Economia | Sparkasse

Der Goldesel

Beim Ankauf der Sparkassensitze in Verona, Mestre und Mailand haben Private viel Geld verdient. Zudem kam es in der Bank zu einem eklatanten Interessenkonflikt.
spar_1.jpg
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Der Bericht trägt das Datum 4. Dezember 2015. Und es gibt einen Zusatz. Datiert mit 16. März 2016.
Beide Berichte stammen von der Abteilung Internal Audit der Südtiroler Sparkasse. Was die interne Revisionsstelle der Bank schreibt, ist eine Bombe. Denn das Kompendium ist eine Art Ermittlungsbericht zu den Ankäufen der Sparkasse in den vergangenen zehn Jahren. Im Bericht werden dabei detailliert Unregelmäßigkeiten, mutmaßliche Verstöße gegen Bankenbestimmungen und eklatante Interessenkonflikte aufgelistet. Vor allem aber zeichnet der Bericht die Zustände in der Sparkassentochter Sparim nach, die deutlich machen, wie die Sparkasse jahrelang geführt wurde. Es ist ein Art Logbuch, wie private Unternehmen oder Berater das Bankhaus beim Ankauf von Immobilien im wahrsten Sinne des Wortes gemolken haben.
 

Die Untersuchung

 
Ende April 2014 wechseln Gerhard Brandstätter und Carlo Costa von der Spitze der Stiftung Sparkasse an die Spitze der Sparkasse. Das Duo übernimmt dabei nicht nur die Führung der Bank, sondern Brandstätter und Costa werden wenig später auch Präsident und Vizepräsident der Sparim AG. Die 100-prozentige Tochter der Sparkasse verwaltet ein Immobilienvermögen mit einem aktuellen Wert von über 300 Millionen Euro.
Die Sparim ist auch für den Ankauf neuer Sparkassensitze zuständig. Im Frühsommer 2015 geben Brandstätter & Co der Abteilung Internal Audit den Auftrag, die Ankäufe und Verkäufe der Sparim in den vergangenen Jahren genau zu untersuchen.
Der Zufall will es, dass die Untersuchung zu dem Zeitpunkt startet, als der Bankenspitze die Recherchen des Autors für sein Buch „Bankomat – Die Millionenverluste der Südtiroler Sparkasse“ bekannt werden, das im Dezember 2015 erscheint. Ein Teil des Buches bezieht sich auf die Vorgänge in der Immobiliengesellschaft.
Bis Juni 2007 stand der Sparim AG als Präsident Siegfried Unterberger vor. Der Meraner Ingenieur ist seit langem der erklärte Erzfeind des neuen Sparkassen- und Sparim-Präsidenten Gerhard Brandstätter. Man könnte deshalb unterstellen, dass die Untersuchung auch den Sinn hatte, belastendes Material gegen Unterberger zu Tage zu fördern.
Doch das Ergebnis der sparkasseninternen Ermittlungen dürfte am Ende ganz andere Personen in die Bredouille bringen. Denn zu Tage kamen verschiedene Unregelmäßigkeiten bei den Ankäufen der Sparkassensitze in Belluno, Mestre, Mailand, Oderzo und vor allem in Verona.
 

Der Fall Verona

 
Die Sparkasse hat ihre Filiale in Verona in bester Lage. Das Südtiroler Bankhaus hat seinen Sitz im Corso Porta Nuova, Nummer 65. Etwa auf halbem Weg zwischen Porta Nuova und der Arena.
In dem Palazzo, der früher im Besitz des Stromriesen ENEL war, gehören der Sparkasse - oder besser gesagt der Sparim AG - heute das Parterre und der erste Stock. Darüber hat der Trentiner Adige-Verlag gekauft.
Wirkt der Sparkassensitz durchaus beschaulich, so ist die Geschichte um den Ankauf der Immobilie weit weniger nobel. Es ist ein handfester Skandal mit Südtiroler Hauptdarstellern.
 
Zwischen 2006 und 2008 wickelt die Sparim den Kauf der Immobilie in Verona ab. Im Frühjahr 2006 beginnen die Verhandlungen um den Ankauf. Als Verkäufer tritt anfänglich die CDS Holding SPA aus Brescia auf. Das Unternehmen des Brescianer Managers Enzo Danesi ist vor allem als Immobilienentwickler in Norditalien tätig. Auffallend ist, dass die CDS Holding den Kauf mit der Sparim zwar verhandelt, in Wirklichkeit zu diesem Zeitpunkt aber keineswegs Besitzer der Immobilie ist. Vor allem aber treten plötzlich andere Unternehmen als Verkäufer auf, die bewusst für die Operation gegründet und zudem von der Sparkasse finanziert werden.
 

