Economia | salto Gespräch

“Eine Frage der Überzeugung”

Der Jungbauer Andreas Kalser spricht über Pilze als Fleischersatz, Perspektiven in der Landwirtschaft und seine Verbindung zu Hof und Tradition.
Josef Obkircher und Andreas Kalser
Foto: (c) Bauernjugend

salto.bz: Mit dem Projekt “Kirnig” Südtiroler Edelpilze haben Josef Obkircher und Du den europäischen Junglandwirtschaftspreis gewonnen. Wie kam es dazu?

Andreas Kalser: Josef und ich wollten gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Schon bevor wir die jeweiligen Höfe unserer Eltern übernommen haben, haben wir mit verschiedenen Möglichkeiten herumexperimentiert. Nach einigen versandeten Ideen kamen wir vor etwa fünf Jahren auf die Idee, Champignons auf Strohballen anzupflanzen. Die Pilze erwiesen sich als ein ideales Produkt: Sie passen perfekt in den Zeitgeist! Pilze sind nicht nur nahrhaft, sondern stellen gleichzeitig eine super Alternative zum Fleisch dar. Sie haben einen sehr guten ökologischen Fußabdruck. Auch gab es in Südtirol noch keine Pilzzucht in diesem Sinn. So sind wir auf den Anbau von Edelpilzen gestoßen: Shiitake, Kräuterseitlinge und Austernpilze.

 

Ihr habt sozusagen einen neuen Sektor aus dem Boden gestampft. 

Die Pilzzucht war in Südtirol etwas Neues. Deshalb war uns eine zeitgemäße Einbettung sehr wichtig. Nachhaltigkeit, Einbindung in regionale Kreisläufe, biologische Anbauweise… Wir wussten anfangs gar nicht, wie ein nicht-biologischer Anbau in der Pilzzucht aussieht und haben uns auch gar nicht darüber informiert. Erst später haben wir erfahren, dass auch hier Pflanzenschutzmittel angesetzt werden. Besonders bei Pilzen würde ich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aber nicht verantworten.

Warum? 

Der Fruchtkörper der Pilze ist jener Teil, in dem Schadstoffe abgelagertz werden. Der eigentliche Pilz ist das Myzel, das Pilzgeflecht, das meist im Untergrund verborgen bleibt. Schadstoffe, die beim Anbau eingesetzt werden, sammeln sich also im Fruchtkörper der Pilze an.

Abgesehen von der Pilzzucht, wie wichtig ist dir eine biologische Anbauweise?

Ich bewirtschafte den Koflhof, auf dem ich zusammen mit meinen Eltern vor allem Obst- und Weinbau betreibe, nicht biologisch, spiele aber seit Beginn mit dem Gedanken, zum biologischen Anbau überzugehen. Durch die steilen und hoch-gelegenen Hänge ist dieser Wandel aber nicht ganz einfach, da ich teilweise auf Pflanzenschutzmittel mit einer längeren Wirkung angewiesen bin. Mit der Zeit wird es aber sicher möglich werden. Bis dahin versuchen wir so nachhaltig und schonungsvoll wie möglich zu wirtschaften.

Ich glaube nicht, dass Pflanzenschutz ein Generationenkonflikt oder generell ein Konflikt zwischen zwei Seiten ist.

Was würde dich dazu bringen, den Schritt zum biologischen Anbau zu machen? Gezielte landwirtschaftliche Förderungen?

Natürlich sind finanzielle Unterstützungen hilfreich, aber ich glaube nicht, dass sie für die Umsetzung einer Idee ausschlaggebend sind. Zumindest in meinem Fall nicht. Josef und ich konnten bei der Pilzzucht beispielsweise auf keinerlei Förderungen zurückgreifen. Einerseits waren Pilze bei Diversifizierungsförderungen nicht angeführt, da es eine Pilzzucht in diesem Sinne noch gar nicht gab. Andererseits fielen wir bei Förderungen durch, weil wir die Pilzzucht gemeinsam betreiben wollten. Trotzdem haben wir uns dazu entschieden, unser Vorhaben umzusetzen. Im Bioanbau ist es ähnlich. Für mich ist es eine Frage der Überzeugung. Natürlich muss sich der Bioanbau auch lohnen, aber es ist vor allem ein Schritt, der viel Arbeit und Hingabe erfordert.

