Società | Design und Desaster

Firmenberatung: So geht Nachhaltigkeit

Im Hinblick auf die Konferenz „By Design or by Disaster“ sprach salto mit dem Beratungsstudio „Open State“ über Herausforderungen für Unternehmen im 21. Jahrhundert.
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Konferenz-Reihe „Design und Desaster“
Foto: unibz

Am Donnerstag, 11. April und Freitag, 12. April findet an der Freien Universität Bozen in Zusammenarbeit mit dem Master für Öko-Soziales Design die Konferenz-Reihe „By Design or by Disaster“ statt. Dabei geht es darum, wie wir gemeinsam das neue Jahrhundert nachhaltig designen, Umbrüche gemeinsam gestalten und sozio-ökologische Desaster somit vermeiden können.

Zwei der Referenten, die innovative Lösungsvorschläge für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunftsgestaltung auf der Konferenz teilen werden, sind Anja Adler und Dominik Wind. Mit ihrem Design-und Projektstudio „Open State“ blicken die beiden Referenten auf eine fünfjährige Berufserfahrung im professionellem Transition Design zurück. Salto bietet vorab einen kleinen Einblick in ihre Arbeit und Vorgeschmack für den Vortrag “They Don’t Know Either - Musings on Impact, Money and Community”.

salto.bz: Open State ist ein Projekt- und Design Studio und berät Unternehmen dabei, mit den Herausforderungen des 21. Jh. umzugehen. Um was für Herausforderungen handelt es sich?

Wir adressieren alle großen aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, dabei vor allem den Klimawandel und die Ressourcenknappheit, sowie die Digitalisierung, sich verändernde Kunden- und Mitarbeiterinnenbedürfnisse und absehbar auch strikte politische Rahmenbedingungen. Der Alltag von Unternehmen scheint einer gewaltigen Beschleunigung ausgesetzt, in der geführt und entschieden werden muss, was inmitten all der Komplexität kaum noch möglich ist. Fast alle Organisationen, die wir beraten, waren gebaut für das industriellen Zeitalter, stoßen jetzt aber zunehmend an ihre Leistungsgrenzen und Führungskräfte wie Mitarbeiter beschreiben sich als zunehmend orientierungslos und überfordert, während stressinduzierte Erkrankungen in den Industrienationen dramatisch zunehmen.

 

Warum haben die Unternehmen damit Probleme?

So wie sich Menschen individuell (bestenfalls) weiterentwickeln und ihr Bewusstsein von sich selbst im Zusammenspiel mit Mitmenschen und Natur erweitern können, müssen sich auch Organisationen weiterentwickeln, um auf sich verändernde Anforderungen der Umwelt reagieren zu können. Der unternehmerische Kontext ändert sich gerade dramatisch: Mitarbeiterinnen wünschen sich mehr Entfaltungs- und Mitsprachemöglichkeiten, viele können es sich inzwischen “leisten”, nach dem Sinn ihrer Arbeit zu fragen und besonders junge Talente sind immer schwerer für sinnentleerte Arbeit zu gewinnen, obwohl das Schmerzensgeld hoch ist. Gleichzeitig überschreitet unser globales Wirtschafts- und Konsumsystem seit mehr als 30 Jahren die planetaren Grenzen. Wenn wir die Ergebnisse des Pariser Klimaabkommens ernst nehmen, müssen wir bis 2050, in 31 Jahren, weltweit klimaneutral wirtschaften, um die völlige Klimakatastrophe bis Ende des Jahrhunderts zu verhindern. Wir stehen also vor nicht weniger als der größten Umstrukturierung und Neuausrichtung ökonomischen Handelns seit der Industrialisierung. Das ist die Dimension der Herausforderung. Klar tun sich Unternehmen damit mehr als schwer, niemand hat Vergleichbares je organisiert. Das meiste, wofür Wirtschaft heute steht, muss in den nächsten Jahren radikal auf den Prüfstand: die Schäden der eigenen Produktion werden nicht mehr als Externalitäten “rausgerechnet” werden können, statt extraktivem Wachstum werden wir regenerative Business-Praxis entdecken, und die Marktteilnehmer werden belohnt werden, die am beweglichsten aufgestellt, am schnellsten und nachhaltigsten auf sich ständig ändernde Herausforderungen und Umgebungsbedingungen reagieren können. Die meisten Unternehmen müssen sich neu erfinden, oder sie werden die nächste Dekade nicht überleben.