Verona in Nals

 
Zwischen März und April 2006 werden ein Reihe von Unternehmen aus dem Boden gestampft, die so verschachtelt werden, dass man durchaus den Überblick verlieren kann.
Am 5. April 2006 wird in Bozen die „Verona Sviluppo GmbH“ gegründet. Das Unternehmen zum Verkauf und der Verwertung von Immobilien hat seinen Sitz in Nals, am Stammsitz der Baufirma Rauchbau.
Offiziell gehört die Verona Sviluppo zu 51 Prozent der Finin GmbH und zu 49 Prozent der BNG Real Estate Srl. Auch diese beiden Unternehmen werden extra für die Immobilienoperation in Verona gegründet. Die Finin GmbH, am selben Tag wie die Verona Sviluppo gegründet, gehört zu 51 Prozent der Rauchbau AG und zu 49 Prozent der „Die Arche SAS“ des Trentiner Bauunternehmers Carlo Bonamini (Cosbau Srl). Die BNG Real Estate Srl wird bereits am 20. März 2006 gegründet, sie gehört zu 100 Prozent der Brescianer CDS Holding. Im Verwaltungsrat der "Verona Sviluppo" sitzen Karl Rauch, Carlo Bonamini und Enzo Danesi.
Bereits am 9. März 2006 wird im Verwaltungsrat der Sparim ein Angebot der Nalser Firma Rauchbau AG für den Verkauf der Immobilie vorgelegt. Der Verwaltungsrat nimmt das Angebot nicht an, gibt dem Sparim-Verwalter Andrea Brillo aber das Mandat, über den Ankauf der Räumlichkeiten für eine Filiale weiterzuverhandeln. Die Preisvorgaben des Verwaltungsrates: 7.000 Euro pro Quadratmeter.
 

Das Firmen-Karussell

 
Die „Verona Sviluppo“ soll der Sparkasse einen Teil der Immobilie verkaufen. Doch gehört ihr das Gebäude am Corso Porta Nuova (noch) nicht. Um die Immobilie zu erwerben, sucht das Unternehmen ausgerechnet bei der Sparkasse um einen Kredit an.
Am 13. April 2006 genehmigt die Sparkasse eine Finanzierung von 31 Millionen Euro für das Nalser Unternehmen, das genau 8 Tage zuvor gegründet worden war.
Mit welcher Fahrlässigkeit man in der Sparkasse dabei zeitweilig vorgegangen ist, zeigt ein Detail: Zum Zeitpunkt der Kreditgewährung war die Verona Sviluppo noch nicht einmal in der Handelskammer Bozen eingetragen. Das geschieht erst am 20. April 2006.
 
Danach aber passiert etwas, was selbst die kühnsten Vorstellungen übertrifft. Am 3. Mai 2006 erwirbt die „CDS Costruzioni Spa“ (es handelt sich um eine Tochter der CDS Holding) die Immobilie um 14 Millionen Euro. Der Kaufvertrag wird vor einem Notar in Verona unterzeichnet.
Noch am selben Tag und nur einige Stunden später wird das Haus vor demselben Notar aber schon wieder weiterverkauft. Käufer ist jetzt die Verona Sviluppo, an der die CDS indirekt mit 49 Prozent und die Rauchbau mit 51 Prozent beteiligt sind. Der Kaufpreis jetzt: 25 Millionen Euro. Das heißt, die Immobilie hat an diesem Maitag in wenigen Stunden eine Aufwertung um 11 Millionen Euro erfahren.
Welchen Sinn diese magische Geldvermehrung hat, wird sechs Wochen später klar. Am 25. Juli 2006 unterzeichnet die Sparim Ag einen Kaufvorvertrag mit der Verona Sviluppo. Die Sparkasse kauft für 7,38 Millionen Euro einen Teil der Immobilie. Im August 2008 wird der Kauf dann abgeschlossen.
Schaut man sich die Kaufverträge der anderen privaten Käufer an und rechnet man diese Summe hoch, so hat die Verona Sviluppo für die gesamte Immobilie 36 Millionen Euro erhalten. Das heißt: Auch hier hat man noch einmal rund 11 Millionen Euro verdient.
Innerhalb weniger Stunden wird die Immobilie vor demselben Veroneser Notar um 14 Millionen Euro gekauft und um 25 Millionen Euro weiterverkauft.
In seinem Abschlussbericht kommt das Internal Audit der Sparkasse zum Schluss, dass die Sparim für ihren Anteil dabei weit mehr gezahlt hat als die anderen Käufer, die zum Teil mit dem Verkäufer gesellschaftsrechtlich verbunden sind.
Heute sind die beteiligten Unternehmen wie die „Verona Sviluppo“ oder die BNG Real Estate Srl in Konkurs. Die Sparkasse hat Pfandrechte angemerkt.
 

