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Dramatisches Überschwemmen

Der Ahrntaler Autor Wolfgang Nöckler präsentiert am 11. Mai sein Hörstück beim Tiroler Dramatikerfestival. Es geht um Fische und Rhetorik.
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Foto: Dramatikerfestival

„Rhetorik oder Fische sind schlechte Biographen“ nennt sich Ihr Hörstück. Wie passt beides (nicht) zusammen?
Beides passt insofern zusammen, dass von derselben Sache gesprochen – oder eben nicht gesprochen – wird. Ausgangspunkt war das große Schiffsunglück vor Lampedusa und ein darauf folgendes Fernseh-Interview der damaligen österreichischen Innenministerin. Ich konnte es nicht fassen, was sie von sich gab war die reine Rhetorik. Natürlich ist mir der übliche Polit-Sprech geläufig, aber gerade angesichts einer derartigen menschlichen Tragödie nichts als Anschuldigungen und Floskeln von sich zu geben – es ließ mich nicht mehr los. Ich musste darüber schreiben. Zuerst aber stand eine sehr lange Recherche. Im Grunde hätte ich damit nie aufhören können, denn leider passieren im Mittelmeer immer noch tagtäglich Tragödien. Die Fische aber können nichts erzählen von den Individuen, die dort enden.

Rhetorik spielt eine große Rolle in meinem Leben. Natürlich auch das Schweigen.

Es fallen politische Floskeln, Allgemeinplätze, un- und all zu schnell beantwortete Fragen, Zahlen, aber auch Namen. Verraten Sie mehr…
Nicht nur die Politik kann gut Blabla, auch die Allgemeinheit ist da ziemlich gut. Leider. Teilweise kommen im Hörspiel Aussagen vor, die ich an Dreistigkeit und Sarkasmus nicht selbst so formulieren könnte, die aber O-Töne aus Internetforen-Diskussionen sind.
Natürlich ist das Thema insgesamt zu groß und zu vielschichtig für einfache Lösungen, aber oft wird so getan, als ob man nur da einen Zaun aufstellen müsste und dort jemanden entfernen muss, dann ist alles wieder wie es war. Auch ich habe keine Lösung parat. Wie auch? Aber etwas genauer hinschauen - bzw. hinhören, dazu würde ich schon raten. Es gibt im Stück auch eine nachdenkliche Stimme, jene, des Entscheiders...

Mit Wellen und Musik haben Sie ihr Hörstück untermalt. Um welche Wellen geht es?
Musik hat ja auch Wellen, oder löst solche aus, das eine passt gut zum anderen. Das Wort lässt sich zudem mehrfach auslegen, etwa: Flüchtlingswellen, Wellen der Sympathie, Radiowellen...
Die Musik zu dem Stück habe ich gemeinsam mit Jakob Schuierer geschrieben. Wir wollten hauptsächlich mit ein paar leichten Flageolet-Tönen arbeiten und von Jakob kam dann die wunderbare Umsetzung.

Haben Sie die Texte leise geschrieben oder laut gesprochen? Wie gestaltete sich der Entstehungsprozess der Dialoge?
Geschrieben hab ich die Texte natürlich leise, ausprobiert laut. Die Dialoge haben sich durch die Figuren entwickelt, die ich nach und nach geschaffen habe. Auch die Umgebungen, wo sich die Dialoge abspielen, sind mit der Zeit konkret geworden. Ich hatte eine immense Fülle an Material zur Verfügung: Aufgeschnapptes, Weitergeschriebenes, Zitiertes. Es war nicht immer klar, wer was sagen würde.

Wie lange dauert das Stück? Wie wird es aufgeführt, ohne den Hör- und Fantasiegenuss zu beeinflussen?
Das Hörspiel dauert 55 Minuten, wird aber in der beim Tiroler Dramatikerfestival gezeigten Version von zwei Live-Einschüben unterbrochen, die Klaus Rohrmoser in Szene setzt. Mit Klaus habe ich übrigens das Hörspiel auch umgesetzt, wir haben es gemeinsam mit Benjamin Leingartner und Marlo Hurreskos aufgenommen.
Um den Hör- und Fantasiegenuss nicht zu beeinflussen wird das Stück in praktisch völliger Dunkelheit abgespielt. Bei den Live-Einschüben gibt es dann auch was zu sehen.

Ein Hörstück mit dem Begriff Rhetorik im Titel legt die Messlatte hoch? Welche Rolle spielt sie in Ihrem Leben?
Rhetorik spielt eine große Rolle in meinem Leben. Natürlich auch das Schweigen.
Wie bei vielen anderen Begriffen kann man auch hier nicht von "der" Rhetorik sprechen. Vielleicht impliziert der Titel auch mehr als er meint? Das Redenkönnen allein reicht jedenfalls nicht. Es ist schon auch wichtig, dass etwas gesagt wird. Etwas, das dem Sachverhalt gerecht wird. Mir geht es in diesem Stück nicht um ein Zeigefingererheben allein. Ein Aufzeigen ja. Aber auch Fragen sollen aufgeworfen werden: Habe ich wirklich das Recht, sofort Urteile auszusprechen? Könnte es nicht auch andere Wege geben? Muss man sich mit dem allem überhaupt beschäftigen?