Gibt im Bezug auf Pflanzenschutz einen Unterschied zu älteren Generationen?

Ja, ich glaube, dass es einen anderen Denkansatz gibt. Die Landwirtschaft entwickelt sich ständig weiter und auch unsere Ideen und Vorstellungen werden irgendwann überholt sein. Vor 50 Jahren wurden noch Sachen gespritzt, die heute unvorstellbar sind. Aber ich glaube nicht, dass es ein Generationenkonflikt oder generell ein Konflikt zwischen zwei Seiten ist; für oder gegen Pflanzenschutzmittel. Es ist im Interesse der Landwirtschaft, dass der Pflanzenschutz nachhaltig weiterentwickelt wird.

Wird man in Zukunft auch ohne Pestizide arbeiten können? 

Pflanzenschutz wird es, glaube ich, weiterhin brauchen. Auch im Bioanbau müssen Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen geschützt werden, um gute Erträge zu erzielen. Ich denke nicht, dass Pflanzenschutz und Umweltschutz unvereinbar sind.

 

Vom Bioanbau mal abgesehen, in welche Richtung muss sich die Landwirtschaft in Südtirol entwickeln?

Der Wert der Lebensmittel muss sich ändern. Ich glaube, dass hier eines der größten Probleme liegt und der Grund, warum viele der Subventionen überhaupt gebraucht werden. Wenn für Lebensmittel ein vernünftiger Preis verlangt werden kann, können auch höhere Kosten für die Produktion in Kauf genommen werden und nachhaltiges, tiergerechtes Wirtschaften wird ermöglicht. Diversifizierung ist wichtig. Sowie die Förderung regionaler Kreisläufe; in Südtirol werden Lebensmittel bester Qualität produziert, die Politik muss sich dafür einsetzen, dass diese in öffentlichen Einrichtungen verwendet werden. Auch in einer besseren Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus sehe ich eine große Chance.

Und welche Entwicklungen kannst du bereits beobachten?

Im Bereich der Digitalisierung hat sich einiges verändert. Das Klima im Inneren der Zellen, in denen wir die Pilze anbauen, ist computergesteuert. So können die Pilze über das gesamte Jahr angebaut und geerntet werden. Auch im Bezug auf Tierwohl beobachte ich eine ganz klare Entwicklung; Tierschutz gewinnt heute auch an ökonomischen Wert. Bei der Vergabe des europäischen Junglandwirtschaftspreises gab es ein Projekt, das mich diesbezüglich besonders beeindruckt hat. Ein Bewerber hat eine Technologie entwickelt, die die Geschlechtserkennung der Küken schon im Ei ermöglicht. Damit kann das Schreddern der männlichen Küken unterbunden werden.

Apropos Küken: Könntest du dir vorstellen, dich vegetarisch zu ernähren? 

Ich esse sehr gerne Fleisch. Für mich wäre das nichts. Aber ich verstehe jeden, der, aufgrund der Art und Weise, wie Tiere vielerorts gehalten werden, kein Fleisch mehr isst. Auch ich esse dort, wo ich mir nicht sicher bin, kein Fleisch. Am liebsten esse ich unser eigenes Fleisch. Da weiß ich, woher es kommt und wie die Tiere gelebt haben.

Der hohe Stellenwert der Tradition in der Landwirtschaft fördert auf eine gewisse Art und Weise regionale und lokale Kreisläufe. 

18 Prozent der Emissionen in Südtirol stammen aus der Landwirtschaft, wobei die Tierhaltung eine große Rolle spielt. Muss die Tierhaltung nicht nur verändert, sondern auch zahlenmäßig reduziert werden?

