Economia | Berglandwirtschaft

Südtiroler Tierwohl

Die 15. Auflage der Südtiroler Berglandwirtschaftstagung widmete sich dem Thema „Tierwohl und Tierschutz in der Berglandwirtschaft“. Ein Rückblick.
Kühe
Foto: upi
Am Freitag, den 7. Jänner ging im Forum in Brixen die 15. Südtiroler Berglandwirtschaftstagung. Rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten die Tagung vor Ort oder online zugeschaltet. Die Tagung stand unter dem Motto „Tierwohl und Tierschutz in der Berglandwirtschaft“.
BRING-Obmann Daniel Gasser eröffnete die Tagung und wies darauf hin, dass Konsumenten die Produktion von Lebensmitteln stark beobachten und zurecht eine lückenlose Rückverfolgbarkeit fordern. Südtirols Berglandwirtschaft sei auf diese Anforderungen gut vorbereitet und wird in guter Zusammenarbeit mit allen beteiligten Organisationen die Betriebe bei der Umsetzung der Maßnahmen bestmöglich begleiten und unterstützen. Das Thema der Tagung ist omnipräsent und wird auch von der Gesellschaft mitdiskutiert. Mit dem Tierwohl unmittelbar in Verbindung stehen mit Tiertransport und Schlachtung zwei weitere Themenblöcke der  Tagung.
 
 
In seinen Grußworten berichtete Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler, dass die Erhaltung der kleinstrukturierten Berglandwirtschaft oberste Priorität habe und es bisher gut gelungen sei, Betriebe in Südtirol in der Produktion zu halten. Themen wie Tierwohl und Umwelt seien Herausforderungen, diese gelte es jedoch als Chance zu sehen, dass sich die Südtiroler Berglandwirtschaft hier noch besser positioniere. Der Landwirtschaftslandesrat berichtete auch von den derzeit laufenden Verhandlungen in Rom zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Direktvermarktung und Urlaub auf dem Bauernhof seien für die Erhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe wichtige Säulen, informierte SBB-Landesobmann Leo Tiefenthaler und dankte der Landesregierung für die Unterstützung beim Auf- und Ausbau dieser Betriebszweige.
 

Brennpunkt Tiertransporte

 
Tiertransporte werden aktuell viel und emotional diskutiert. Im Zentrum stehen dabei Langstreckentransporte, insbesondere jene bei Kälbern und in Drittstaaten“, so Michael Marahrens vom Institut für Tierschutz und Tierhaltung am Friedrich-Löffler-Institut in Deutschland.
Marahrens gab im Rahmen seines Online-Vortrages einen Überblick über die Thematik und spannte dabei den Bogen von der Diskussion auf europäischer Ebene bis hin zu jener in der Bundesrepublik Deutschland. In seinen Ausführungen betonte er, dass Tiertransporte ein Kernthema des Tierschutzes sind und berichtete, dass bei Schiffstransporten von Lebendvieh keine Tierwohlmaßnahmen kontrolliert werden können und es in Deutschland Bestrebungen gibt, diese zu verbieten. Auch gelten Kälber bis zum Abschluss der 4. Lebenswoche als „Tiere mit physiologischen Schwächen“ und sind deshalb bis zu diesem Zeitpunkt nicht transportfähig. Etwas ernüchternd resümierte Marahrens damit, dass der derzeitige Rechtsrahmen einen ausreichenden Tierschutz beim Tiertransport nicht gewährleistet.
 
 
Uwe Holzmann vom Tierärztlichen Dienst des Südtiroler Sanitätsbetriebes lieferte konkrete Zahlen zur Entwicklung der Schlachtungen in Südtirol. So wurden in den vergangenen Jahren in etwa 12.000 Rinder, ca. 17.000 Schafe, 10.000 Ziegen und 6.000 Schweine jährlich innerhalb der Provinz geschlachtet. In Summe stehen den Landwirten südtirolweit über 40 Schlachthöfe zur Verfügung. Durch diese Dichte an entsprechenden Einrichtungen ist gewährleistet, dass die Transportwege zur Schlachtung kurz sind.
Der größte Schlachthof, jener in Bozen, schlachtet pro Woche ca. 370 Tiere über alle Tierarten hinweg. Zum Vergleich, am kleinsten Schlachthof, werden wöchentlich ca. 6 Tiere geschlachtet. Eine weitere Möglichkeit, insbesondere in Hinblick auf Tierwohl und kurze Transportwege, bietet die mobile Hofschlachtung, die in einer neuen EU-Verordnung geregelt ist und in Südtirol auch angeboten wird.
 

