss der Anwärter ein Gesuch einreichen, das vom Rektor und von seinen zwei Stellvertretern (Prorektoren) geprüft wird. Die zuständige Fakultät kann eine dreiköpfige Mentorengruppe einrichten, die für den Rektor ein Gutachten über den Kandidaten erstellt.
 
 
Es ist kein bindendes Gutachten. Laut Reglement kann sich der Rektor daran halten, muss es aber nicht. Der Rektor entscheidet am Ende über die Beförderung.
Nicht nur an der Uni Bozen wurde in den vergangenen Jahren von dieser Art der Sonderberufung ausführlich Gebrauch gemacht. Das führt auch zu harter Kritik. Es gibt an der Südtiroler Uni Bozen bisher nur sehr wenige solcher Ansuchen, die am Ende nicht angenommen wurden.
Sergio Angeli reicht am 18. Mai 2017 seinen Antrag auf Beförderung zum Professor ein. Am 10. Februar 2018 liegt das Gutachten des dreiköpfigen Mentorenrates vor. Es ist positiv. Zur Beförderung muss der Kandidat mindesten 80 von 100 Punkten erreichen. Die Mentoren bewerten Angeli mit 88 Punkten.
Doch Rektor Paolo Lugli hält sich nicht daran. Er senkt die Bewertung um elf Punkte. Der Grund: Für den Rektor gibt es in der Didaktik des Assistenzprofessors einige Mängel. Nach Informationen von salto.bz gründen diese unter anderem auf Beschwerden mehrere Studenten und Studentinnen.
Mit 77 Punkten wird Sergio Angelis Antrag am 22. Mai 2018 per Dekret von Paolo Lugli abgelehnt.
 

Der Rekurs

 
Sergio Angeli sieht diese Entscheidung als klaren Angriff auf seine Person. Und als Ungleichbehandlung. „Er ist überzeugt, dass man seine Karriere bewusst eingebremst hat“, heißt es aus der Fakultät. Als wenig später Hannes Schuler Forscher wird, glaubt man endlich den eigentlichen Grund der Lugli-Ablehnung gefunden. 
Sergio Angeli reicht am 24. Juli 2018 gegen seine Nichtbeförderung vor dem Bozner Verwaltungsgericht Rekurs ein und fordert die Annullierung der Entscheidung. Anfang April 2019 gibt das Verwaltungsgericht Sergio Angeli Recht und annulliert Luglis-Dekret der Nichterennung wegen eines Formfehlers.
Nach Ansicht der Richter hätte der Rektor begründen müssen, warum er dem Urteil der Mentoren nicht gefolgt ist. Daraufhin wiederholte man die gesamte Prozedur. Die Mentorengruppe schreibt ein neues Gutachten. Diesmal ohne Punktezahl. Paolo Lugli gibt dem Anwärter 78 Punkte und begründet seine Entscheidung detailliert.
Erneut rekurriert Sergio Angeli vor dem Bozner Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung. Das Verfahren behängt.
Gleichzeitig wird der Konflikt aber auf eine neue Ebene gehoben. Am 30. Oktober 2019 reicht Alessandro Urzí eine detaillierte Landtagsanfrage zum Fall „Sergio Angeli“ ein. Darin wird auch auf Hannes Schuler Bezug genommen. Fast zur selben Zeit wird auch eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft gemacht. Die Ermittlungen starten und haben jetzt zur Beschlagnahme der Akten im Rektorat geführt.
Damit erhält die gesamte Geschichte plötzlich strafrechtliche Relevanz.
 

Schulers Hürdenlauf

 
Es gibt aber einen kaum bekannten Hintergrund, der die angebliche Bevorzugung von Hannes Schuler, wohl in ein anderes Licht rücken dürfte.
Denn in Wirklichkeit wurden dem Sohn des Landesrates einige Prügel in den Weg gelegt, bevor er die Stelle als Forscher an der Uni antreten konnte. So tauchte wenige Wochen vor der Vertragsunterzeichnung ein mehr als interessantes Problem auf.
 
 
Arnold Schuler ist Besitzer eines großen landwirtschaftlichen Betriebes in Plaus. Als Hannes Schuler nach Südtirol zurückkommt, will der Landwirtschaftslandesrat ihm einen Teil des Hofes übergeben. Schuler junior ist aber Biobauer und nach den geltenden Förderrichtlinien ist es nicht möglich konventionellen und biologischen Anbau in denselben Betrieb zu haben.
Deshalb trennt Arnold Schuler Anfang 2018 drei Hektar von seinem geschlossenen Hof ab und überschreibt den Grund seinem Sohn Hannes, der diesen biologisch bearbeitet.
Im öffentlichen Dienst ist das kein Problem. Landwirtschaftliche Nebenbeschäftigungen werden per Gesetz nicht als selbstständige Tätigkeit gewertet. So war dieser Hintergrund auch kein Thema bei seiner Aufnahme in der Laimburg.
Als es aber zur Vertragsunterzeichnung an der Uni Bozen kommt, wird das ganze zu einem ernsthaften Stolperstein. Das Rechtsamt der Universität erklärt, dass man Hannes Schuler so nicht anstellen könne. Der Grund: Ein Forscher oder Professor, der Vollzeit angestellt ist, darf laut Bestimmungen keiner selbstständigen Tätigkeit nachgehen.
Es ist absurde Regelung. Gibt es doch Professoren an der Uni Bozen, die Teilzeit arbeiten und nebenbei mit einem privaten Unternehmen an dem sie offiziell Teilhaber sind, Millionenaufträge für die öffentliche Hand erledigen. Ein Forscher, der weniger verdient, als in guter Kellner, darf aber nicht nebenbei Landwirt sein.
Professoren an der Uni Bozen, die Teilzeit arbeiten, können Millionenaufträge für die öffentliche Hand erledigen. Ein Forscher, der weniger verdient als in guter Kellner, darf aber nicht nebenher Landwirt sein.
Arnold Schuler will diese Gesetzesauslegung anfänglich nicht akzeptieren. Der Landesrat gibt deshalb ein Rechtsgutachten beim Verwaltungsrechtler Giuseppe Caia in Auftrag, das er aus der eigenen Tasche bezahlt. Caia findet in dem Rechtsgutachten einen Ausweg.
Doch die Universität akzeptierte dieses Rechtsgutachten nicht. Man bleibt bei der eigenen Auslegung der Gesetze.
Fast wäre damit Schulers Forschungsauftrag geplatzt. Arnold und Hannes Schuler müssen deshalb die Schenkung und Übertragung des Grundes im allerletzten Moment notariell und grundbücherlich wieder rückgängig machen. Hannes Schuler musste sein Bauersein offiziell aufgeben. Nur so kann der Forscher seine Stelle an der Uni am 1. Oktober 2018 antreten.
Eine Bevorzugung und Übervorteilung dürften doch anders ausschauen