Cultura | Prämiertes Theater

Bunker im Bergdorf

Die im Engadin lebende Theaterautorin Selma Mahlknecht erhält den mit 15.000 Franken dotierten „Premi Travers Zuoz“. Ihr Stück thematisiert die Bedrohung von Bergdörfern.
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Foto: Naomi Del Simone

Für ihr Stück Üna sbrinzla da spranza per S-chus-ch (dt. Ein Funke Hoffnung für S-chus-ch) wird der aus Südtirol stammenden Autorin Selma Mahlknecht demnächst der Premi Travers Zuoz verliehen. Mahlknechts Stück wird 2023 im Rahmen des Festivals Travers von professionellen Schauspielerinnen und Schauspielern in romanischer Sprache uraufgeführt und anschließend durch Graubünden touren. Salto gratuliert und hat sich nachfragend vergewissert.

salto.bz: Der Preis "Travers Zuoz" wird am 19. November zum ersten Mal verliehen – an eine Autorin die nicht aus dieser Gegend stammt, sich allerdings mittlerweile sehr gut dort auskennt. Wie steht es um Ihre rätoromanischen Sprachkenntnisse?

Selma Mahlknecht: Die Situation des Rätoromanischen ist für Außenstehende nicht ganz einfach zu durchblicken. Es gibt ingesamt fünf von einander recht klar unterschiedene Idiome, die ihrerseits zahlreiche Varianten kennen. Das Idiom Vallader beherrsche ich recht gut, kann es lesen und verstehen, allerdings nur holprig sprechen. In meinem Alltag im Engadin sind Deutsch und Italienisch deutlich präsenter.

In welcher Sprache haben Sie das Stück geschrieben, in welcher wird es aufgeführt?

Die Einreichung umfasste nicht ein ganzes Stück, sondern ein Konzept und eine ausgearbeitete Szene. Beides musste in einem rätoromanischen Idiom verfasst werden. Ich habe die Einreichung auf Vallader gemacht, hatte bei der Übersetzung aus dem Deutschen allerdings Hilfe von zwei einheimischen Freunden. Die Aufführungen werden ebenfalls auf Romanisch erfolgen, vermutlich wird es aber eine idiomatische Anpassung an die jeweiligen Aufführungsorte geben.
 

Zu spät merken die Bewohner des Bergdorfs, dass der Milliardär schrittweise das ganze Dorf unter seine Kontrolle bringt...


Ist Ihr Stück auch eine heimliche Verneigung vor dem großen Friedrich Dürrenmatt? Sein Besuch der alten Dame wird bei Ihnen zu einem männlichen Investor...

Das Geschlecht des Investors bleibt ebenso wie der Investor selbst im Dunkeln. Er lässt sich von einer gewieften Assistentin vertreten, die der einheimischen Bevölkerung Honig ums Maul schmiert. Tatsächlich gibt es gewisse Parallelen zu Dürrenmatt, die Themen Klimakrise, kultureller Ausverkauf, Abschottung der Reichen vor drohenden sozialen Verwerfungen im Zuge von Krieg, Verarmung und Umweltzerstörung sind allerdings hochaktuell und nicht bei Dürrenmatt angelegt.

Wird der gute Glaube an die Güte eines Millionärs am Ende zum Irrglaube? Gibt es inhaltliche Bezüge zu René Benko?

Herr Benko ist ebenso wie andere Superreiche ein mögliches Vorbild für den Investor, der im Stück nie auftaucht. Wichtiger als Personalien waren mir die prinzipiellen Fragen, etwa nach der geographischen und sozialen Deformation, die durch das Schaffen artifizieller Urlaubs- und Abschottungsräume entsteht. Dieses Thema beschäftigt mich auch in meinem Tourismus-Essay Berg and Breakfast.  
 

In Mahlknechts Stück werden hochaktuelle globale Fragen, die gleichzeitig aber auch von spezifischer Bedeutung für das Romanische und das Berggebiet sind, mittels Satire reflektiert...
(Jury)


Das Stück dreht sich um einen Schutzbunker, der vor Klimawandel und Krieg schützt. Wo bunkern Sie das gut dotierte Preisgeld? In der Schweiz oder in Südtirol?

Ich lebe seit zehn Jahren in der Schweiz und habe keine Wohnung in Südtirol. Das Preisgeld ist gleichzusetzen mit einem Arbeitsauftrag. Das Stück muss nämlich nun erst noch fertiggeschrieben werden. Dies wird in enger Zusammenarbeit mit dem Ensemble des Teater Travers erfolgen, das mit dem Stück 2023 auf Tour gehen wird.