In Südtirol sehe ich diese Bestrebung nicht. Ich mache mir viele Gedanken über Emissionen, auch wenn die Emissionen meiner kleinen Tierhaltung dabei kaum eine Rolle spielen. Solange ich meine Tiere lokal ernähre, kann ich deren Haltung mit gutem Gewissen verantworten. Ich wäre dafür, dass beim Import von Futtermittel oder Fleisch aus fernen Ländern mit Einsparungen von Emissionen begonnen wird.

Die Landwirtschaft ist aber auch ein sehr traditionsreicher Sektor. Welchen Stellenwert hat das Weiterführen der Tradition für dich? 

Das ist, glaube ich, der ausschlaggebende Punkt, der den Unterschied zwischen Bauer und Unternehmer definiert. Auch Bauern müssen heute unternehmerisch handeln, um ihren Betrieb am Leben zu halten und Innovation wie beispielsweise im Bereich der Digitalisierung zulassen. Trotzdem bleiben Traditionen wichtig. Ich stecke viel Zeit und Arbeit in Dinge, die sich aus wirtschaftlicher Sicht kaum oder manchmal überhaupt nicht lohnen. Einfach darum, weil es immer schon so gemacht wurde. Der hohe Stellenwert der Tradition in der Landwirtschaft fördert meines Erachtens regionale und lokale Kreisläufe. Auch der Bezug zum eigenen Grund und Boden ist sehr wichtig. Ich könnte mir beispielsweise überhaupt nicht vorstellen, den Hof zu verkaufen. 

Das ist sicher ein gutes Gefühl, zu wissen, wohin man gehört. 

Ja, ich weiß das auch zu schätzen. Ich kann genau das machen, was mir Freude bereitet. Für mich war immer klar, dass ich den Hof übernehmen werde. Ich bin so aufgewachsen und habe mich immer schon an der landwirtschaftlichen Arbeit erfreut. Die Frage hat sich für mich überhaupt nicht ergeben.

 

Du hast den Hof von drei Jahren im Alter von 26 Jahren übernommen. Warum glaubst Du, ist die Arbeit in der Landwirtschaft auch für junge Menschen weiterhin attraktiv? 

Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Ich hänge nicht nur an der Arbeit, aber am Leben, das durch diese Arbeit ermöglicht wird. Natürlich bin ich durch meine Arbeit sehr gebunden, trotzdem habe ich viele Freiheiten im Bezug auf die Gestaltung meiner Arbeit. Ich arbeite gern mit Tieren, arbeite draußen, sehe dabei zu, wie etwas wächst. Auch wirtschaftlich ist die Arbeit in der Landwirtschaft nicht uninteressant. 

Trotzdem wird der Generationenwechsel in der Landwirtschaft oft als schwierig empfunden. Warum?

Die Übernahme erfolgt oft erst viel zu spät. Ich hatte Glück, dass mir meine Eltern den Hof schon sehr früh übergeben haben. Dadurch konnte ich sehr früh damit beginnen, neue Ideen umzusetzen. Natürlich ist es kein einfacher Schritt, die Zügel an eine neue Generation abzugeben. Trotzdem haben mich meine Eltern eigentlich immer in der Umsetzung von neuen Ideen unterstützt. Bei unserer Pilzzucht waren sie sicherlich das eine oder andere Mal skeptisch, sie haben ihre Zweifel aber immer für sich behalten. Wenn etwas Neues aufgebaut wird, gibt es immer Stimmen, die sagen: "Ha, das kann nicht funktionieren!”. Bis jetzt hat es aber ganz gut geklappt!

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Irene Senfter Dom, 01/17/2021 - 19:41

Hallo Andreas Kalser und Josef Obkircher, Kompliment für Euer Projekt und Eure Motivation! Ihr macht anderen jungen Menschen in der Landwirtschaft Mut zur Nachahmung! Jetzt bleibt mir, nach Sichtung Eurer Hompage kirnig.com (Kompliment auch dafür!), nur noch Eure Pilze auch auszuprobieren!!!

Dom, 01/17/2021 - 19:41 Collegamento permanente