Economia | Agridirect

Landwirtschaft und Bevölkerung

Die SBJ startet die 1.Auflage ihres Produkt-Wettbewerbs "Agri.Genuss - Frisch vom Hof" auf der Agridirect (18.-20.02.). Ein Interview mit SBJ-Landesobmann Sieghard Alber.
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AgriGenuss
Foto: Messe Bozen

Beim Wettbewerb „Agri.Genuss – Frisch vom Hof“ geht es darum, die besten heimischen Qualitätsprodukte von Südtirols Bauern und Bäuerinnen zu finden. Gesucht werden der beste Himbeer-Fruchtaufstrich, der beste Holunderblüten-Sirup und die beste Kaminwurze. Den Gewinner bestimmt eine Jury, aber auch das Publikum darf verkosten. Das Versuchszentrum Laimburg und IDM Südtirol ermitteln in einer Vorverkostung die zehn besten Produkte. Das Finale findet um 14:30 Uhr auf der Aktionsbühne der Messe statt. Am Wettbewerb teilnehmen können alle Direktvermarkter aus Südtirol:

 

Herr Alber, wie ist die Idee zu „Agri.Genuss – Frisch vom Hof“ entstanden?

Sieghard Alber: Die Südtiroler Bauernjugend macht schon seit Jahren Aktionen, mit denen sie die heimischen Produkte in den Mittelpunkt stellt. Die Idee ist entstanden, weil es bei uns kaum Verkostungen für Produkte der Direktvermarkter gibt. Bei Wein oder Käse ist es üblich, dass man sich mit anderen Produzenten misst und dadurch auch sein eigenes Produkt verbessern kann. Für Fruchtaufstriche, Sirups oder Wurstwaren gibt es zumindest in Südtirol derzeit keine Verkostungen. Wir möchten zeigen, dass unsere Direktvermarkter qualitativ hochwertige Produkte erzeugen, die sich auch messen lassen können.

Der Fokus der Messe liegt auf einheimischen Qualitätsprodukten. Wie schwierig ist es für einen einheimischen Bauern, mit den globalen Massenproduktionen von Lebensmitteln mitzuhalten?

Ziel der einheimischen Bauern, die sich für die Direktvermarktung entschieden haben, ist es, authentische Lebensmittel mit hoher Qualität aus den von ihnen am Hof erzeugten Produkten herzustellen. Allein deshalb können und dürfen solche einzigartigen Produkte nicht mit der Masse in den Supermärkten konkurrieren. Hinter den Produkten stehen nämlich nicht Hallen voller High-Tech-Maschinen und Marken von Großkonzernen, sondern meistens eine Familie, die zusammenhilft und zusammenarbeitet, um sich selbst ein Einkommen zu sichern.

 

Schon lange wird weltweit über alternative Anbaumethoden gesprochen... Ist das auch für Südtirol eine Option?

Alternative Anbaumethoden sind schon seit Langem eine Option. Im Obstbau zum Beispiel produzieren nahezu alle Landwirte nach Agrios-Richtlinien: Das sind Leitlinien für einen integrierten Obstbau. Das heißt, Nützlinge werden geschont, und der Einsatz von Pflanzenschutzmittel wird auf ein Minimum gesenkt. Auch in der Berglandwirtschaft gibt es immer mehr alternative Betriebsmodelle zur klassischen Milchkuhhaltung. Einige produzieren Heumilch, die anderen halten spezielle Rassen, um hochqualitatives Fleisch zu produzieren. Wir haben sehr viele innovative Landwirte, die versuchen, das Beste aus ihrem Betrieb herauszuholen. Natürlich kann noch einiges in Richtung Nachhaltigkeit und Naturschutz getan werden. So, wie die derzeitigen Trends ausschauen, wird unsere Landwirtschaft in Südtirol in den kommenden Jahren immer mehr hin zum ökologischen Anbau gehen.

 

Was unterscheidet Südtirol von den anderen EU-Ländern?

Wir haben das große Glück durch die klimatischen Gegebenheiten eine große Vielfalt an Produkten zu produzieren. Von Bergkräutern, über Wein oder Kiwis, bis hin zu Artischocken wachsen die unterschiedlichsten Obst- und Gemüsesorten in unserem Land.

Ein großer Unterschied zu so manch anderen Regionen ist aber, dass die meisten unsere Höfe als Familienbetriebe bearbeitet werden. Geschwister und Eltern helfen zusammen, weil man es sich nicht leisten könnte, jeden Arbeitsschritt zu bezahlen. Diese unzähligen Arbeitsstunden werden nicht als Kosten miteingerechnet. Es stehen Motivation und Idealismus dahinter, weil man den Betrieb eben bestmöglich auch wieder an die nächste Generation in der Familie weitergeben möchte.

 

Stichwort „nächste Generation“. Wie denken sie, sieht die Zukunft der Südtiroler Jungbauern generell aus?

Nicht ganz einfach, aber auch nicht ganz so schlecht. Auch die Generationen vor uns hatten mit verschiedensten Problemen zu kämpfen. Die Probleme und Anforderungen an die Landwirtschaft ändern sich allerdings ständig und damit müssen auch unsere Jungbauern rechnen. Der Diskussion um Nachhaltigkeit und naturnaher Produktion muss man sich stellen, auch hier leisten wir als SBJ einen wertvollen Beitrag mit unserem Blog „Blauer Schurz“. Man darf die Zukunft nicht schlecht reden, aber unsere Jungbauern benötigen sicherlich Einfallsreichtum und verstärkt politische Unterstützung, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

 

Denken Sie, junge Bauern werden in Zukunft nur vom Hofeinkommen leben können?

