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Die Frau im Nebel

Der neue Film des südkoreanischen Meisterregisseurs Park Chan-wook schlägt sanfte Töne an, und verführt sein Publikum genauso wie seine Hauptfiguren.
Die Frau im Nebel
Foto: CJ Entertainment

Die breite Öffentlichkeit wurde spätestens mit Bong Joon-ho's „Parasite“ aus dem Jahr 2019 auf die Vorzüge des südkoreanischen Kinos aufmerksam. Doch schon viel länger finden filmische Perlen aus diesem Land ihren Weg in den Westen, seit den 1990ern bereits, und vor allem in den frühen 2000ern, als Regisseure wie Bong, aber in erster Linie sein um einige Jahre älterer Kollege Park Chan-wook laute Ausrufezeichen setzen, und das Weltkino durch eine Mischung aus hochpoetischer Inszenierung, drastischen Geschichten, und einer gewissen, dem europäischen Kino verlorengegangenen Melancholie erschüttern. Genannt seien da die Rache-Trilogie von Park, allen voran sein Meisterwerk „Oldboy“, aber auch das Erotik-Drama „Die Taschendiebin“, oder Bongs „Memories of Murder“.
 

Grob und kurz zusammengefasst geht es um einen Ermittler, der die Ehefrau eines verunglückten Mannes verdächtigt, eben jenen ermordet zu haben.


Während „Parasite“ für volle Kinosäle sorgte, und im Allgemeinen sehr erfolgreich bei Kritik und Publikum war, wird das im Falle von Park Chan-wooks neuem Film vermutlich anders sein. Der lief in Cannes, wurde dort für die Beste Regie ausgezeichnet, erhielt gute bis sehr gute Kritiken, doch ein kommerzieller Erfolg wird es wohl bloß in Südkorea werden. Denn „Die Frau im Nebel“, so der deutsche Titel (Englisch: „Decision to leave“) schlägt leisere Töne als Parks bisherige Filme, leiser auch deshalb, da er mehr als bisher seine Geschichte im Realismus verankert. Grob und kurz zusammengefasst geht es um einen Ermittler, der die Ehefrau eines verunglückten Mannes verdächtigt, eben jenen ermordet zu haben. Beruf und persönliches Interesse dabei zu trennen, fällt schwer, beide Figuren steuern bald schon auf eine Liebe zu, die nicht sein soll (oder darf?), verirren sich in Wendungen voller Manipulation, in ein Labyrinth, aus dem es keinen Ausgang gibt.

 

 

Es reicht dies zu wissen, um sich den Film anzusehen. Jedes weitere Wort wäre zu viel. Das zugrundeliegende Motiv des Films, nämlich das der Liebe, stellt sich über die Nebenschauplätze Verrat, Missgunst, ja auch des Krimis. Zwar wird viel ermittelt, und in langen Szenen im Verhörraum sein Bestes gegeben, um zu durchschauen – diese Szenen haben allerdings kein Interesse daran, die Lösung eines Falls zu finden, anders als in billigen Fernsehkrimis, sondern untersuchen mit viel Liebe zum Detail das Verhältnis zwischen Ermittler und Verdächtiger. Zunächst scheint man sich auf Augenhöhe zu begegnen, schnell wird aber, durch das Drehbuch, mehr noch durch die clevere eingesetzte Inszenierung (man achte auf die Verschiebung der Schärfe) klar, dass sich das Machtgefälle verschiebt. Beide Hauptdarsteller gehen völlig in ihren Rollen auf, und es fällt schwer zu entscheiden, auf wessen Seite man steht. Vielleicht auf keiner der beiden, vielleicht hofft man bloß, auf ein gutes Ende. In dieser Hinsicht verrät Park seine Wurzeln nicht. Seine Enden sind zwar nicht immer negativer Art, doch auch nie völlig positiv, im besten Falle durchsetzt von Melancholie und Bitterkeit.
 

Ja, auch Rache ist durchaus ein Motiv des Films...


„Die Frau im Nebel“ verzichtet bis auf wenige Ausnahmen auf die opernhafte Kameraarbeit von Parks anderen Filmen. Das erdet den Film und lässt ihn nur in wenigen Momenten abheben. Kombiniert mit der subtilen Musik, die sich deutlich von den ebenso dramatischen Stücken vergangener Werke abhebt, gelingt Park eine leise, deshalb aber laute Variation seiner Themen. Ja, auch Rache ist durchaus ein Motiv des Films, aber derart abstrahiert und neu gedacht, dass ein Vergleich mit seiner Rache-Trilogie eigentlich müßig ist.
 

„Die Frau im Nebel“ ist kein einfacher Film, einer, den man vermutlich mehrmals sehen muss, um all die Ebenen zu entschlüsseln.


Der Film ist ein poetisches, aufregendes Kinoerlebnis, das Fans des Regisseurs vielleicht abschrecken wird. Ihm fehlt die Energie einiger anderer Werke, die explizite Gewalt sowieso. Auch Fans von Bongs „Parasite“ dürften enttäuscht sein. „Die Frau im Nebel“ ist kein einfacher Film, einer, den man vermutlich mehrmals sehen muss, um all die Ebenen zu entschlüsseln. Doch genau das macht einen interessanten Film aus. Es sind nicht die einfachen Antworten, die uns Park Chan-wook hinwirft, es sind noch nicht einmal Antworten. Es sind, einem versierten Filmemacher gemäß, bloß gut gestellte Fragen.

 

DIE FRAU IM NEBEL - Trailer