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Miteinander anders

Die Band „Miteinanders“ geht ab 11. Mai auf Südtirol-Tournee. Ein Gastbeitrag von Veronika Kerschbaumer, die sich im Probenraum der Band informiert hat.
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Foto: Bildquelle: Miteinanders

Musik ist Lebensfreude, Freundschaft und Leidenschaft. Das ist bei jeder normalen Band so, aber auch bei „Miteinanders“. „Ohne Band wäre ich richtig traurig, weil ich keine Musik machen könnte und meine Down-Syndrom-Freunde überhaupt nicht mehr sehen würde“, bringt es der Bandleader Julian Messner auf den Punkt. „Es ist toll, dass wir gemeinsam etwas machen und dabei so sein können, wie wir eben sind.“ Mehr muss man als Erklärung eigentlich nicht hinzufügen, denn die Mitglieder von „Miteinanders“ sind, wie sie eben sind, und genau das macht sie so besonders. Dass die Musik ihr Leben ist, verheimlichen Julian und der Perkussionist Gustav Lechner nicht – die Freude sprüht ihnen buchstäblich aus den Augen, wenn man den Bandraum in Bruneck betritt.
Dort sitzen auch Julians Mutter Renate, die gute Fee der Band, und Klaus Graber, der Termine, Auftritte und Proben koordiniert. Die übrigen fünf Bandmitglieder, die „Miteinanders“ ausmachen, sind nicht zum Interviewtermin gekommen. Der Aufwand wäre zu groß gewesen, alle abseits einer Probe zusammenzutrommeln. Viele arbeiten nämlich und müssen sich auch für die Proben freinehmen, und außerdem wohnen alle verstreut – von Reischach über Antholz bis Olang.
Die Band hat inzwischen viel Bühnenerfahrung: Gespielt wurde schon überall in Südtirol, Auftritte gab es sogar in Tirol und im Trentino. „Wir waren schon in Innichen, im Vinschgau, Salurn, Sarntal“, lacht Julian.

Und im Mai steht eine Jubiläumstour zum 20. Geburtstag auf dem Programm – mit Konzerten in Bruneck, Brixen, Bozen und Meran.

Musik seit 20 Jahren.
Angefangen hat alles 1998, und zwar als integriertes Kunstatelier für Jugendliche mit Behinderung. Eine kleine Gruppe von fünf bis sechs Beteiligten hat sich bei diesem Projekt täglich getroffen, um unterschiedlichen kreativen Tätigkeiten nachzugehen – bis die Idee aufkam, die musikalischen Fähigkeiten der Teilnehmer stärker zu fördern. „Deshalb hat der damalige Leiter des Kunstateliers bei Chris Aigner nachgefragt, ob er nicht Lust hätte, mit den Jugendlichen etwas Musik zu machen“, erinnert sich Renate Messner. Ein paar Lieder wurden eingespielt, mit denen Messen mitgestaltet oder unterschiedliche Veranstaltungen musikalisch umrahmt wurden. Doch Musik ist nicht jedermanns Sache – einige Teilnehmer des Kunstateliers verließen dieses wieder, während Jugendliche, die nicht Teil des Projektes waren, zur Musikgruppe dazustießen.
Bis das Jahr 2012 kam, tümpelte die Musikgruppe so dahin. In besagtem Jahr haben die Lebenshilfe und die Volkshochschule Pustertal das Kunstatelier übernommen, und ein eigener Bandraum wurde eingerichtet. Es fanden nun auch regelmäßige Proben statt – und aus einer beliebigen Musikgruppe wurde plötzlich eine richtige Band, die immer mehr Lieder im Repertoire hatte und sich ständig verbesserte. „Wir können uns selber auf die Schulter klopfen“, ist Klaus Graber stolz, „denn qualitativ hat sich die Band seit den Anfangszeiten sehr verbessert.“

