Società | Interview

“Unsere Schulglocken sind lahmgelegt”

Wie anders wird das heurige Schuljahr? Wie blickt Direktorin Ingrid Pertoll Froner nach vorne – wie zurück? Was macht ihr Sorgen? Und (was) kann Schule aus Corona lernen?
Ingrid Pertoll Froner
Foto: Salto.bz

Für 91.797 Kinder und Jugendliche beginnt am heutigen Montag das neue Schuljahr. Für über 700 davon im Schulsprengel Bozen-Stadtzentrum. Dieser umfasst die beiden Grundschulen Quirein und “Rudolf Stolz” sowie die zwei Mittelschulen “Albin Egger-Lienz” und “Josef Aufschnaiter”. Dort, in ihrem Büro, hat sich Direktorin Ingrid Pertoll Froner trotz vollem Terminplan, Zeit genommen, um einen Ausblick ins neue Schuljahr zu wagen, das ganz im Zeichen von Corona steht und nach Monaten voller Ungewissheiten startet. Als erfahrene und erprobte Schulführungskraft ist Pertoll Froner nicht nur für knapp 750 Schüler und deren Elter eine Anlaufstelle, sondern auch für 125 Lehrpersonen – und die zentralen Stellen wie Bildungs- und Landesschuldirektion.

salto.bz: Frau Pertoll Froner, mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Schulbeginn am 7. September?

Ingrid Pertoll Froner: Grundsätzlich blicke ich mit Zuversicht in das neue Schuljahr. Bestärkt dadurch, dass es wohl noch nie so viele Kinder gegeben hat, die sich auf den Schulbeginn freuen. Jedes Jahr versuche ich zum Einstieg in das neue Schuljahr eine Metapher in den Raum zu stellen. Heuer habe ich lange überlegt und mich schließlich für das Labyrinth entschieden. Abgesehen davon, dass ich eine Liebhaberin von Labyrinthen bin, befinden wir uns heuer selbst in einem. Allerdings ist dieses Labyrinth nicht als Irrgarten zu verstehen, sondern als Symbol für das Leben: Wichtig ist, dass wir gehen und nicht stehen bleiben, dass wir Richtung wechseln, Wendungen einnehmen und auf diesem Weg die Mitte finden. Besonders wichtig ist mir dabei, gerade im heurigen Jahr, die Zuversicht, die nötige Gelassenheit und ein gesunder Hausverstand. Gerade wenn ich an all die Schutz – und Sicherheitsmaßnahmen denke, ist das nur zu schaffen, wenn man sich das alles gut anschaut und dann für die eigene Schule Entscheidungen trifft.

Welchen Spielraum hat die Schule bei der Festlegung der Corona-Schutzmaßnahmen?

Es gibt gesetzliche Vorgaben auf Staatsebene, die einzuhalten sind. Zudem haben wir von verschiedenen Stellen Richtlinien erhalten: Landesschuldirektion, Bildungsdirektion, Dienststelle für Arbeitsschutz. Letztere hat uns die “Risikobewertung zur Eindämmung von Covid-19 im Schulbereich” zugestellt – ein sehr, sehr umfangreiches Papier. Neben den grundsätzlichen  Maßnahmen, die alle kennen – Händewaschen, Desinfizieren, Temperaturmessen –, sind dort viele Dinge enthalten, die die Schule selbst festlegen kann. Zum Beispiel, wer die Geräte nach dem Technikunterricht desinfiziert. Das kann das Schulwartpersonal erledigen, aber genauso die Lehrpersonen oder die Schüler.

Den ganzen Sommer hatte ich das Gefühl, wir machen immer einen Schritt nach vorne und zwei zurück

Schafft es Schule bei all den Richtlinien, Vorgaben, Maßnahmen, Regeln ihrem Bildungsauftrag nachzukommen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Kinder die Situation auch einmal vergessen und einfach nur lernen können?

Es wäre traurig, wenn ich jetzt sagen würde, man schafft es nicht. Für mich ist es immer wichtig, Prioritäten zu setzen, zu erkennen, was wichtig und dringend ist und nach diesen Dringlichkeiten vorzugehen.

Was sind Ihre aktuellen Prioritäten?

Ein zentrales Thema in der Schulführung ist, auf ein Lehrerkollegium zählen zu können, das mitarbeitet und mitdenkt. Dabei macht es natürlich einen Unterschied, ob man erst ein oder zwei Jahre an einem Schulsprengel ist, oder so, wie ich, das 13. Jahr. Ich habe großes Glück, ein Lehrerkollegium zu haben, das mir großes Vertrauen entgegenbringt. Man kennt sich und vertraut sich gegenseitig. Ich habe stets einen partizipativen Führungsstil gepflegt – wann immer es ging.

