Società | Interview

“Wir sind keine Wahlkampf-Marionetten”

Primar Robert Rainer über die Carabinieri-Kontrollen im Krankenhaus Schlanders und die Spekulationen über die Schließung der Geburtshilfe: “Das ist Mobbing.”
Arzt
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salto.bz: Herr Rainer, am 15. August gab es am Krankenhaus Schlanders eine Kontrolle der Carabinieri-Spezialeinheit NAS. Was können Sie als Primar der Gynäkologie und Geburtshilfe darüber sagen?

Robert Rainer: Die Kontrollen waren an Ferragosto. Ich wurde als stellvertretender ärztlicher Leiter des Krankenhauses dazu gerufen, nicht als Primar der Gynäkologie und Geburtshilfe. Vor Ort waren zwei Carabinieri der NAS, die in der Zwischenzeit alle anwesenden Ärzte befragt hatten.

Es ging darum, die Arbeitsverträge der Ärzte in der Geburtshilfe zu überprüfen?

Meiner Meinung nach – und so wurde es mir auch berichtet – ging es bei den Kontrollen nicht um die Geburtshilfe. Sondern es wurde einfach generell kontrolliert, ob wir am Krankenhaus die Aktivdienste gewährleistet haben. Das geht auch aus dem Protokoll der Carabinieri hervor, das ich mit unterschrieben habe.

Wir halten alle Sicherheitsstandards ein, waren noch nie so sicher wie zur Zeit. Und jetzt wird das plötzlich wieder infrage gestellt.

Zu welchem Schluss kommen die Carabinieri in ihrem Bericht?

Laut ihrer Aussage war alles in Ordnung. Alles Personal, das hätte anwesend sein müssen, war da – sogar mehr als unbedingt vorgesehen.

Und es ging nicht spezifisch darum, die Geburtshilfe und die diensttuenden Ärzte dort zu kontrollieren?

Ich habe damals gefragt, ob die Kontrollen tatsächlich auch wegen der Geburtshilfe stattfinden. Man hat mir gesagt, nein, man wolle nur schauen, ob das Krankenhaus die Dienste gewährleistet. Es war nie die Rede von der Geburtshilfe. Außer als ich nachgefragt habe, ob sie deswegen gekommen seien. Das wurde verneint.

Nichtsdestotrotz werden knapp zwei Monate später aufgrund dieser Kontrollen Spekulationen laut, dass die Geburtshilfe wegen Unregelmäßigkeiten bei den Arbeitsverträgen in Ihrer Abteilung schließen könnte. Sanitätsbetrieb und Bezirksdirektorin haben umgehend dementiert. Wie stellt sich Ihnen die Situation dar?

Ich gehe davon aus, dass die Arbeitsverträge der Ärzte, die hier angestellt werden, in Ordnung sind. Im Betrieb arbeiten immerhin Leute, die sich auskennen. Wenn ein Vertrag gemacht wird, lässt man mehrfach legal abklären, ob das wirklich rechtens ist. Im Betrieb wird sehr zuverlässig gearbeitet, deshalb dauert es oft sehr lange, bis man einen Arzt anstellen kann. Also, ich gehe davon aus, dass alles in Ordnung ist.

Ich finde es ganz, ganz schäbig, wenn die Geburtshilfe in Anspruch genommen wird, um sich vor den Wahlen zu profilieren, um ein paar Stimmen mehr zu bekommen.

Befürchten Sie nicht, dass die Geburtshilfe in Schlanders in naher Zukunft zugesperrt wird?

Leider muss ich sagen, dass wir an solche Drohungen ein bisschen gewöhnt sind. Es wird immer wieder berichtet, dass die Geburtshilfe geschlossen wird. Ich empfinde diese Mitteilungen mittlerweile als eine sehr tiefe Beleidigung, als Mobbing, das gegen die gesamte Abteilung gerichtet ist. Jetzt, in diesem Moment, noch etwas mehr.

Sorgt die Debatte genau zwei Wochen vor den Landtagswahlen zusätzlich für einen üblen Beigeschmack?

Das ist ungut, ja. Mir kommt wirklich vor, dass das Thema gerade in der Vorwahlzeit politisch missbraucht wird. Es kursieren Gerüchte, dass die Abteilung nach den Wahlen zugesperrt wird. So etwas tut einfach weh.

Sie sagen es selbst: Es sind Gerüchte. Die vom Landeshauptmann und der Gesundheitslandesrätin zurückgewiesen wurden.

Irgendetwas Wahres ist an Gerüchten immer dran.

Trauen Sie der Politik nicht?

Auch wenn Landeshauptmann und Gesundheitsassessorin dementiert haben, fordert die Opposition – Bürgerunion, Süd-Tiroler Freiheit und Freiheitliche – jetzt, dass schon vor den Wahlen vom Betrieb und den Behörden darauf reagiert wird. Das heißt, wenn es so sein sollte, wie es die Opposition darstellt, riskieren wir momentan, schon vor den Wahlen geschlossen zu werden.

