Politica | UN-Ziele

Was auf der Strecke bleibt

Die Wirtschaftskrise nach der Coronapandemie dominiert zurzeit die Medien. Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Menschenwürde bleiben dabei auf der Strecke.
Pflasterstraße
Foto: Pixabay

Von den „Sustainable Development Goals“ haben Sie bestimmt schon einmal gehört. Doch dieser Begriff geht zurzeit im Schwall von Worten wie Wirtschaftskrise, zweite Welle oder finanzielle Aufbaumaßnahmen unter. Um dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen: Die SDGs, auf deutsch „Ziele für nachhaltige Entwicklung“, umfassen 17 Ziele für eine nachhaltigere und gerechtere Welt, die von der UN 2015 festgelegt und von allen Mitgliedsländern unterschrieben wurden. 

 

 

Um sicherzustellen, dass die SDGs für 2030 verfolgt, um im besten Fall auch erreicht zu werden, misst die Organisation „Sustainable Development Solution Network“ jährlich die entsprechenden Maßnahmen und Fortschritte der einzelnen Länder und Regionen. Am Dienstag dieser Woche wurde die Situation in Europa mit dem Europe Sustainable Development Report 2019 bei einem Webinar der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen vorgestellt. Die Ergebnisse geben nicht bei allen Punkten Grund zur Hoffnung. 

Italien befindet sich in der allgemeinen Rangliste auf Platz 16 und liegt somit unter dem EU-Durchschnitt. Die ersten Plätze nehmen die skandinavischen Länder ein, Österreich liegt auf Platz vier und somit einen Platz vor Deutschland.

 

 

Finn Woelm, Datenanalyst der Organisation Sustainable Development Solution Network, stellte die drei größten Herausforderungen für die Europäische Union in den nächsten zehn Jahren für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele vor. Eine Herausforderung stellt der Bereich Klimaschutz dar. Dort zeigt der Index viel orange und rot- kein gutes Zeichen. Bisher hat kein einziges Mitgliedsland der Union das von der UN festgelegte Nachhaltigkeitsziel für den Umweltschutz erreicht. Das liege zum einen daran, dass die CO2 Emissionen zu hoch sind, zum anderen auch daran, dass diese nicht schnell genug reduziert werden. Auch die Überfischung an den Küsten Europas und die hohe Anzahl an bedrohten Tier- und Pflanzenarten trage zum schlechten Ergebnis der EU im Bereich Umwelt- und Klimaschutz bei.

 

Den zweiten Punkt, den die EU im Moment noch nicht erreicht hat, ist die Beseitigung der Ungleichheit. Zwar gibt es sie in allen Ländern der EU, doch besonders deutlich sticht das Ungleichgewicht zwischen den Ländern der Union hervor, visuell untermauert durch die rot-orange Einfärbung der Süd-und Östlichen Mitglieder im Kontrast zu den etwas besser dastehenden Nord-und Westeuropäischen Ländern. Die Karte stellt farblich den sogenannten „Leave-No-One-Behind-Index“ dar, sprich, ob alle Menschen miteinbezogen werden. Gemessen wird die Armutsrate, die Einkommensungleichheit, der Zugang zu Dienstleistungen, aber auch die Geschlechterungleichheit.

 

 

Zuletzt stellt Datenanalyst Woelm eine Problematik dar, die meist etwas versteckt liegt, sogenannte „Spill-Over Effekte“. Gemeint sind damit die internationalen Auswirkungen der EU Politik und des Konsums in Europa auf andere Länder der Welt. „Wenn wir Produkte importieren, die unter Menschenunwürdigen Bedingungen außerhalb der EU hergestellt wurden, dann trägt unser Konsum auch zu diesen Bedingungen in den anderen Ländern bei,“ erklärt Woelm Es gelte daher, diesen Faktor in den Bemessungen miteinzubeziehen. Und dabei ergäben sich häufig schlechtere Bilder, als sie auf den ersten Blick erschienen. „Es kann zum Beispiel passieren, dass inländische CO2 Emissionen zurückgehen“, erläutert Woelm, „doch wenn wir Produkte importieren, die einen hohen CO2 Ausstoß aufweisen, dann geht damit auch unsere Kurve nach oben“. In anderen Worten: Wir sind verantwortlich dafür, auch beim Import und Konsum aus anderen Ländern auf Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit zu achten, und nicht einfach „unsere Probleme ins Ausland zu verlagern.“ 

Höchste Zeit also, die Aufmerksamkeit von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wieder auf diese Themen zu lenken, denn sie betreffen nicht nur die ganze Welt, sondern überdauern die Wirtschaftskrise, die Covid-19 ausgelöst hat, bei weitem. „Solange COVID-19 wütet, geraten diese Themen in den Hintergrund“, so Woem. Es sei auch wichtig, die Wirtschaftskrise anzugehen und vorallem an den Wiederaufbau zu denken. Dennoch sei jetzt die richtige Zeit und die perfekte Chance, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in diesen wirtschaftlichen Wiederaufbau mit zu integrieren. Durch Gesetze, die internationale Produktionsketten fördern, welche gerecht und nachhaltig sind. Durch die Umsetzung des Europäischen Green New Deals. Und durch die Umsetzung der SDGs. „Sie sind die beste globale Agenda, die wir haben, um extreme Armut und Klimawandel zu beenden und um in einer sozial gerechteren und nachhaltigeren Welt zu leben. Dafür müssen wir global handeln, und alle Länder an einem Strang ziehen“. Mit diesem positivem Ausblick beendet Woem seinen Vortrag. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele auch mit einem fokussierten Blick in die Welt hinausgehen. Nicht nur auf Krise, Corona und Infektion sondern auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz.