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Klima Deal: nicht nur Green, auch Fair

Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. Dafür braucht sie Konsens. Wie man den Minenarbeiter in Irland und den Chef einer polnischen Kohlefirma zu Klimaaktivisten macht
Green Transition
Foto: Pixabay

Der Übergang zu einer grüneren Wirtschaft will bezahlt sein. Und er darf keinen zurücklassen, der stärker von den Umbrüchen betroffen ist. Unter diesem Motto geht der European Green New Deal in die nächste Runde. Vorgestellt wurde das Klimapaket der Union bereits Ende letzten Jahres. Darin enthalten sind einige (noch relativ vage) Schritte: Mobilität soll umweltfreundlicher gestaltet werden, die Industrie dabei unterstützt, grüner zu wirtschaften, Gebäude sollen energieeffizienter gebaut, und der Energiesektor komplett dekarbonisiert werden. Endziel: Die EU will zum ersten klimaneutralen Kontinent 2050 werden, das heißt, kein CO2 mehr ausstoßen. 

Wie diese Klimaneutralität aber sozial gerecht gestaltet und finanziert werden soll, darüber sprach Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor einigen Wochen, am 14. Januar 2020 erstmals konkret vor dem europäischen Parlament.

 

Wie die EU die Energiewende zugunsten unseres Planeten finanzieren will

 

Mit dem sogenannten Investitionsplan für den europäischen grünen Deal sollen in den nächsten zehn Jahren mindestens 1 Billion Euro für den Klimaschutz bereitgestellt werden. Zum einen durch direkte Beiträge aus dem EU Haushaltsbudget. Zum anderen will die EU finanzielle Anreize schaffen, die sowohl private als auch öffentliche Investitionen zum Klima-und Umweltschutz antreiben, auch von den einzelnen Ländern mitfinanziert. 

 

Klingt nach einem Plan. Doch wie realistisch ist er? Dr. Federico Boffa, Professor für Wirtschaft an der Uni Bozen beschäftigt sich mit Energiewirtschaft und Innovation. Er ist überzeugt, die EU verfüge über genügend finanzieller Instrumente, um ausreichend Ressourcen für den grünen Wandel zu mobilisieren. Die Frage bleibe aber der politische Wille und Konsens: „Ohne Kompensationen für jene, die einen höheren Preis für die Klimamaßnahmen bezahlen müssen, wird kein politischer Konsens gefunden werden.“  Dieser Konsens ist aber wichtig, um die Klimawende einzuleiten. Aus diesem Grund genehmigte die EU der polnischen Regierung einige Ausnahmen in der Umsetzung des Klimapakets, weil das Land stärker von Kohle abhängt. Im Gegenzug dafür stimmte Polen gemeinsam mit allen anderen Ländern beim letzten Gipfeltreffen für den Green Deal. Ein Konsens wurde erstmal erreicht. 

 

Berechtigten Ängsten den Wind aus den Segeln nehmen

 

Doch spätestens, wenn die Klimamaßnahmen konkreter werden, stößt das Rosinenpicken an seine Grenzen. Außerdem betrifft die ungleiche Last nicht nur einzelne Mitgliedsstaaten, sondern auch bestimmte Wirtschafts-und Industriezweige sowie gesellschaftliche Gruppen. Für diese Fälle sieht der Vorschlag der Kommission einen Mechanismus für einen gerechten Übergang im Wert von 100 Milliarden Euro vor. Denn, so steht es auf der Internetseite der Kommission: "Niemand darf zurückgelassen werden".

Mit diesen Geldzuschüssen können Berufsgruppen, die vom Übergang besonders betroffen sind, auf neue Arbeiten der Zukunft umgeschult werden. CO2 intensive Unternehmen werden bei der Schaffung klimaneutralerer Arbeitsplätze und Technologien unterstützt, innovative Start-ups gefördert. Finanzielle und technische Unterstützung bietet der Mechanismus auch für Regionen und Länder mit hoher Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Salopp ausgedrückt, diese Maßnahmen sollen Chefs von Ölfirmen genauso mit ins Boot holen wie skeptische Regierungsmitglieder in Polen, und am Ende selbst Minenarbeiter der irischen Midlands zu überzeugten Klimaaktivisten machen. Somit wird berechtigten Ängsten über die Konsequenzen eines klimafreundlichen Umbruchs der Energie, der Industrie, der Mobilität, des Bauwesens und der Landwirtschaft der Wind aus den Segeln genommen.

