Cultura | Salto Weekend

Erste Berghütten

Gabriel Kerschbaumer hat sich mit hochalpiner Architektur beschäftigt. Herausgekommen ist ein Buch und ein Textauszug - für einen Salto nach oben und in die Vergangenheit
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Foto: Quelle: Klein Publishing

Die Medienwirksamkeit der Alpinisten wurde durch Berichte, Artikel und vor allem durch erste Reiseführer (z.B. von Karl Baedeker über die Alpen) größer. Langsam änderte sich auch die Einstellung der Einheimischen gegenüber den Bergsteigern und sie versuchten aus ihnen Profit zu schlagen. So begannen sich die Bergfüh­rer in Verbänden zu organisieren (1821 Bergführer von Chamonix, 1850 Bergführer von Courmayeur), Schlaf­möglichkeiten für die Alpinisten wurden im Tal angeboten und die Schweiz wurde zum „Spielplatz Europas" (Buch The Playground of Europe von Sir Leslie Stephen) für die Engländer. Ab einer gewissen Höhe waren aber keine Hütten mehr vorhanden und als Unterkünfte dienten Biwaks unter freiem Himmel, manchmal geschützt durch einen überhängenden Felsblock oder eine Zeltplane.

Das Refuge des Grands Mulets am Mont Blanc (3050 m) wurde 1853 als eine der ersten Schutzhüt­ten im eigentlichen Sinne eröffnet. Die kleine Holzhütte (2,15x4,3 m) wurde 1866-1867 um zwei Schlafräume und eine Küche erweitert und erhielt sogar schon einen Hüttenwart und eine eigene Köchin, die während der Sommermonate die Gäste bekochte. 1897 erfolgte ein weiterer Anbau.

Die verschiedenen Holzteile der Hütte wurden im Tal vorgefertigt, nummeriert, zum Bauplatz gebracht und dort montiert:

In Chamonix wurde eine Holzhütte gebaut. Die Teile wurden nummeriert. Der Bergführerrat beschloss, eine obligato­rische Gebühr für alle zu erheben, und jeder trug ein Brett bis zu den Grands Mulets.

Laut Joseph Vallot war die Einrichtung luxuriös und bestand aus Liegen und richtigen Betten mit Laken. Die Berghütte hatte drei Seiten­wände aus Holz und lehnte sich an der vierten an einen großen Felsen an. Dieses „Anbauen" an eine vierte, natürlich bestehende Wand zum Schutz gegen Wetter und Wind wurde zum Idealprinzip für den Hütten­bau der nächsten Jahre, obwohl es grundlegende Schwierigkeiten mit sich brachte: Aufgrund der schlechten Qualität der Baumittel gelangte durch die Ritzen zum Fels hin Feuchtigkeit in das Innere der Hütte, welches Einrichtungsgegenstände verrotten und das Strohlager zum Schlafen und die Wolldecken verschimmeln ließ. Wenn sich der Schnee im Inneren zu Eis verwandelte, erweiterte es die Spalten der Hütte und sie füllte sich allmählich mit Eis oder fiel in sich zusammen.

Das Bauen im Gebirge war nicht einfach und steckte noch in den Kin­derschuhen. Die Arbeitskräfte waren meist Laien und der Transport zu entlegenen Bauplätzen oft mühsam und beschwerlich. Man versuchte die vorgefundenen Gegebenheiten zu nutzen, daher bestanden die frü­hen Unterstände oft aus Trockenmauern aus herangetragenen Steinen. Falls Mörtel verwendet wurde, waren Zement und Sand von schlechter Qualität und Bauschäden und Einstürze nicht selten. Aufzeichnungen über die Erfahrungen des Club Alpino Italiano über erste Schutzhütten zur Besteigung des Monviso und des Matterhorns geben uns Eindrücke über Materialien und Schwierigkeiten beim Bau: „Die Trockenmauern waren nur einigermaßen dicht. Für den Rest verwendete man Holzbalken- und Bretter, die manchmal geteert oder mit einem verzinkten Schutzblech versehen wurden. [...] Es war noch Verbesserungspotenzial da: es wurde begonnen, die Innenseiten der Mauern mit Holztafeln auszukleiden, am besten mit Abstand zu den Steinmauern, welche die feuchten und kalten Luftströme stoppten. [...] Es wurde herausgefunden, dass Holz das funktionalste Material für die Errichtung der Schutzhütten war und zum Ende des Jahrhunderts hin wurden alle aus Holz hergestellt.“

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts unterschieden sich die Konstruktionsprinzipien in Italien, der Schweiz, Österreich und Frankreich nur geringfügig.