Bereits jetzt gehen sehr viele der Bergbauern einer Nebentätigkeit nach. Oft ist es auch die Frau auf einem Hof, die für ein zweites Einkommen sorgt. Es kann nicht sein, dass man sein Einkommen aus einem Zweitjob in den Hof investieren muss, um diesen über Wasser zu halten. Hier können wir unterstützend eingreifen, indem wir Alternativen aufzeigen und Ideen und Inputs liefern, wie man den Betrieb gestalten kann, um davon leben zu können. Dies erfordert aber auch politische Unterstützung und einiges an Mut und Risikobereitschaft vonseiten der Landwirte. Wenn Junglandwirte nicht von ihrem Hofeinkommen leben können, werden sich auch einige überlegen, die Flächen zu verpachten und sonst einer Arbeit nachzugehen. Diese Entwicklung müssen wir zu verhindern versuchen, damit unsere Familienbetriebe auch in Zukunft erhalten bleiben.

 

Mit welchen Problemen haben junge Bauern noch zu kämpfen?

Mit Bürokratie und wachsendem Misstrauen in der öffentlichen Meinung. Bürokratieabbau ist zwar ein Begriff, mit dem Politiker gerne werben, aber am Ende kommt dann doch noch mehr Bürokratie zustande. Junge Bauern oder junge Bäuerinnen müssen oft unzählige Stunden für die Zettelarbeit aufbringen. Hinzu kommt, dass sich die gesetzliche Lage ständig ändert. Was heute noch in Ordnung war, geht morgen nicht mehr, aber damit haben wohl auch alle anderen Wirtschaftszweige zu kämpfen.

 

Inwiefern denken Sie, könnte Urlaub auf dem Bauernhof eine Option für die Bauern sein?

Urlaub auf dem Bauernhof ist bestimmt für einige Betriebe eine sehr gute Zuerwerbsquelle. In Südtirol gibt es knapp 3000 UaB-Betriebe, die im Jahr 2011 sieben Prozent aller Nächtigungen in Südtirol ausmachten. Unsere kleinen Familienbetriebe sind bestens geeignet, um einen erholsamen Urlaub zu ermöglichen. Allerdings ist UaB sicherlich nicht für jeden Bauernhof eine Option. Man muss schon gut überlegen, ob sich die großen Investitionen lohnen und wie hoch die Auslastungsrate am Ende wirklich ist.

 

Welche Produkte werden Ihrer Meinung nach in Zukunft in Südtirol vor allem produziert werden?

Vor allem Jungbauern setzten auf Alternativen zur klassischen Milchproduktion oder zum Apfelanbau. Inwiefern sich das Sortiment aber weiterhin ändern wird, hängt hauptsächlich vom erzielten Gewinn ab. Vor allem die Milch- und Apfelwirtschaft sind vom weltweiten Marktgeschehen abhängig. Unsere Äpfel, aber auch unsere Milch stehen in direkter Konkurrenz zu der weltweiten Produktion. Ein Passeirer Bergbauer kann mit seinen Produktionskosten allein schon aufgrund der Lage seiner Wiesen nicht mit einem Milchbetrieb in der Poebene oder in Niedersachsen mithalten. Trotzdem ist er den großen Preisschwankungen des Weltmarktes ausgesetzt, die durch ihre Unberechenbarkeit so manche Betriebe an den Rand ihrer Existenz treiben. Die Bauern haben mit extrem niedrigen Preisen für die Hauptsorte ‘Golden Delicious‘ zu kämpfen und stehen zudem durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ständig in der öffentlichen Kritik. Dass sich da so mancher Bauer eine Alternative überlegt, ist verständlich.

 

Im Gegensatz zu den in immer größeren Dimensionen produzierenden Landwirtschaften und Tierindustrien lässt sich auch ein neuer Trend in Richtung regional, nachhaltig und Bio wahrnehmen. Sehen Sie Südtirol diesbezüglich im Vorteil?

Vor allem die Entscheidung von großen Discountern, Bio in ihr Sortiment zu nehmen und es genauso preiswert zu machen, wie konventionelle Ware macht Bio zum Trend. Bio bedeutet aber nicht unbedingt regional oder saisonal. Auch Bioprodukte werden mittlerweile rund um die Welt verfrachtet und gehandelt. Im Übrigen produzieren Südtirols Bioapfelbauern ein Viertel der Bioäpfel in Europa. Aufgrund der Preisentwicklungen der letzten Jahre im integrierten Anbau stellen immer mehr Bauern in Südtirol auf Bio um. Hier verbirgt sich im Apfelanbau aber auch eine Gefahr. Laut Bio-Südtirol ist zwar derzeit die Nachfrage nach Bioäpfeln größer als das Angebot, aber bereits nächstes Jahr könnte diese europaweit abgedeckt sein. Dann wird es wohl um Bioäpfel dieselben Preiskämpfe geben, wie derzeit im integrierten Anbau. Auch Biomilch wird von Südtirols Milchhöfen stark nachgefragt, und hier steckt bestimmt noch viel Potential dahinter.

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir für die Jungbauern, aber auch insgesamt für die Landwirtschaft stabile und gute Preise für die Lebensmittel, die sie produzieren, damit die Landwirte und deren Familien davon leben können.

Auch wünsche ich mir, dass die Landwirtschaft und die restliche Bevölkerung wieder mehr zusammenfinden.

Unsere Südtiroler Bauern sind auf die Konsumenten angewiesen, die unsere Produkte konsumieren und bereit sind, die Preise dafür zu zahlen, die die Produkte in Wirklichkeit wert sind. Gleichzeitig ist die Bevölkerung auf die Landwirte angewiesen, da diese Nahrungsmittel produzieren, die von der Bevölkerung konsumiert werden können, und gleichzeitig wird von den tausenden Landwirten das gesamte Land gepflegt und zu dem gemacht, was es heute ist.