Politica | Regierungserklärung

Ein Anstrich von Normalität

In seiner Regierungserklärung gibt sich Premier Giuseppe Conte staatstragend und bescheiden - mit einem geschickten Balanceakt.
Conte, Giuseppe
Foto: upi

Die Augen der Weltpresse waren am Mittwoch auf den damastbespannten Sitzungssaal des römischen Palazzo Madama gerichtet. Mit Spannung erwartete man dort die Regierungserklärung von Giuseppe Conte, Premier einer Allianz, die weltweit für Skepsis und Alarmstimmung sorgt: ein Quereinsteiger ohne jede politische Erfahrung, zwei Vizepremiers, für die dieses Amt die erste Festanstellung ihres Lebens darstellt, ein Programm, das bereits im Vorfeld die Börsen sinken und den spread steigen liess. Mit 75 Minuten war es eine der längsten Regierungserklärungen der letzten Jahre.

Fazit: Der 54-Jährige hat die Aufgabe gut gemeistert.  In Kernfragen beschwichtigend und beruhigend ("Nessuna uscita da Nato ed euro"), bekannte er sich explizit zum Populismus : Se il populismo è l'attitudine ad ascoltare i bisogni della gente, allora lo rivendichiamo." Conte wies den Vorwurf des Rassismus zurück: "Questo governo non sarà razzista".  Der Regierungschef bemühte sich, den Eindruck zu widerlegen, er sei eine weitgehend machtlose Geisel in der Hände der Parteichefs Matteo Salvini und Luigi Di Maio, die ihr hochtrabendes Programm bereits im Vorfeld abgeschwächt hatten.  So soll die Steuerreform mit Einführung der flat tax um zwei Jahre verschoben werden.

Metteremo fine al business dell'immigrazione cresciuto a dismisura sotto il mantello d'una finta solidarietà

Einen Kernpunkt seiner Erklärung bildete die Justiz: "Vogliamo una giustizia più efficiente, con class action, equi indennizzi e potenziamento della legittima difesa. Letzteres ist Salvinis Steckenpferd und bedeutet, dass der Waffenschein in Zukunft leichter zu bekommen sein wird und niemand mehr vom Staatsanwalt belangt wird, wenn er in seinem Haus eine Dieb erschiesst. Die in Italien weit verbreitete Steuerhinterziehung und Korruption soll in Zukunft mit Haft bestraft werden. Lebhaften Applaus erntete Conte mit seiner Ankündigung eines kompromisslosen Kampfes gegen die Mafia: "Contrasteremo con ogni mezzo le mafie, aggredendol le loro finanze, le loro economie ed organizazzioni criminali"

Mit gewohnter Eleganz und mit der Nonchalance eines Seiltänzers bewältigte der Premier auch heftig umstrittene Themen wie das der Migration: "Metteremo fine al business dell'immigrazione cresciuto a dismisura sotto il mantello d'una finta solidarietà." Auch dem heftig umstrittenen Grundeinkommen widmete Conte nur wenige Sätze: "E' ora di dire che i cittadini hanno diritto a un reddito di cittadinanza e ad un reinserimento al lavoro qualora si ritrovino disoccupati."

Überraschend verlor der Premier kein Wort über die von ihm im Vorfeld mehrmals angekündigte radikale Entbürokratisierung und Abschaffung überflüssiger Gesetze." Conte hielt  seine Rede stehend  zwischen seinen Stellvertretern Di Maio und Salvini. Während der Fünf-Sterne-Chef sichtlich zufrieden schmunzelte,  machte sich der Vorsitzende der Lega Notizen und blickte nur selten auf. Der Premier gab sich staatstragend und bescheiden :"Ich bin mir meiner Grenzen bewusst."  Sein Bekenntnis zum Schutz der Regionen mit Sonderstatut brachte ihm die Stimmenthaltung der SVP ein - in einer Abstimmung, die er mit deutlicher Mehrheit gewann.

Fazit:  Seine erste Hürde hat der bisher weitgehend unbekannte Jurist bravourös gemeistert. Was nun kommt, bleibt abzuwarten.Eines aber steht abseits aller Polemiken unumstösslich fest: der Regierungsantritt Contes wäre unvorstellbar ohne das jahrelange Versagen der traditionellen Parteien.