Mit dem Mechanismus für einen gerechten Übergang werden Ängsten über die Konsequenzen eines klimafreundlichen Umbruchs für besonders betroffene Arbeiter, Unternehmen und Länder der Wind aus den Segeln genommen

 

Noch ehrgeiziger, noch unrealistischer?

 

Laut Vorschlag der Kommission sollen bis 2030 noch mehr Treibhausgasemissionen eingespart werden, als wie bisher vorgesehen. Konkretere Zahlen und Pläne wird die Kommission im Sommer vorlegen. Doch hört man immer wieder von Ländern, die ihre Klimaziele bisher nicht rechtzeitig einhalten konnten, darunter Deutschland, das eigentlich als Vorreiter in Sachen Klimaschutz gilt. Auch angesichts weltweit steigender CO2 Werte sind Zweifel an der Realisierbarkeit der Ziele des europäischen Klimapakets mehr als berechtigt. 

Ohne Kompensationen für jene, die einen höheren Preis für die Klimamaßnahmen bezahlen müssen, wird kein politischer Konsens gefunden werden

Der Experte Boffa sieht aber keinen Grund für Hoffnungslosigkeit: “Klimaziele werden oft sehr hoch gesetzt, um überhaupt Resultate zu erreichen, auch wenn diese unter den ursprünglichen Zielen bleiben. Dennoch ist ein Wandel heute möglich und realistischer als früher. Erstens, das Thema Umwelt wird in der öffentlichen Meinung immer wichtiger. Zweitens, wir verfügen heute über Technologien, um die Klimaauswirkungen zu reduzieren.“ Als Beispiel nennt Boffa das GPS, mit dem die Kilometer, die ein Auto zurücklegt, verfolgt und dementsprechend besteuert werden können, um so den Menschen Anreize zu geben, ihren CO2 Ausstoß zu verringern.

 

Wie geht es weiter mit dem Deal?

 

Den Green Deal hält Professor Boffa für einen guten Ausgangspunkt, doch der Teufel liege im Detail. Zwei Dinge gelte es laut ihm zu beachten: „Wichtig wäre eine Steuer auf CO2 Emissionen, die aber für alle betreffenden Sektoren gelten, also Energie, Transport und Industrie. Zweitens muss die Produktivität sich weniger auf die Arbeit, als vielmehr auf die Ressourcen beziehen. Wir müssen verschmutzende Ressourcen nur dann verwenden, wenn ihr Nutzen die Kosten übersteigt, und mit Kosten meine ich auch jene für die Umwelt.“

 

Auch die Reaktion vieler Parlamentarier auf den Mechanismus für einen gerechten Übergang und den Investitionsplan für den europäischen grünen Deal fiel ähnlich aus. Zwar unterstrichen sie die Wichtigkeit eines sozial gerechten Übergangs, doch stünden noch einige Details aus. Lega Politiker Gianantonio Da Re der Fraktion Identität und Demokratie etwa sagte, es müsse noch genauer definiert werden, wie die Geldmittel verteilt werden und vor allem welche Kriterien Nutznießer erfüllen müssten. Ein weiteres nötiges Detail, so Niklas Nienaß von den Grünen im EU Parlament, sei ein konkreter Plan zu den einzelnen Kohleausstiegsphasen, die Schritt für Schritt verfolgt werden müssen. 

Im Moment diskutieren die parlamentarischen Arbeitsgruppen den Vorschlag der EU Kommission, gemeinsam mit dem Rat der EU. Schritt für Schritt und in den kommenden Jahren wird sich zeigen, ob der nötige politische Konsensus gefunden wird und ob irgendwann der Kohlearbeiter zum neuen grünen Aktivisten wird.