Economia | am Pranger

Die Anti-SAD-Front

Drei Gewerkschaften gehen hart mit der SAD AG ins Gericht – und ziehen vor selbiges: “Die Betriebsführung führt sich wie wild geworden auf.”
Gewerkschaften zu SAD
Foto: Salto.bz

Es sind harte Worte, die am Donnerstag in der Bozner Bindergasse 30 fallen. Dort befindet sich der Sitz des ASGB. Im Sitzungssaal haben sich kurz vor Mittag Hausherr und ASGB-Chef Tony Tschenett, Anita Perkmann vom AGB/CGIL und Artan Mullaymeri von der SGK-UIL eingefunden. Flankiert werden die drei Gewerkschaftsvertreter von ihren Rechtsanwälten – jenen Anwälten, die die drei Gewerkschaften vor dem Arbeitsgericht vertreten. Der Gegner: die SAD AG.
“Äußerst gravierend” sei das Verhalten der neuen Betriebsführung unter Ingemar Gatterer, die sich “wie wild geworden” aufführe und sich als “erster und einziger Betrieb in Südtirol so etwas” erlaube.

 

Ihnen reicht es

Nach der einseitigen Kündigung sämtlicher Betriebsabkommen durch die SAD im heurigen Juni haben die drei Gewerkschaften beschlossen, vor Gericht zu ziehen. Dabei waren die Vertragsaufkündigungen nur der letzte Tropfen, der das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht hat. “Die Kündigung ist nur ein Punkt, den wir anfechten”, erklärt Daniele Simonato, der die Fachgewerkschaft UIL Trasporti vertritt. Ein zweiter seien “schwerwiegende Aussagen” und Falschinformationen, die die SAD in einem Schreiben an die Angestellten getätigt habe: “Den Gewerkschaften wird unterstellt, dass sie einem Konkurrenzunternehmen, nämlich Busitalia, zum Sieg bei der anstehenden Ausschreibung der Konzessionen für die Überlandlinien verhelfen wollen und eine – Zitat – ‘politisch motivierte Verteidigungspolitik betreiben als wären sie Cäsaren im Gladiatorenspiel des alten Rom’.” Für Anwalt Simonato steht die Strategie dahinter fest: “Die SAD will die Gewerkschaften als Vermittler zwischen Angestellten und Betrieb ausschalten.” Zum gewerkschaftsfeindlichen Verhalten komme schließlich noch, dass die SAD den Gewerkschaften Informationen vorenthalte, etwa darüber, wie viele Angestellte mit unbefristetem Vertrag beschäftigt sind bzw. wie viele mit befristetem Vertrag angestellt wurden. Man sei mit lächerlichen Schreiben abgewiesen worden, berichten die Anwälte.

 

Zermürbung statt Zusammenleben

Es sei äußerst ungewöhnlich, dass gleich drei Gewerkschaften rechtliche Schritte gegen einen Arbeitgeber einleiten, heißt es von den Anwesenden. Doch auch das Unternehmen, gegen das man ins Felde zieht, ist kein gewöhnliches. “Die SAD AG ist kein normaler Privatbetrieb, sondern ein Dienstleistungs-Konzessionär, der mit öffentlichen Geldern finanziert wird und eigentlich zur Einhaltung sämtlicher betrieblicher und territorialer Abkommen sowie der Kollektivverträge verpflichtet ist”, erinnert Anita Perkmann. Mit der einseitigen Kündigung “jahrzehntelanger Vereinbarungen, die im Laufe der Zeit stillschweigend verlängert worden waren”, wie Rechtsanwalt Felix von Wohlgemuth – er vertritt gemeinsam mit Markus Prantl den ASGB – anmerkte, habe die SAD “über die Grundregeln des friedlichen Zusammenlebens” hinweg gesetzt, wettert Perkmann.

