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Stier²

Italien- und Schwedenfreund Gerhard Polt ist Ehrenpreisträger der Veranstaltung "Salzburger Stier". Ein Gespräch mit dem Kabarettisten – inkl. rockiger Celentano-Klänge.
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Foto: Salto.bz

Dem Ausnahme-Kabarettisten Gerhard Polt geboren im Mai 1942, im Sternzeichen Stier wird heute Abend in Meran der "Ehrenstier" verliehen. Das nachfolgende Gespräch  im Beisein des bereits verstorbenen Schriftstellers und Polt-Freundes Herbert Rosendorfer  wurde 2004 aufgezeichnet.

salto.bz: Sie agieren als Kabarettkünstler vom bayrischen Kulturraum aus. Was bedeutet der Begriff Heimat für Gerhard Polt?

Gerhard Polt: Das kann ich, so schnell, nicht sagen – das ist zu kompliziert. Ich bin halt der, der ich bin. Ich bin froh, dass ich lebe, und dass es mir gut geht. Ich habe auch gar keine Alternative, ich bin kein englischer Komödiant oder etwa ein Schwedischer. Dort wo ich wohne, bin ich gern!


Die Subjekte, über die Sie in ihren Kabarettprogrammen poltern, kommen vorwiegend aus Bayern. Beobachten Sie gern die Leute Ihrer Heimat?

Im Wesentlichen schon, das stimmt! Die meisten Geschichten haben was mit Bayern zu tun, das kommt davon, da ich die meiste Zeit meines Lebens ins Bayern gelebt habe. Aber es gibt auch außerhalb Bayerns genügend Geschichten, die mich beeindrucken. Ich bin auch schon in Schweden auf Schwedisch - das ich ja studiert habe - aufgetreten. Das hat relativ gut funktioniert; mich interessieren einfach Menschen!

...wo Katholizismus ist, dort ist ein besonders guter Nährboden für Scheinheiligkeit. Oder?

Schweden zählt neben Italien zu Ihren Lieblingsländern?

Das stimmt, in den beiden Ländern bin ich gern. Ich habe halt im Laufe der Zeit eine gewisse Zuneigung und ein gewisses Verständnis zu diesen Ländern entwickelt. Mich interessieren die Historie und Leute dort.

Auf der einen Seite haben Sie dann mit den charakterlich kühlen Schweden zu tun, auf der anderen mit hitzigen Italienern. Als Bayer liegen sie geographisch genau in der Mitte. Zufall?

Auch wenn das rein zufällig ist, kann man das so sagen - es ist wirklich so! Vielleicht würde mir Frankreich besser gefallen, wenn ich besser französisch sprechen könnte. Man geht halt lieber in jene Länder, in denen man sich besser verständlich machen kann. Nach dem ich Schwedisch einmal richtig gut sprechen konnte, hab ich zu diesem Land, zu Leuten, zu Komik und Literatur, ein richtig gutes Verhältnis.


Eignet sich ein katholisches, konservatives Umfeld, wie Bayern oder auch Tirol, besonders gut für Kabarett?

Das ist eine sehr schwierige Frage – im Grunde eigentlich eine These! Ich bin überzeugt, dass der katholische Raum ein fruchtbarer Boden für bestimmte Formen des Grotesken ist, wo Katholizismus ist, dort ist ein besonders guter Nährboden für Scheinheiligkeit. Oder? Ich bin im Wallfahrtsort Altötting groß geworden und hab schon als Kind beide Seiten der Medaille kennen gelernt. Aber es wäre vermessen zu sagen, dass es bei den Protestanten keine Scheinheiligkeit gibt. Da wären wir wieder bei den Schweden.

Gehen Sie mal nach Meran oder Bozen und fragen sie jemanden auf der Straße, ob er ein Spießer ist. Da wird jeder sagen: Ich nicht.

Was wollen Sie mit Ihrem Kabarett aufdecken?

Ich suche die versteckten Seiten der Leute; dieses scheinbare Bürgerlichkeit. Es finden sich bei allen Menschen immer mehrere Gesichter. Es existieren Milieuunterschiede, sowie die Verschiedenheit von privaten und öffentlichen Tugenden. Diese zwei Welten; - „Da geht einer aus dem Haus und ist schon ein anderer“ - das ist in Stockholm so, in Rom und in München. Ich glaube, es gibt keine Hochkultur, wo es das nicht gibt.
Zum Glück, denn sonst bräuchte niemand Theater zu spielen, wenn man alles mit banaler Plattitüde abdecken könnte. Das sich verstecken, sich verstellen, sich anders geben, das Kokettieren, das macht die Menschen interessant. Schauen Sie: Wenn jemand lügt, stellt sich nicht die Frage ob der gelogen hat, sondern, hat er gut gelogen? Hat er auf eine interessante Weise gelogen? Hat es sich wenigstens rentiert?

Sie nehmen sich gerne Anleihen aus dem klassischen Spießertum…

…mit dem Begriff Spießer ist es so eine Sache. Gehen Sie mal nach Meran oder Bozen und fragen sie jemanden auf der Straße, ob er ein Spießer ist. Da wird jeder sagen: Ich nicht. Wenn sie fragen: Kennen sie Spießer, wird Ihnen jeder sagen: Ja! - Der Spießer bleibt immer anonym.

Sie haben auch schon mehrmals mit der Punkrockgruppe „Die Toten Hosen“ zusammengearbeitet...

Ja, das war ganz skurril. Ich kenne diese Herrschaften – von diesen Toten Hosen – schon länger. Die sind mir sehr sympathisch, auch wenn ich kein großer Anhänger der Rockmusik bin. Irgendwann haben die dann einmal ein Weihnachtsprogramm entwickelt, dann kam die Idee diese beiden Extreme im Wiener Burgtheater aufzuführen. Dort waren dann auch extrem verschiedene Leute. Da waren Leute, die waren gekleidet, wie wenn sie zur „Fledermaus“ gehen und da waren Leute mit gefärbten Haaren, gefärbten „Ohrwaschtln“, oder was weiß ich.

 

Die Toten Hosen mit Gerhard Polt und den Biermoesl Blosn: Azzurro, die verschärfte Fassung... (2011)