 

Sie plädieren für alternative Entscheidungsprozesse und Organisationsformen von Unternehmen als Lösungsmodelle dieser neuen Herausforderungen. Wie sehen die aus?

Wir beraten und begleiten nicht mit einem Ansatz, der für alle Organisationen passt. Denn wir wissen auch nicht, wie die Zukunft bestmöglich zu organisieren ist. Wir vertrauen stattdessen auf Methoden, die uns mit schnellen Feedbackschleifen und einer größtmöglichen Offenheit tatsächlich zu neuen Lösungen bringen. Dabei zielen wir auf solche Lösungen, die unternehmerisch sinnvoll, sozial verträglich und ökologisch sind. An uns selbst als Organisation und in unseren gemeinnützigen Reallaboren testen wir diese Ansätze immer erstmal selber aus und geben weiter, was gut für uns funktioniert. Wir selbst entscheiden zum Beispiel soziokratisch, das bedeutet, dass wir nach Entscheidungen suchen, die gut und sicher genug sind, um sie auszuprobieren, ohne dass alle gleicher Meinung sein müssen. Wir arbeiten zudem angelehnt an die Theorie U von Otto Scharmer. Sie hilft, nicht nur auf unsere Umwelt zu reagieren, sondern die Annahmen und Überzeugungen, die unsere Probleme hervorgebracht haben, zunächst sichtbar zu machen und dann zurück zu lassen. Wir suchen gemeinsam nach Mustern, Überzeugungen und Strukturen, die Veränderung und Verbesserung blockieren. Mit unseren Partnerorganisationen und Kunden kreiren wir sichere Kontexte, in der wir solche systemischen Zusammenhänge offen legen. So schaffen wir eine ehrlich Ausgangssituation, in der jede Mitarbeiterin das gesamte System und sich selbst beobachten kann und so auch in der Lage ist Veränderung anzustoßen.

 

Gibt es konkrete Beispiele die als Vorbilder dienen sollten?

Patagonia ist für uns ein Vorreiter-Unternehmen. Für den Hersteller von Outdoor-Kleidung ist der Erhalt der Natur und die sich daraus ergebende politische und gesellschaftliche Verantwortung Unternehmenszweck und nicht etwas, das man nebenbei als CSR abhakt. Die Firma bietet beispielsweise lebenslangen Reparaturservice. Als US-Präsident Trump die Unterstützung für Nationalparks gestrichen und die Unternehmenssteuern gesenkt hat, hat Patagonia die komplette eigene Steuerersparnis von 10 Millionen US-Dollar an Nationalparks weitergegeben. Unter den deutschen Unternehmen ist die Munich Re als Rückversicherung letztes Jahr aus der Versicherung von neuen Kohlekraftwerken ausgestiegen. Diese unternehmerische Entscheidung macht Großprojekte der Umweltzerstörung inzwischen unbezahlbar, weil die Investoren die Risiken nicht alleine tragen können.

 

Welche Schwierigkeiten hatten Sie persönlich in der Zusammenarbeit mit Unternehmen?

Unternehmen haben eine Eigenlogik, die oft über viele Jahrzehnte gewachsen ist und die ihnen bisher auch in den meisten Fällen gedient hat. Diese Pfadabhängigkeiten, die wir auch gesamtgesellschaftlich sehen, gilt es anzuerkennen und gleichzeitig nicht als einzige Wahrheit zu übernehmen. Wenn man länger mit bestimmten Organisationen arbeitet und tief in deren Strukturen und Prozesse eingetaucht ist, ist es schwer, sich diese Logik nicht auch zu eigen zu machen. In unserer Berater- und Prozessbegleiterrolle sind wir daher dankbar, dass wir als Teil eines Kollektivs auch immer wieder kritisch herausgefordert werden. So reflektieren wir, inwieweit wir schon Teil des Systems geworden sind, das wir begleiten und verändern wollen.

 

Vielleicht ein kurzer Einblick, worum wird es in ihrem Vortrag in Bozen gehen?

Mit Open State blicken wir nun schon auf fünf Jahre gelebte und andauernde Veränderung unserer eigenen Organisation zurück. In diesem Zeitraum haben wir drei verschiedene Gehältermodelle ausprobiert, unsere Organisationsstruktur mindestens genauso oft über den Haufen geworfen, uns mit den deutschen Behörden angelegt, verschiedene gemeinnützige Projekte gemacht, mit sehr unterschiedlichen Kunden gearbeitet sowie immer wieder über Wirkung und Verantwortung gestritten. In unserem Vortrag teilen Dominik Wind und ich erstmals, was wir bisher gelernt haben.