War das in der Ausnahmesituation wie sie ab März vorgeherrscht hat, noch möglich?

Nein, da galt es, zu entscheiden und Dinge durchzusetzen. Auch bei den Eltern. Ein Beispiel: Aus Raumnot mussten wir Klassen teilen und anderswo unterbringen. Ich kriege zig E-Mails, weil Eltern meinen, das hätte ich mit ihnen besprechen sollen. Das war aber nicht möglich, dazu fehlte die Zeit.

Nochmals zurück zur Frage: Kann Schule unter diesen Voraussetzungen überhaupt funktionieren?

Ich bin schon der Meinung, dass man es schafft, auch bei der Arbeit mit den Kindern. Ich werde mit den Lehrpersonen vereinbaren, dass es heuer besonders wichtig ist, nicht gleich am Beginn zur Tagesordnung überzugehen, sondern dass wir mit den Schüler*innen Rückblick halten und uns fragen werden, was war da los? Das muss die Schule jetzt machen. Auch weil die Kinder alle mit unterschiedlichen Voraussetzungen zurückkommen. Der Fernunterricht hat nicht bei allen gleich gut geklappt und jene Kinder, deren Familien vorher schon nicht so gut aufgestellt waren, sind jetzt die größten Verlierer.

Wie kann darauf reagiert werden?

Ich werde die Lehrpersonen bitten, innezuhalten, zu verstehen, wo sich all die Kinder befinden und zu versuchen, sie dort abzuholen. Für Kinder, die aufgrund des Fernunterrichts tatsächlich Lücken haben, werden wir dann Gelegenheiten schaffen, um sie zusätzlich zu fördern.

In einer Notsituation kann ich so arbeiten, aber Schule auf Dauer würde ich mir so nicht vorstellen können

 

Rechnen Sie damit, veränderte Kinder und Jugendliche wiederzusehen?

Die ganze Thematik der traumatisierten Kinder kommt mir ein bisschen übertrieben vor. Wir haben an unserem Schulsprengel 26 Flüchtlingskinder und selbst die tragen noch ein Lächeln im Gesicht, bei allem was sie mitgemacht und ausgehalten haben. Schule ist wichtig, soziale Kontakte sind wichtig, aber die Elternhäuser sind genauso wichtig. Selbstverständlich sind die Elternhäuser sehr verschieden und es gibt sicher Kinder, die sehr unter dem Lockdown gelitten haben. Wir haben Familien mit kleinen Wohnungen, ohne Balkon und mehreren Kindern – gerade bei Familien mit Migrationshintergrund. Es wird Kinder geben, die traumatisiert sind. Aber manchmal kommt es so herüber als wären es sehr, sehr, sehr viele. Das scheint mir etwas übertrieben, denn es geht hier um ein paar Monate und Kindern kann man viel erklären. Natürlich hängt es davon ab, wie groß die Unterstützung vonseiten der Eltern war.

Es besteht zwar keine Maskenpflicht im Unterricht, aber ein weitreichendes Kontaktverbot zwischen den Schülern. Kann das klappen?

Einerseits ist es wichtig, dass alle – Kinder, Eltern, Lehrer – die Richtlinien kennen und dass diese eingehalten werden. Andererseits ist darauf zu achten, die sozialen Kontakte ebenso ernst zu nehmen. Laut Richtlinien müssen die Kinder, sobald sie ihren Platz verlassen, die Maske wieder aufsetzen. Im Pausenhof dürften sich die Klassen nicht vermischen. Wir gehen einen anderen Weg.

Und zwar?

In der halben Stunde Pause, die es bei uns gibt, werden wir den Schülerinnen und Schülern zuerst die Zeit lassen, um die Jause in Ruhe in der Klasse zu essen, dann dürfen sie in den Schulhof gehen – mit Maske. Dafür dürfen sie auch mit einem Schüler der anderen Klasse, mit einem Bruder oder dem Cousin sprechen und vielleicht auch spielen. Es würde uns furchtbar leid tun, eine halbe Stunde im Hof zu verbringen und dort einzeichnen zu müssen, wo sich welche Klasse bewegen darf. Das ist völlig unnatürlich und würde auch zu Spannungen führen. Denn so groß sind unsere Schulhöfe nicht. Deshalb werden wir diesen Weg gehen.

Täuscht der Eindruck, dass vor allem die Lehrer jetzt sehr gefordert sind?