Doch wie es bei jeder Band ist, hängt der Erfolg auch bei „Miteinanders“ von der Besetzung und dem Zusammenspiel der einzelnen Mitglieder ab. „Es ist nämlich so, dass viele vielleicht wunderschön singen können oder ein anderes musikalisches Talent mitbringen, dieses aber nicht in der Gruppe ausleben können und sich nur schwer integrieren lassen“, erklärt Graber. „Menschen mit Beeinträchtigung haben eben ihre Eigenheiten – und das ist gut so!“ Bis sich die Mitgliederzahl auf die heutige Besetzung eingependelt hat, gab es dem entsprechend einen ständigen Wechsel. Heute ist „Miteinanders“ ein konstantes Team, eine kompakte Gruppe, die über die Jahre sehr zusammengewachsen ist und sich musiktechnisch „wahnsinnig verbessert“ hat. „Naja, und manchmal gehört auch eine kleine Reiberei dazu“, schmunzelt der Koordinator.
Einmal im Monat, so Graber – „wir versuchen, zumindest diesen Rhythmus beizubehalten“ – treffen sich die sieben Bandmitglieder von „Miteinanders“ in ihrem Bandraum, um zu proben. Mit von der Partie ist auch Chris Aigner, musikalischer Leiter und Gitarrist, und Georg Pedrotti, der die Band am Bass unterstützt. Extra-Proben vor anstehenden Auftritten werden in der Regel nicht organisiert. Auf die Frage, ob die Aufregung vor den Auftritten groß sei, schüttelt Gustav den Kopf: „Nein, eigentlich nicht. Ein bissl aber vielleicht doch.“ „Sagen wir es so: Es ist eine gesunde Spannung“, bestätigt Renate Messner. Aus der Sicht des Organisators sind Auftritte aber eine stressige Zeit: „Wir müssen die Instrumente aufladen, alle Bandmitglieder abholen und zum Veranstaltungsort bringen.“ Dort kommen dann der Aufbau und das Einspielen. „Soundcheck heißt das“, fällt ihm Julian Messner ins Wort.

Und dann, wenn Publikum und Musiker auf der Bühne bereit sind, wird eineinhalb Stunden lang gerockt, gehüpft, gespielt und gesungen.

Musik und die Liebe.
„Eigentlich bin ich unmusikalisch“, lächelt Julian verschmitzt, „aber ich musiziere einfach gerne.“ Julian ist gemeinsam mit Monika Hochgruber für den Gesang zuständig. Er schreibt aber auch Gedichte, und den einen oder andere Songtext hat er zusammen mit seiner Mutter verfasst. Auf eine einzige Musikrichtung wollen sich „Miteinanders“ aber nicht festlegen: Gespielt wird querfeldein das, was gefällt. Chris Aigner studiert die Songs mit den Bandmitgliedern ein. „Bei jedem Lied ist es anders, aber schwer ist es nicht wirklich, die Lieder zu lernen“, weiß Gustav, der als Perkussionist zusammen mit Annemarie Delleg die Rasseln oder Kuhglocken schwingt und auch mal gerne jodelt. „Wir nennen ihn Jodel-König“, grinst Julian.
Während Thomas Kircher mit seiner steirischen Harmonika oder den Congas musiziert, sitzen Haymo Töchterle und Günther Profanter hinterm Schlagzeug. „Wenn Günther so richtig in Stimmung ist, dann staunen viele, wie gut er das Instrument im Griff hat!“, ist Klaus Graber begeistert. „Er hat auch einmal in Bozen mit einer anderen Band gespielt. Die haben ihn auf die Bühne geholt, und er hat sehr gut gespielt“, erzählt Julian stolz.

Am Schlagzeug ist Günther in seinem Element, doch so leicht ist es gar nicht, für jeden das richtige Instrument zu finden. „Jeder hat seine Fähigkeiten in einem anderen Bereich“, weiß Klaus Graber zu berichten. „Wenn man aber das geeignete Instrument findet, kommen sie so richtig aus sich heraus.“ Julian hat zum Beispiel „mit einer roten E-Gitarre angefangen, das hat aber nicht gut funktioniert“, erinnert er sich an seine Anfänge in der Band vor mittlerweile 15 Jahren. Inzwischen ist er, wie bereits erwähnt, auf die gesangliche Untermalung umgesattelt. 2013 hat er seine Annemarie über die Band kennengelernt, seit letzten Juni sind die beiden verheiratet.
„Für alle sieben Mitglieder ist die Band lebenswichtig“, verrät Klaus Graber. Wenn sich das Publikum bei den Konzerten über die Musik und die Band freut, ist das die größte Motivation für die Musiker. „Das Lob abkassieren ist toll“, lacht Julian, „und wenn wir gespielt haben, gibt es immer etwas Gutes zu Essen.“
Julian und Annemarie, aber auch die anderen Bandkollegen, haben bei „Miteinanders“ einen Platz gefunden, an dem sie so sein können, wie sie eben sind – ganz normal und doch besonders. „Ich denke mir, so wie ich bin, so und nicht anders soll ich sein, so hätte ich mich selbst auch gemacht“, singt Julian Messner im Lied „Ich denke“, „ich habe ein Herz, um zu lieben, eine Lunge, um zu atmen, einen Kopf, um zu denken, das alles brauche ich.“
In einer einzigen Textpassage hadern sie mit ihrem Schicksal:

Nur eins hätte ich anders gemacht: Ich hätte mir ganz bestimmt nicht das Down-Syndrom verpasst, denn ich will nicht behindert sein.