ClassyFarm und Tierwohllabel

 
Antworten auf diese Frage lieferten im Rahmen der Tagung Annemarie Kaser und Angelika Oberkofler vom Sennereiverband Südtirol. Bereits heute werden viele Milchprodukte europaweit mit zertifizierten Tierwohllabeln gekennzeichnet. Dahingehend hat der italienische Staat nun ein einheitliches System für die Bewertung des Tierwohls in Milchviehbetrieben vorgegeben. Dieses System trägt den Namen ClassyFarm und bildet die Grundlage für ein zukünftig staatlich geregeltes Tierwohllabel.
 
 
 
Um die Landwirte auf ClassyFarm und das Tierwohllabel vorzubereiten hat der Sennereiverband Südtirol das Projekt Tierwohl Südtirol ins Leben gerufen. Dabei werden alle Milchviehbetriebe in Südtirol besucht und gemeinsam mit dem Landwirt ein ClassyFarm-ähnlicher Fragebogen ausgefüllt. Der Besuch hat eine beratende Funktion. Das Ziel ist es, den Tierwohlstatus am Betrieb durch die Fragen von ClassyFarm festzustellen, eventuelle Schwachstellen im Betrieb gemeinsam zu erkennen und Möglichkeiten zu besprechen, diese zu beheben.
 

Praktiker am Wort

 
Martin Schweigl, gelernter Metzger und Landwirt auf dem Bauernguethof in Pfelders, stellte den Tagungsteilnehmern eindrucksvoll seinen Betrieb und die dahinterliegende Philosophie vor. Als er im Jahre 2013 den elterlichen Betrieb übernommen hat, hat er diesen kontinuierlich für die Direktvermarktung aufgebaut und weiterentwickelt. Es war ihm nicht mehr genug, mit den Tieren zur Versteigerung zu fahren und diese dort zu verkaufen, nicht wissend, was mit den Tieren in weiterer Folge passiert. Mit dem Aufbau diverser Direktvermarktungsschienen ist es der Familie gelungen, die Transportwege für die Tiere möglichst kurz zu halten und die Wertschöpfung aus den Produkten zu erhöhen.
 
 
 
Seit 2014 betreibt die Familie in Pfelders einen Hofladen, außerdem werden ausgewählte Partnerbetriebe mit den Produkten beliefert. Ein Selbstbedienungsautomat beim Psairer Schluchtenweg dient ebenfalls dazu, die Produkte direkt an die Kunden zu bringen. Außerdem bietet der Betrieb Partyservice an. Am Betrieb, der auf 1.680 m Seehöhe in Pfelders liegt, helfen neben seiner Frau Ramona auch Vater Gottfried und drei weitere Angestellte mit. Martin Schweigl ist Träger des Raiffeisen-Jungbergbauern-Preises 2016
 

Die neue GAP

 
Die Auswirkungen der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf die Südtiroler Berglandwirtschaftsbetriebe thematisierte schließlich der SüdtirolerEuropaabgeordneter Herbert Dorfmann. Er berichtete, dass die neuen Regeln für die Finanzperiode 2021 – 2027 vor wenigen Wochen im Europäischen Parlament beschlossen wurden. Damit diese, mit zweijähriger Verspätung, zu Beginn des Jahres 2023 in Kraft treten können, wird in Rom aktuell der nationale Strategieplan zur Umsetzung verhandelt.  
 
 
Auch wenn es dies abzuwarten gilt, kann man berichten, dass bei für die Berglandwirtschaft wichtigen Punkten brauchbare Lösungen erzielt wurden. So wird es beispielsweise eine Umverteilung der Betriebsprämien im Ausmaß von 10 % von den großen Betrieben auf die kleinen Betriebe geben. Das begünstigt viele kleinstrukturierte Bergbauernhöfe, wird aber auf großflächigen Almen eher zu einer Verringerung der Prämie führen. Auch können wichtige Grundpfeiler der Bergbauernförderung wie Ausgleichszulagen und Agrarumweltprämien weiter garantiert werden.
 

Lesen sie am Sonntag eine Salto-Gespräch zwischen Johanna Platzgummer und dem Moraltheologen und Tierschützer Martin M. Lintner über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, den Tierschutz und den Fleischkonsum.