Glieras brisante Rolle

 
In der sparkasseninternen Untersuchung kommt aber auch noch eine andere beunruhigende Tatsache zum Vorschein. Es geht dabei um Peter Gliera und einen eklatanten Interessenkonflikt.
Peter Gliera ist von 2004 bis 2008 Mitglied des Verwaltungsrates und des Exekutivausschusses der Sparkasse. Der renommierte Bozner Wirtschaftsberater wechselt dann 2008 in den Aufsichtsrat der Sparkasse, dem er bis 2014 vorsitzt. Gleichzeitig ist Peter Gliera auch Präsident des Aufsichtsrates der Sparim AG.
 
Doch der Wirtschaftsberater ist beruflich auch mit der Rauchbau AG verbunden, bei der er ebenfalls Präsident des Aufsichtsrates ist. Die Rauchbau kontrolliert aber bekanntlich die Verona Sviluppo, die der Sparim die Filiale im Corso Porta Nuova in Verona verkauft. Es ist damit klar, dass es bei dieser Operation zu einem eklatanten Interessenskonflikt kommt. Auch weil Peter Gliera beim Beschluss, mit dem die Sparkasse der Verona Sviluppo die 31-Millionen-Finanzierung gewährt, im Verwaltungsrat sitzt und nichts von seiner Doppelfunktion mitteilt.
Gliera schreibt zudem auf der anderen Seite auch den Beschluss, mit dem der Verwaltungsrat der Verona Sviluppo am 2. Mai 2006 den Kauf der Immobilie beschließt. Davon weiß die Sparkasse aber offiziell nichts. Erst bei späteren Folgebeschlüssen, die weit weniger Auswirkungen haben, gibt Peter Gliera seinen klaren Interessenkonflikt zu Protokoll.
 

Mailand und Mestre

 
Die Revisionsabteilung der Sparkasse kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass aber nicht nur die Filiale in Verona überteuert angekauft wurde. „Anomalien“ habe es auch bei den Ankäufen in Mailand und Mestre gegeben.
In Mailand kauft die Sparkasse 2008 einen alten, denkmalgeschützten Palast in der zentralen Via Rovello an. Beim Ankauf bedenkt man eines aber nicht:
In Mailand besteht in gewissen Zonen ein Verbot, Banken im Erdgeschoss zu errichten. Die Stadt will damit das ungestüme Bankenwachstum eindämmen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn man eine Immobilie übernimmt, in der bereits im Erdgeschoss eine Bank untergebracht war.
 
Der Sparkassenpalazzo in der Via Rovello fällt aber nicht unter diese Ausnahmebestimmung. So muss die Geschäftsstelle der Sparkassenfiliale in Mailand im ersten Stock eingerichtet werden. Im Erdgeschoss verbleibt eine weitläufige und großzügige, kaum genutzte Eingangshalle.
Interessant ist aber ein anderer Hintergrund. Besitzer der Immobilie ist im Sommer 2008 der geschlossene Immobilienfonds „Serenissima Sviluppo“, der von der Serenissima SGR SPA verwaltet wird. Der Fonds kauft die Immobilie im Juli 2008 um 9 Millionen Euro an. Im September 2008 wird dann ein Vorvertrag mit der Sparim unterzeichnet. Die Sparkassentochter zahlt 14,3 Millionen Euro für das Haus. Kein schlechter Zugewinn.
Zudem wird im Geschäft eine Provision von 355.750 Euro an eine Norditalienische Beraterfirma bezahlt, deren Sinn – laut Sparkassen-Audit - kaum nachvollziehbar ist.
Ähnliches passiert auch in Mestre. Auch dort kauft die Sparim um 10,5 Millionen Euro eine Immobilie an. Das Beratungsunternehmen „Leo, Bovo & Co Consulenza Snc“ kassiert beim Kauf von der Sparim eine Provision von 105.000 Euro. Besitzer des Beratungsunternehmens sind Alessandro Leo und dessen Ehefrau Margherita Bovo.
Der ehemalige Generaldirektor der Sparkasse Pisa und Geschäftsführer der Banca Popolare del Trentino Alessandro Leo sitzt für die Banca Popolare di Lodi von 2003 bis 2006 im Verwaltungsrat der Sparkasse. Danach arbeitet er jahrelang als bezahlter Berater für die Sparkasse.
Vor diesem Hintergrund kommt die Revisionsabteilung in ihrem Abschlussbericht zum Schluss, dass Alessandro Leo zum Zeitpunkt des Ankaufes in Mestre von der Sparkasse ein fixes jährliches Beraterhonorar erhalten habe. Deshalb sei die Provision „unsachgemäß“.
Diese Vorgänge zeigen, wie die Sparkasse über Jahre hinweg für einige Wenige ein richtiger Goldesel war.