Die gesamte Schule ist neu organisiert. Schon allein, weil es unterschiedliche Ein- und Austrittszeiten und Einheiten zu 90, 60 oder 30 Minuten gibt. Unsere Schulglocken werden heuer lahmgelegt, weil es ja andauernd läuten würde, weil die Schultage völlig anders organisiert sind. Die Zeitmanager sind die Lehrpersonen. Es ist für alle ein größerer Aufwand: für Schulführungskräfte, Lehrpersonen und auch für die Eltern.
So haben wir es zum Beispiel nicht geschafft, dass alle Klassen, in denen Geschwister sind, dieselbe Ein- und dieselbe Austrittszeit haben. In dieser Frage haben wir auch Probleme mit der Schülerbeförderung.

Mit welchen Folgen?

Jetzt passiert es, dass zum Beispiel Erstklässler schon um 7.30 Uhr in der Schule sind, den Eintritt aber erst um 8 Uhr haben. Natürlich werden diese Kinder von uns beaufsichtigt. Aber generell sind diese verlängerten Vormittage für Erstklässler der Grundschule heuer eine Zumutung, egal ob sie von 8 bis 13.30 Uhr oder von 7.30 bis 13.00 Uhr anwesend sind. Das ist für einschulende Kinder eine lange Zeit und aus lerntheoretischer Sicht sicher nicht vertretbar. Heuer werden wir in den sauren Apfel beißen und versuchen müssen, das Beste daraus zu machen. Ich werde alles unternehmen, um die Lehrpersonen bei positiver Stimmung zu halten. Wenn die verloren geht, wird es wirklich problematisch.

 

Neben gestaffelten oder gleitenden Ein- und Austrittszeiten setzt man heuer verstärkt auf “selbstorganisiertes Lernen”, wie Schullandesrat Philipp Achammer immer wieder betont. Dafür sind in der Grundschule laut angepasster Stundentafel 7,5 und in der Mittelschule 5 Wochenstunden vorgesehen. Was versteht man genau unter “selbstorganisiertem Lernen”? Und sind vor allem Grundschulkinder imstande, ihre Lernzeit selbst zu organisieren?

Ich bezweifle, dass Ihnen irgendjemand sagen kann, was das selbstorganisierte Lernen ganz konkret sein soll. Das war sicherlich gut gemeint, auch von politischer Seite, und ich unterstütze selbstorganisiertes Lernen auf jeden Fall. Aber jede Schule versteht darunter etwas anderes und ich denke auch in der Bildungsdirektion sind nicht alle gleicher Meinung.

Wie verstehen Sie selbstorganisiertes Lernen?

Wenn das selbstorganisierte Lernen heißen soll, dass Kinder imstande sind, sich nach einem Arbeitsplan zu organisieren, das bereitgestellte Material zu besorgen und damit zu arbeiten, ist das im Grunde genommen nichts Neues. Grundschulen arbeiten schon sehr lange so, die Mittelschulen ziehen langsam nach. Ich habe selbst noch als Lehrerin erlebt, dass Kinder eigenständig arbeiten können. Nur kann man nicht einfach hergehen und sagen, das selbstorganisierte Lernen ist jetzt wie ein Fach mit eineinhalb Stunden für die Grund- und einer Stunde für die Mittelschule vorgesehen. Denn selbstorganisiertes Lernen muss erlernt werden. Und das passiert im Unterricht. Manche Schulen sagen, in der für das selbstorganisierte Lernen vorgesehenen Zeit – in der ersten oder letzten Stunde oder irgendwann dazwischen – können die Schüler Hausaufgaben erledigen, manche Schulen sagen, da können sie sich frei beschäftigen. Das kann es für mich nicht sein. Hinter diesem selbstorganisierten Lernen muss, wenn schon, ein Konzept stehen. Und das kann man nicht aus dem Boden stampfen, das braucht Zeit, das muss die Schule gemeinsam entwickeln. Wir werden uns die Zeit nehmen und versuchen, gemeinsam ein Konzept zu entwickeln. Es wird eine Weile dauern, inzwischen haben wir vereinbart, dass die Klassenräte darüber beraten.

Was ist die Absicht hinter diesem “selbstorganisierten Lernen” zu Beginn bzw. am Ende des Schultags?

Das Ziel, so sieht es auch der Landesrat, wäre, dass Kinder mit diesem selbstorganisierten Lernen auf den Fall vorbereitet würden, dass es wieder zum Fernunterricht kommt – dass sie bereits wissen, wie sie das händeln sollen. Allerdings glaube ich, dass der Fernunterricht schon im letzten Jahr zwar nicht super, aber sicherlich nicht ganz schlecht gelaufen ist. Was wir verbessert haben: Wir verwenden für alle Mittelschulklassen und die 4. und 5. Grundschule jetzt eine einheitliche Plattform, “Teams”. Die Schüler müssen jetzt in die Verwendung dieser Plattform eingeführt werden, auch die Lehrpersonen brauchen Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Im besten Fall sollten wir auch schauen, wie man Eltern einschulen kann. All das braucht Zeit.