Abgesehen von den Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften gelte es laut Anwalt von Wohlgemuth etwas anderes zu klären – und zwar auf politischer Ebene. So habe man auch die Beteiligungsquote bei den Streiks, die immer regelmäßiger stattfinden, sowie die Lohnabzüge der Angestellten, die sich daran beteiligen, bei der SAD angefragt. Antwort habe man keine bekommen, berichtet von Wohlgemuth. “Aber teilt die SAD die Kilometer und Lohnkosten, die bei einem Streik ausfallen, dem Land Südtirol als Konzessionsgeber korrekt mit?”, fragt er sich. Denn theoretisch müsste das Land dann die Pauschale, die sie an SAD zahlt, entsprechend reduzieren, “ansonsten könnte es sein, dass die SAD mit jedem Streik einen Gewinn einfährt”, merkt der Anwalt an.

 

Auftakt, ein Kuriosum und keine Zukunft

Schon kommende Woche, am Donnerstag, 16. November, findet der erste Verhandlungstag vor dem Arbeitsgericht statt – für Daniele Simonato und UIL Trasporti. Am 4. Dezember sind Mauro de Pascalis und die Fachgewerkschaft für Transport und Verkehr im AGB/CGIL dran. Felix von Wohlgemuth und Markus Prantl müssen für den ASGB am 23. November vor Gericht erscheinen. ASGB-Chef Tschenett berichtet von einer kuriosen Episode: Die Anwälte haben bereits im Oktober den Rekurs beim Arbeitsgericht eingereicht, verfasst in deutscher Sprache. Anfang November kam dann ein Schreiben von Ingemar Gatterer, in dem der SAD-Mehrheitseigentümer, der von den Anwälten Juri Andriollo aus Bozen und Massimo Malena aus Rom vertreten wird, die Übersetzung der Rekursschrift ins Italienische fordert. “Rechtlich gesehen mag das in Ordnung sein”, kommentiert Tschenett, “aber politisch gesehen ist das eine Sauerei”. SAD-Präsident Christoph Perathoner habe im Autonomiekonvent, in dem er als SVP-Bezirksobmann mit Tony Tschenett als Gewerkschaftsvertreter saß, immer wieder betont, wie wichtig die Verwendung der deutschen Sprache bei Gericht sei, verrät Tschenett. Er frage sich, ob Perathoner über den Übersetzungsantrag – von dem sich selbst Anwalt von Wohlgemuth “überrascht” zeigte – Bescheid gewusst habe. “Falls ja, wäre das Ganze umso schlimmer”, so der ASGB-Chef.

In dem Rekurspapier, das nun in Windeseile ins Italienische übersetzt werden muss, fordert der ASGB den Arbeitsrichter auf, die Widerrechtlichkeit der Vertragskündigungen festzustellen und sie aufzuheben. Zugleich solle die SAD dazu verurteilt werden, ihr gewerkschaftsfeindliches Verhalten, das das Vertrauensverhältnis zwischen Gewerkschaften und Arbeitnehmern zerstöre, einzustellen. Außerdem fordert man eine öffentliche Wiedergutmachung und dass die SAD ihrer Informations- und Auskunftspflicht nachkomme. Mit einem Urteil in allen drei Fällen rechnen die Anwälte noch dieses Jahr. Und sie sind bereit, den Kampf vor Gericht fortzuführen: “Das Arbeitsgericht ist nur ein erster Schritt”, unterstreicht Rechtsanwalt Simonato.

Und wie ist die Stimmung unter den SAD-Angestellten, die am Freitag (10. November) erneut zu einem 24-stündigen Streik samt Kundgebung am Magnago-Platz aufgerufen sind? “Viele wollen abwarten, was der Rekurs ergibt”, berichtet Tschenett. Andere hätten ihrem Arbeitgeber bereits den Rücken gekehrt. Von “Kündigungen zuhauf” ist die Rede, Anita Perkmann spricht von “Anrufen jeden Tag”, bei der Mitarbeiter gestehen, keine Zukunft mehr bei der SAD zu sehen. Und Tony Tschenett prophezeit: Wenn langjährige Mitarbeiter, Fachkräfte und mit ihnen das Know-How verloren gehen, “wird die Qualität bei der SAD unweigerlich abnehmen”. Ein Interesse daran dürfte wohl niemand haben.