Politica | Erinnerung

Der (un)vergessene Vater

Zu viel Liberaler, zu wenig Hardliner: Erich Amonn ist in der SVP in Vergessenheit geraten. Dabei würde es die Partei ohne ihn nicht geben, erinnert Tochter Monica.
Parteikartl Erich Amonn
Foto: upi

Ob er sich über den überfüllten Saal im ersten Stock des Hotel Laurin gefreut hätte? Zu Lebzeiten war ihm, dem “Vater” der SVP eine Würdigung durch seine Partei stets verwehrt worden. An diesem regnerischen Novemberabend 2019 nun drängen sich zahlreiche amtierende und ehemalige Parteifunktionäre dicht an dicht. Auch einer der raren Gesinnungsgenossen, der 92-jährige Roland Riz, ist gekommen, um der Erstpräsentation des Werks über Erich Amonn beizuwohnen.

 

Die Historiker Hans Heiss und Stefan Lechner haben ein 464 Seiten starkes Porträt über den “Bürger, Unternehmer und Politiker” Erich Amonn erstellt – mit tatkräftiger Unterstützung der Familie Amonn und dem Porträtierten Nahestehenden. Einen “nicht ganz stromlinienförmigen Politiker in der SVP” nennt ihn Thomas Kager vom Raetia Verlag, in dem das Buch erschienen ist. Sein liberaler Geist, den ihm seine Abstammung aus bürgerlicher Bozner Kaufleutefamilie eingehaucht hat, und seine sanfte, stete Suche nach Kompromissen war vielen in der SVP ein Dorn im Auge. Dem Gegenwind von parteiinternen Hardlinern und Kirche hielt Erich Amonn nicht stand. 1957 schlug die Stunde von Silvius Magnago – und es kam zur endgültigen Entmachtung des Gründungsvater und ersten Obmannes der SVP. Als solcher war er aufgrund massiven Drucks jener, die in der Suche nach einer Lösung für die Südtirolfrage eine deutlich härtere Parteilinie forderten – allen voran die “BBD-Gruppe” um Alfons Benedikter, Peter Brugger und Hans Dietl –, bereits 1948 zurückgetreten. Nur drei Jahre nachdem er als Parteimitglied Nummer Eins der SVP auf den Plan trat.

 

Ausführlich zeichnen Hans Heiss und Stefan Lechner an diesem Abend den Werdegang von Erich Amonn nach. Ihm, einem Bürgerlichen, einem Liberalen, einem “Dableiber” und Widerstandskämpfer, ist es zu verdanken, dass sich in der Nachkriegszeit ab 1945 eine Sammelpartei formieren konnte. Daran erinnert Tochter Monica Amonn Tinzl: Hätte es ihren Vater mit seiner resolut antifaschistischen Haltung und seinem ausgleichenden Wesen nicht gegeben, “hätten die Alliierten der Gründung einer deutschen Partei in Südtirol nie zugestimmt”. Die Rede von Monica Amonn ist das pointierteste Statement der gesamten Veranstaltung.

 

“Bewusst oder unbewusst” sei Amonn in Vergessenheit geraten – dabei könnten auch seine politischen Nachkommen und auch die “noch zu vergessenen Politiker” am Beispiel Erich Amonn lernen, wie “gute Politik” gemacht werde, sagt seine Tochter. Ob ihr mahnender Appell auch an den amtierenden SVP-Obmann gerichtet sind, weiß nur Monica Amonn. Philipp Achammer sitzt in der ersten Reihe und ist eigentlich nicht als Redner bei der Buchpräsentation angekündigt. Dann tritt er doch ans Rednerpult – und versichert Monica Amonn, dass ein Bildnis ihres Vaters im Büro des Parteiobmannes in der Parteizentrale hänge. Aber das allein sei zu wenig, beteuert Achammer, um den 1896 geborenen Bozner Kaufmann, der am 8. Mai 1945 in der Villa Malfèr in Gries mit 18 weiteren Vertrauensleuten die SVP gründete, gebührend zu erinnern.

Erinnern will auch Franz von Walther an diesem Abend, an seinen Onkel, Weggefährten und dessen politisches Leitmotiv, das für die SVP in ihren Anfangsjahren über allem stand: “Faschismus und Nazismus müssen überwunden werden, gründlich, gänzlich und für immer!”

 

Den Abend beschließt Hans Heiss, mit den ehrenvollen und zugleich unbehaglichen Worten, die auch das Buch über Erich Amonn beenden:

“Die Initialzündung zur Sammelpartei gab ein Bürgerlicher, dessen Fähigkeit zur Integration und Ausgleich den Aufbau der SVP ermöglichte, die sein bürgerliches Erbe aber nur in Spuren aufnahm. Freiheit vom Denken in Kategorien der Stände, Bünde und Bezirke fiel der Partei stets schwer. Das markante Defizit an Liberalität, die man mit dem Gründer und seinesgleichen abwarf, wurde lange überspielt, bis das Manko die Partei in jüngster Zeit massiv einholte. Erich Amonn war ein großer Gestalter, der in Geschäft, Politik und Öffentlichkeit selbst eingriff, vor allem aber Vorhaben und Projekte ermöglichte, in einer Form bürgerlicher Subsidiarität, in der er sich selbst oft zurücknahm. Die Haltung fand Anerkennung, auf politischem Feld führte sie ihn aber auch in die Dunkelzone absichtsvollen Vergessens. Unser Porträt leuchtet den Mann und seine Zeit neu aus, in dezenter, aber wirkungsvoller Illuminierung, wie sie der Persönlichkeit von Erich Amonn und ihrer Statur wohl ansteht.”