Wenn die gekürzte Unterrichtszeit längerfristig gedacht wäre, mache ich mir Sorgen um die Bildungslücken, die entstehen werden

Stichwort Zeit: Einige Ihrer Schulführungs-Kollegen, aber auch Lehrer kritisieren, dass mit dem überarbeiteten Stundenplan einiges an Kernunterrichtszeit, insbesondere am Vormittag, verloren geht. Bis zu 30 Prozent heißt es. In der Bildungsdirektion hat man diesen Vorwurf zurückgewiesen. Wie ist die Situation nun tatsächlich?

Man braucht sich nur die Stundentafeln anschauen. Daran kann man genau erkennen: Es stimmt, dass keine Fächer gestrichen wurden. Aber es ist eine Tatsache, dass Fächer gekürzt wurden. Etwa Sprachen oder Naturwissenschaften. Man kann also nicht hergehen und sagen, eigentlich ist nur der Wahlpflichtbereich weggefallen. Gerade an Schulen mit einer Sprachenvielfalt wie es sie in Städten gibt, ist es doch bedenklich, wenn etwa in einer deutschsprachigen Schule die deutsche Sprache als Fach sehr vermindert angeboten wird. Da muss ich all meinen Kolleginnen und Kollegen recht geben, die dabei ein Problem sehen. Die Kürzungen sind eine Tatsache und ich finde es nicht in Ordnung, wenn das jetzt ein wenig verharmlost wird, indem man sagt, letztendlich ist die Unterrichtszeit ja gleich geblieben. Es hat Kürzungen gegeben, die das selbstorganisierte Lernen nicht wettmachen wird. Zugleich möchte ich betonen: Nur kritisieren bringt uns nicht weiter. Wenn schon, muss man auch Lösungen anbieten.

Machen Sie sich angesichts der Kürzung der Unterrichtszeit Sorgen?

Wenn das in dieser Notsituation für dieses eine Jahr gedacht ist, müssen wir zusammenhalten und das Beste daraus machen. Aber wenn das längerfristig gedacht wäre, muss ich ehrlich sagen, mache ich mir Sorgen um die Bildungslücken, die entstehen werden. Was ich aber noch dazusagen muss: Aufgrund dieser Kürzungen, aber auch aufgrund der Covid-Situation läuft Schule ja anders. Projekte, Ausflüge, Zusammenarbeiten, Schulveranstaltungen wie Theateraufführungen, die ja alle in Unterrichtsstunden stattgefunden haben, fallen heuer so gut wie völlig aus. Leider, denn für die Schülerinnen und Schüler war das Schulleben immer bunt und hat so auch zur Persönlichkeitsentwicklung beigetragen. Heuer sind wir nur beim Kerngeschäft. Insofern hoffe ich, dass man, dadurch, dass wir uns “nur mehr” auf die Fächer konzentrieren, wieder etwas hereinholen kann.

Insofern: Wir befinden uns in einer absolute Notsituation, an oberster Stelle steht unser aller Gesundheit. Und in einer Notsituation kann ich so arbeiten. Aber Schule auf Dauer würde ich mir so nicht vorstellen können.

Von März bis jetzt haben wir alle sehr viel gelernt, ganz unabhängig davon, was gut und was nicht gut gelaufen ist

Würden Sie rückblickend sagen, dass das Corona-Krisenmanagement für die Schule funktioniert hat? Oder war es in gewisser Weise auch so, wie es häufig heißt, dass Corona wie ein Brennglas bereits bestehende Missstände und Probleme verstärkt hat?

Eine Krise ist immer eine Ausnahmesituation und eine Krise ist nicht planbar. Es ist schon die Krise per se, die ganz viele Unsicherheiten, Verwirrungen, angespannte Situationen bis hin zu Missständen hervorruft. Manchmal hatte man tatsächlich das Gefühl – nicht nur in der Schule, auch im Gesundheitswesen –, jetzt könnten die Fäden nicht mehr lange halten und es kommt zum Zusammenbruch. Tritt eine Krisensituation ein, ist die Zeit das große Thema, Entscheidungen müssen schnell getroffen werden und solche Entscheidungen sind nie für alle Menschen die richtigen. Ich habe mich fast nicht mehr von E-Mails von Eltern erwehren können, die sich mit Fragen, Unsicherheiten und Unzufriedenheiten an mich gewandt haben, für die ich als Schulführungskraft gar nichts kann.

