Ambiente | Pflanzenschutz

Römischer K.O.-Schlag

Die Pflanzenschutz-Diskussion der anderen Art: Für das öffentliche Grün sieht Rom strengere Regeln vor als die Malser. Verwildern nun Südtirols Gemeinden?

Während in Brüssel immer noch erfolglos darüber gestritten wird, ob der Unkrautvernichter Glyphosat weiterhin  zugelassen wird, bleibt er in Südtirols Landeshauptstadt vorerst im Lager. „Wir setzen Glyphosat bereits seit Jahren nicht mehr auf Spielplätzen oder in der Umgebung von Schulen und Kindergärten ein“, sagt die Chefin der Bozner Stadtgärtnerei Ulrike Buratti. „Doch derzeit müssen wir das Unkraut im gesamten Stadtgebiet wachsen lassen.“ Der Grund dafür? Der Nationale Aktionsplan zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, der vor zwei Jahren als Umsetzung einer Europäischen Rahmenrichtlinie verabschiedet wurde. Ein gesetzlicher Schritt, mit dem auf die wachsende Sensibilität für die Auswirkungen von Pestiziden und Herbiziden auf Mensch und Natur reagiert wird. Der allerdings im Bereich Landwirtschaft nicht weit genug geht, tönt nicht nur die Anti-Pestizid-Lobby. Auch Landesrat Arnold Schuler unterstreicht gerne, dass die auf Landesebene verabschiedeten Richtlinien zur Umsetzung des Aktionsplans in vielen Bereichen strenger seien als die nationalen Bestimmungen.

Außen vor gelassen wurde in der leidenschaftlichen Diskussion um den Einsatz in der Landwirtschaft bisher allerdings der Bereich öffentliches Grün. Dazu zählt die Behandlung von Pflanzen in Alleen, Parks oder auf Spielplätzen genauso wie die Beseitigung von Unkraut, das sich seinen Weg in Gehsteigritzen oder entlang von Fahrradwegen bahnt. In der Landeshauptstadt fuhr man bei all diesen Aufgaben bereits vor der Verabschiedung des Aktionsplans einen zunehmend nachhaltigen Kurs, sagt die Chefin der Bozner Stadtgärtnerei Ulrike Buratti.  Neben dem Verzicht auf Glyphosat in sensiblen Zonen habe man beim Pflanzenschutz seit mehr als vier Jahren fast ausschließlich auf biologische Mittel gesetzt. Doch obwohl die nationalen Regeln die Hüter des öffentlichen Grüns genau in diese Richtung bringen wollen, wurde in der Landeshauptstadt vorerst auch die biologische Pflanzenschutzbehandlung eingestellt. Einerseits weil laut Aktionsplan für das öffentliche Grün nur Mittel zugelassen sind, die nicht für landwirtschaftliche Zwecke bestimmt sind. „Die biologischen Mitteln, die wir bisher verwendet  haben, sind allerdings nur für die Landwirtschaft zugelassen“, sagt Buratti. Darüber hinaus verpflichtet der Aktionsplan über jegliche Behandlung im öffentlichen Raum nicht nur zu informieren, sondern das behandelte Gebiet auch für eine Dauer zwischen 24 und 48 Stunden zu sperren. „Das ist in einer Stadt wie Bozen ein Ding der Unmöglichkeit“, meint Buratti. „Wir haben deshalb vorerst alle Pflanzenschutzmaßnahmen einstellen müssen.“

Aufstand der Regionen

Eine Situation, die bei weitem nicht nur die Landeshauptstadt, sondern ganz Südtirol und natürlich das gesamte Staatsgebiet betrifft. Dort ist in den vergangenen Monaten der Druck auf das Gesundheitsministerium gewachsen, die praxisfernen Regeln entsprechend anzupassen. In den meisten Regionen werden die rigiden Bestimmungen auf politischen Druck hin derzeit ohnehin ignoriert, erzählt Buratti nach einem Treffen von Stadtgärtnereien aus ganz Italien. Doch das Bewegen in einem rechtlichen Graubereich macht selbst jenen zu schaffen, die sich wie der Verantwortliche für die Gärten von Schloss Trauttmansdorff eigentlich nicht von der Regelung betroffen fühlen.  „Ich bin der Meinung, dass beim Aktionsplan nicht einmal an einen botanischen Garten gedacht wurde“, sagt Laimburg-Direktor Michael Oberhuber. „Denn wie sollen wir die Pflanzen  der Welt zeigen, wenn man, um den Bestimmungen Genüge zu tun, letztendlich nur jene pflanzen dürfte, die gegen Schädlinge robust sind?“ Und wie vor allem soll ein Publikumsmagnet wie Trauttmansdorff ganze Bereiche für 48 Stunden absperren, selbst wenn dort laut dem Laimburg-Direktor überall dort, wo es die Pflanzen zulassen, ohnhin mit biologischen Mitteln gearbeitet wird? Deshalb setzt man in den beliebten Gärten vorerst einmal auf die gesetzlich vorgesehen Anpassungszeiten; „auch wenn wir derzeit schon ziemlich im Stand-bye fahren“, wie Oberhuber sagt.

In Südtirol wartet man zur Lösung dieses untragbaren Zustands nicht nur auf das römische Gesundheitsministerium, wo man laut Ulrike Buratti dem Vernehmen nach bisher nicht besonders viel Einsicht zeigen soll. Gesundheitslandesrätin Martha Stocker hat laut einem Bericht der Tageszeitung Dolomiten für den Sommer ein Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Aktionsplans für das öffentliche Grün angekündigt. Die mit der Ausarbeitung von Richtlinien beauftragte Arbeitsgruppe beißt sich allerdings an den engen staatlichen Vorgaben zumindest teilweise ebenfalls die Zähne aus, berichtete die zuständige Abteilungsleiterin Laura Schrott. Zumindest der Einsatz von biologischen Mitteln, die bisher nur für die Landwirtschaft zugelassen sind,  im öffentlichen Grün sollte nach einer Interpretationsanfrage Stockers in Rom baldmöglichst geklärt werden, hoffen alle Beteiligten. Bis dahin werden wohl so manche Pflanzen im öffentlichen Raum ihren natürlichen Feinden zum Opfer fallen – oder sich im Fall von Unkraut neuen Raum verschaffen können. Natürlich bleibt zu seiner Eindämmung nach dem Verbannen von Glyphosat oder seiner biologischen Alternativen immer noch die manuelle Entfernung, räumt die Chefin der Bozner Stadtgärtnerei ein. „Doch laut Gesetz ist dafür wiederum ein Freischneidegerät vorgesehen, bei dessen Einsatz man den Einsatzort in einem Umkreis von zehn Metern absperren muss.“