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Mami wünscht sich Deutschunterricht

Frauen und Mütter, die nach Südtirol migrieren haben oft einen erschwerten Zugang zu Sprachkursen. Das Projekt „Mami lernt Deutsch“ unterstützt sie bei der Integration.
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Foto: Lioba Koenen

Lioba Koenen ist Deutschlehrerin an einer Oberschule in Bruneck und Präsidentin des Vereins "Interkult". Die gebürtige Deutsche hat 2005 zusammen mit Edina Nonn die Integrations- und Sprachkurse "Mami lernt Deutsch" im Pustertal initiiert, die heute in Gemeinden in ganz Südtirol für Frauen angeboten werden. Was hinter dem Konzept steckt und warum gerade Mütter für einen erfolgreichen Spracherwerb und Integration der ganzen Familie wichtig sind, erzählt Koenen am heutigen Muttertag.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, das Projekt „Mami lernt Deutsch“ in Südtirol einzuführen?

Lioba Koenen: Ich habe damals gemeinsam mit Edina Nonn, der Mitbegründerin von "Mami lernt Deutsch" Abend-Sprachkurse in Bruneck durchgeführt. Und da hatten wir ein Schlüsselerlebnis: Ein Ehepaar aus dem Kosovo besuchte unseren Kurs. Der Mann war schon etwas fortgeschrittener, die Frau hingegen konnte noch gar nichts. Sie kamen zusammen, wahrscheinlich weil die Frau alleine den Kurs nicht besuchen durfte. Wir haben festgestellt, wie schwierig es für sie war, sie hat überhaupt nicht vom Kurs profitiert. Da haben wir gemerkt: Wir müssen vormittags Kurse anbieten, sodass Frauen zeitlich hingehen können, denn viele Mütter müssen abends die Kinder betreuen; und einen Kurs, der nur für Frauen ist. So bieten wir Frauen aus allen Kulturkreisen eine Chance.

2005 entstand das Projekt „Mami lernt Deutsch“ in Bruneck. Worin unterscheiden sich diese Kurse von anderen Sprachangeboten?

Zum einen richtet sich der Kurs nur an Frauen. Mütter dürfen ihre Kinder zum Kurs mitnehmen, bei Bedarf gibt es eine Kinderbetreuung. Das nimmt den Frauen natürlich viele Hemmungen und Probleme ab. Man muss am Ende auch keine Prüfung machen und kriegt laut europäischem Referenzrahmen irgendeine Niveau-Stufe zugeteilt. Das Ziel ist nicht, dass Frauen am Ende fließend Deutsch sprechen. Wir sehen den Kurs nicht nur als Sprachkurs, sondern auch als Integrationskurs.

Welche Integrationsmaßnahmen bietet der Kurs?

Wir machen zum Beispiel kleine Ausflüge zu Orten, die wichtig sein könnten für die Frauen, um sie zu befähigen, irgendwann auch mal alleine dahin gehen zu können. Zum Beispiel in die Stadtbibiliothek, wo die Frauen sich einen Ausweis machen können. Oder wir gehen ins Krankenhaus, zur Gynäkologie oder einem Kinderarzt. Mir selbst liegt Mami lernt Deutsch sehr am Herzen, weil ich selbst erfahren habe, wie wichtig sprachliche Integration für den allgemeinen Integrationsprozess ist. Ich bin zwar deutscher Muttersprache, aber als ich nach Südtirol kam, hatte ich mit dem Dialekt am Anfang Probleme.

Welche Schwierigkeiten begegnen Frauen mit Migrationshintergrund bei ihrer Ankunft in Südtirol?

Die Frauen sind oft sehr isoliert. Wenn sie aber im Kurs zusammenkommen, dann sehen sie, da sind noch andere Frauen in der gleichen Situation. Das schafft viel Solidarität unter den Frauen. Durch den Kurs bekommen die Frauen und Mütter außerdem ein neues Selbstvertrauen. Die Kindergärtnerinnen haben uns das immer wieder zurückgemeldet.

Auch zu den Lehrerinnen bauen die Frauen meist ein enges, affektives Verhältnis auf. Denn der Kurs ist häufig die erste Tätigkeit die sie autonom durchführen. Wenn die Lehrperson aus dem selben Dorf ist, hat das noch einen höheren Integrationswert: wenn man sich zum Beispiel beim Einkaufen trifft, haben die Frauen eine große Freude, dass sie jemandem begegnen, den sie kennen und fühlen sich mehr eingebunden.

Spricht die Mutter die Landessprache, hat das auch Auswirkungen auf die Sprachkenntnisse der Kinder und deren Integration?

Wenn die Mutter deutsch lernt, dann strahlt das auch auf die Familie aus. Wenn die Mutter ein bisschen deutsch kann, kann sie zum Beispiel auch bei den Hausaufgaben helfen.  Das merken die Kinder und bekommen Motivation für ihren eigenen Unterricht in der Schule. Der Kurs hat aber natürlich auch einen positiven Effekt für die Mutter selbst. Wenn zum Beispiel Elternsprechtag in der Schule stattfindet oder Einführungsabend im Kindergarten, ist es oft so, dass die Eltern, die kein deutsch sprechen, ein Kind zum Übersetzen mitnehmen müssen. Das kann für eine Mutter schon eine entmündigende Situation sein.

Haben Mütter einen größeren Einfluss auf die Sprache der Kinder als Väter?

Das kommt darauf an, mit wem die Kinder viel Zeit verbringen. Erfahrungsgemäß verbringen vor allem bei Familien mit Migrationshintergrund die Kinder am meisten Zeit mit der Mutter, weil die Mütter weniger beruflich eingebunden sind. Man spricht auch deshalb wahrscheinlich von Mutter-sprache, weil der Spracherwerb der Kinder früher viel über die Mutter passierte.

Bildung ermöglichen, Sprache sowie Integration fördern und dadurch Chancen erhöhen – das ist wohl die beste Art, Frauen und Mütter zu ehren. Nicht nur am heutigen Muttertag, sondern an jedem Tag.