Wie zum Beispiel?

Für die Eltern waren und sind die Nachmittage ein großes Thema. Ursprünglich hieß es, die Nachmittagsangebote werden abgeschafft. Man hätte schon vorher wissen müssen, dass die Eltern dann auf die Barrikaden steigen. Die Entscheidung wurde schließlich wieder abgeändert. Da fragt man sich, ist sie zu schnell gefallen, war sie nicht gut überlegt oder wird man wieder weich, wenn manche laut schreien?

Was hätte anders laufen können?

Ich würde mir manchmal wünschen, dass an solch großen einschneidenden Entscheidungen etwas länger gearbeitet wird bevor es heißt “Jetzt ist es so, Unterricht nur am Vormittag, es gibt keine Nachmittage”. Den ganzen Sommer hatte ich das Gefühl, wir machen immer einen Schritt nach vorne und zwei zurück.

In Ihrem Schulsprengel findet ein Kreativwettbewerb statt, in dessen Rahmen die Schüler ihre Gedanken und Gefühle, die sie mit den vergangenen Wochen und Monaten verbinden, zu Papier bringen und damit dann das Schulhaus schmücken werden. Mit einer Ausstellung am Ende des Schuljahres soll dann “an die Zeit des Coronavirus erinnert” werden. Sie gehen davon aus, dass sich bis kommenden Sommer die Situation wieder normalisiert hat oder – um zu Ihrer Metapher zurückzukehren – der Ausgang aus dem Labyrinth gefunden werden sein wird?

Ja, ich denke schon, dass wir zur Mitte gekommen sein werden. Von März bis jetzt haben wir alle sehr viel gelernt, ganz unabhängig davon, was gut und was nicht gut gelaufen ist. Die Dinge sind einfach anders gelaufen und haben uns viel an Erfahrung gebracht. Wir sind jetzt, genau wie die Sanität, anders auf die Dinge vorbereitet. Und wir werden auch in diesem Schuljahr viel dazulernen. Jetzt, in der Krisensituation, müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben und werden das auch den Kindern beibringen – damit sie aufgeklärt sind, aber so, dass sie nicht Angst haben. Sie sollen die Situation – mit uns gemeinsam – so verstehen, das dieses Virus jetzt da ist und wir mit ihm leben müssen. Und im Laufe des Jahres wird sich zeigen, ob das nächste Schuljahr wieder ganz so sein wird wie die anderen Schuljahre, ob die Covid-19-Situation behoben ist oder nicht. Das hängt klarerweise auch von den medizinischen Entwicklungen ab, man weiß nicht, ob es irgendwann ein Medikament gibt und wann es einen Impfstoff geben wird.

Besonders wichtig ist mir gerade im heurigen Jahr die Zuversicht, die nötige Gelassenheit und ein gesunder Hausverstand

Wird Schule wieder wie vor Corona sein?

Eines ist sicher: Wir haben alle aus dieser Krise dazugelernt. Einige Dinge werden die Schule auch nach Covid-19 verändern. Zum Beispiel, wenn wir an die Digitalisierung denken: Die war vor allem an der Aufschnaiter leider nicht sehr fortgeschritten. Weil – das muss ich jetzt schon sagen – die Zustände hier immer noch dieselben sind. Wir haben über den Sommer Berge versetzt! Selbst, ohne Unterstützung der Gemeinde. Denn da können wir warten bis St. Nimmerlein. Seit 30 Jahren heißt es, diese Schule wird saniert, aber wir hatten bisher nirgendwo in den Klassen Internetanschlüsse. Im Sommer haben wir das in toller Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung des Landes und auf eigene Kosten erledigt. Denn wir brauchen in jeder Klasse die Möglichkeit, online zu gehen. Auch um die Kinder vorzubereiten,  falls es wieder zum Fernunterricht kommt. Ohne Covid-19 wäre das wahrscheinlich alles nicht passiert. Ob die Schule im nächsten Jahr wieder die vom vorigen Jahr sein wird, weiß man nicht.

Soll sie das überhaupt?

Ich sehe durchaus Dinge, die sich verändern können. Gerade was die Digitalisierung anbelangt. Eine Plattform wie “Teams” kann man nicht nur im Fernunterricht einsetzen, sondern auch im Unterricht, beim selbstorganisierten Lernen, für die Hausaufgaben, für Schülerinnen und Schüler, die aus gesundheitlichen Gründen abwesend sind, für Sitzungen. Durch das Bewältigen der Krise lernen wir alle dazu und werden dann genau abschätzen können, was an Veränderung und was an Bewährtem beibehalten werden kann.