Società | nicht am rande

Rechte im Zentrum

Körperpflege und Wäschewaschen gehört nicht für alle Menschen zum Alltag. Warum das neue Hygienezentrum in Bozen grundlegende Rechte garantiert.
Wäscheklammern
Foto: Félix Prado on Unsplash

“Diese Menschen wollen am Leben teilnehmen. Sie sind Teil von uns, unserer Gesellschaft – ob wir wollen oder nicht.” Josef Haspinger findet klare Worte, wenn er über das jüngste Projekt seines Vereins spricht. Die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft, deren Präsident Haspinger ist, startet ein Hygienezentrum für Obdachlose und Bedürftige. Mitten in Bozen, im Gebäude mit der Hausnummer 6 der Kapuzinergasse, die vom Domplatz Richtung Verdiplatz führt. Noch werden Freiwillige für die “VinziShower” gesucht, wie die Einrichtung getauft wurde. Im Februar soll sie dann die Türen öffnen. Endlich. “Ein solches Hygienezentrum fehlt schon sehr lange”, bestätigt Haspinger. Paul Tschigg zeigte das bereits Ende 2019 auf. Tschigg ist seit Langem beim VinziBus aktiv, der für 18,5 Jahre am Bozner Verdiplatz Essen an bedürftige Menschen ausgegeben hat. Unkompliziert, ohne Fragen nach der Herkunft oder Lebenssituation der Gäste zu stellen. Im November 2021 musste die Essensausgabe schließlich eingestellt werden. Die Gemeinde Bozen wollte den Dienst in die Industriezone verlegen. Als “Schwachsinn” und “Schande für Bozen und das ganze Land” kritisierte Tschigg die Entscheidung damals. “Die Menschen bewegen sich im Zentrum. Es braucht eine Lösung, die dort ist, wo die Menschen sind und nicht dort, wo wir sie haben möchten.” Also nicht am Rande der Stadt und der Gesellschaft. 

 

Mit der VinziShower kehrt der Vinzenzverein nun in die Stadtmitte zurück. “Die oft so genannten ‘Randgruppen’ wollen da sein, wo Leute sind, sie wollen am Leben teilnehmen”, bestätigt Josef Haspinger. Und es sei nicht zuletzt eine Frage der Würde, dass Obdachlose sich und ihre Wäsche waschen können. Genau das wird in der VinziShower künftig möglich sein. Dank des Einsatzes von Oswald Mayr. Der Intensivmediziner und ehemalige Sanitätsdirektor im Südtiroler Sanitätsbetrieb wird selbst als Arzt in der Kapuzinergasse Nr. 6 freiwillig Dienst leisten. An mehreren Tagen sollen die Menschen, die sie brauchen, medizinische Untersuchungen erhalten. Kostenlos, genauso wie die Nutzung von Dusche, Waschmaschine, Trockner und die saubere Unterwäsche, die ausgegeben wird. Geschultes Pflegepersonal gibt Hilfe bei der Körperpflege.

 

Das Angebot einer Hygieneeinrichtung für Obdachlose habe er zum ersten Mal in Hamburg gesehen, erklärt Mayr auf Nachfrage von salto.bz, und es habe ihn überzeugt, “wie wichtig eine solche Einrichtung ist”. Er habe sich mit Josef Haspinger in Verbindung gesetzt, der von einer ähnlichen Einrichtung im Vatikan wusste. “So ist die Idee gereift, so etwas auch in Bozen zu errichten”, sagt Mayr. Geführt wird sie von der Vinzenzgemeinschaft, die die Kosten trägt. Um die Anmietung der Räumlichkeiten in der Kapuzinergasse hat sich Haspinger gekümmert – und dabei die Bewohner des Hauses einbezogen. Geplant ist, die VinziShower von 9 bis 17 Uhr offen zu halten.

 

Wie in Hamburg gibt es in weiteren deutschen Städten Hygienezentren für Obdachlose, etwa in Berlin oder Dortmund. Entstanden sind sie auf Betreiben von Privaten, meist gemeinnützigen Organisationen. “Mir ist kein Fall bekannt, in dem die öffentliche Hand die Initiative alleine trägt”, meint Josef Haspinger. Dabei geht es bei den Hygienezentren um grundlegende Aspekte: neben der Menschenwürde auch um das Recht auf Gesundheitsversorgung. Die italienische Verfassung schreibt in Art. 32 “die Gesundheit als Grundrecht des Einzelnen und als Interesse der Gemeinschaft” fest und sieht vor, dass “Bedürftigen kostenlose Behandlung” gewährleistet wird.

“Hygiene und Gesundheit hängen eng zusammen”, betont Oswald Mayr. “Die Möglichkeit, den Körper sauber zu halten, erhöht den Selbstwert, stärkt die Würde und verhindert Krankheiten.” In diesem Sinne ist die VinziShower nicht nur ein niederschwelliges Angebot zum Duschen und zur Körperpflege für Menschen, die sonst keine Möglichkeit zur Reinigung haben. Sondern auch ein Garant für fundamentale Rechte. Und zwar aller. “Das Angebot richtet sich an alle, die es nutzen wollen”, bekräftigt Mayr.