Sie sind seit 1. Oktober auch ärztlicher Leiter des Krankenhauses Schlanders. Empfinden Sie es als Misstrauensantrag, wenn jetzt die Schließung der Geburtshilfe kolportiert wird?

Es ist doch etwas unfein, wenn man seit neun Tagen ärztlicher Leiter ist und dann wollen sie einem gleich schon die Geburtshilfe zusperren. In den Medien heißt es auch, dass die Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden. Da fühle ich mir schon sehr auf den Schlips getreten. Wir halten alle Sicherheitsstandards ein, waren noch nie so sicher wie zur Zeit. Und jetzt wird das plötzlich wieder infrage gestellt. Aber gerade wenn es um die Sicherheit geht, müsste ich als Primar als erster darauf hinweisen und Konsequenzen ziehen. Denn ich glaube nicht, dass irgendjemand davon ausgehen kann, dass ich Haus und Hof riskiere, meine Familie oder das Leben einer werdenden Mutter oder eines Kindes – nur um eine Abteilung unbedingt offen zuhalten.

Wir möchten endlich einmal Ruhe haben und in Ruhe arbeiten können.

Es sei “völlig klar”, dass die Geburtenstation in Schlanders aufrecht erhalten bleibe, sagt Landesrätin Martha Stocker. Sie beruft sich wie der Landeshauptmann auf den Landesgesundheitsplan 2016-2020 und die ministerielle Ausnahmeregelung für die Offenhaltung – und stellt die Frage in den Raum: “Man fragt sich nur, was will man mit diesem Zweifel säen erreichen? Wem will man letztendlich schaden?”

Bei uns ist der Schaden jedenfalls angerichtet worden. Es stimmt uns traurig, dass das jetzt wieder so sein muss. Aber wir sind keine Marionetten, die man für den Wahlkampf hernehmen kann. Ich finde es ganz, ganz schäbig, wenn die Geburtshilfe in Anspruch genommen wird, um sich vor den Wahlen zu profilieren, um ein paar Stimmen mehr zu bekommen. Die Geburtshilfe in Schlanders sollte wirklich kein Politikum sein, sondern sie ist dringend notwendig für die Versorgung und für die Sicherheit von Mutter und Kind im Vinschgau.

Und darum sollte sich die Diskussion drehen?

Die Vinschger haben ein Anrecht auf eine Versorgung und – wie wir es mittlerweile oft nennen – auf “unser Spitol”. Es ist eine Einrichtung für die Bevölkerung. Oft hat man den Eindruck, dass viele meinen, weil wir uns so dafür einsetzen, dass “das Spitol” für uns Ärzte offen bleiben muss. Wir kriegen überall Arbeit, wir können irgendwo anders hingehen! Aber es geht um die Versorgung der Bevölkerung – und dazu gehören wir eben auch.

Freut es Sie dennoch, dass sich Sanitätsbetrieb, Landeshauptmann und Landesrätin umgehend klargestellt haben, dass die Geburtenstation in Schlanders offen bleiben wird?

Natürlich hat uns das wieder Sicherheit gegeben. Aber die Frage steht halt doch immer noch im Raum, dieses Gerücht der Schließung nach den Wahlen… Irgendetwas Wahres kann da dran sein, irgendwo muss es ja hergekommen sein.

Mir kommt wirklich vor, dass das Thema gerade in der Vorwahlzeit politisch missbraucht wird.

Haben Sie eine Vermutung, woher?

Das kann ich nicht genau beurteilen. Aber es ist auch so, dass an der Geburtshilfe alles andere dranhängt. Deshalb setzen wir uns ja sehr dafür ein, dass wir die Primariate der Chirurgie und der Anästhesie weiterhin beibehalten können. Wir haben zwar eine Sonderregelung aus Rom bekommen. Aber zur Erfüllung dieser Sonderreglung und der Standards, die das Gesundheitsministerium vorgibt, brauchen wir eine funktionierende Chirurgie und eine funktionierende Anästhesie. Und dazu braucht es Primare.

Beide Primariate sind derzeit nicht besetzt.

Da können wir diskutieren, schreien, machen, was wir wollen – wir werden irgendwie nicht gehört. Aber wenn die Geburtshilfe schließt, sind gleichzeitig auch andere Abteilungen in Gefahr. Und das wirkt sich irgendwann auf andere Strukturenaus. Das geht nicht, denn dann ist die Versorgung im Vinschgau nicht mehr gewährleistet.

Welchen Appell richten Sie an Sanitätsbetrieb und Politik?

Vor der ganzen Aktion waren wir eigentlich sehr zuversichtlich und es wurde uns von allen Seiten zugesagt, dass alles passt. Natürlich ist jetzt wieder eine Unsicherheit entstanden. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass wir in die totale Depression verfallen. Ich denke schon, dass alles wieder hingebogen wird. Und es gibt einen Sanitätsplan, in dem die Offenhaltung der Geburtshilfe verankert ist. Aber uns tut das einfach weh. Wir möchten endlich einmal Ruhe haben und in Ruhe arbeiten können. Nicht, dass bei jedem Anlass gleich wieder auf uns geschossen wird.