Società | (Re)searching Gender

Wie geht gendergerechte (Uni-)Politik?

Der letzte Serienartikel behandelt Lösungen für den Gender-Gap: Welche Maßnahmen helfen, Familie und Beruf besser zu vereinen? Und wo steht die Uni Bozen?
Gendergerecht
Foto: pixel 2013 on pixabay

Die Einblicke in die Gender-Bilanz der Freien Universität Bozen und der akademischen Welt, die wir in der Serie (Re)searching Gender gegeben haben, zeigen: Nicht nur kulturelle Stereotype und Rollenklischees halten Frauen davon ab, in der akademischen Karriereleiter nach oben zu klettern oder führen dazu, dass kaum Männer die Universitätsbänke drücken, um Kindergärtner zu werden – oft sind es handfeste strukturelle Probleme in der Berufspolitik.

Zu solchen strukturellen Herausforderungen gehört zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In den Video-interviews fiel bei der Frage, warum Studentinnen auf der Strecke bleiben und nur die wenigsten im Vergleich zu männlichen Kollegen Professorinnenstellen besetzen, häufig das Spannungsfeld zwischen Mutter– und Professorenrolle. Viele Frauen, die es ganz oben in die akademische Stellenhierarchie schaffen wollen, werden „gezwungendermaßen“ entweder gar nicht oder spät Mütter, denn wer im Alter zwischen Ende Zwanzig und Ende Dreißig nicht regelmäßig publiziert und forscht, bleibt im Universitätssystem schnell zurück. Somit werden Frauen im akademischen Wettbewerb stärker benachteiligt. Eine weitere Problematik für italienische Akademikerinnen: Im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich sieht Italien für PHD-Studentinnen keine Mutterschaft vor.

 

Alessandra Papa: il comitato di pari opportunità | © salto.bz / unibz

 

Auch erfahren Frauen häufig Benachteiligung bei der Einstellung, da unbewusste Stereotype dazu führen, dass Männer als verlässlicher gesehen werden – sie sind es schließlich nicht, die ausfallen, wenn der Sohn krank ist und vom Kindergarten abgeholt werden muss. Etliche Studien zeigen, dass gerade bei jungen Frauen und Männern der Gender-Gap dann eintritt, sobald die Familienplanung beginnt und das erste Kind kommt.

Umgekehrt halten strukturelle Versäumnisse Männer davon ab, sich in den Sozial- und Bildungswissenschaften stärker einzubringen. Das hat sich ebenso im Laufe der Serie herausgestellt hat. Gerade bei Pflege – und Erziehungsberufen, wie Sozialarbeiter oder Lehrer, mangelt es an Prestige, und damit einhergehend an angemessener Bezahlung. Das Stereotyp, der Mann müsse der primäre Brotverdiener sein, tut den Rest, um die Fakultät für Bildungswissenschaft noch unattraktiver für männliche Studenten zu machen.

Um solche Hindernisse anzugehen, haben Regierungen und Universitäten in anderen Ländern Europas bereits Maßnahmen eingeführt.

 

Europäische Vorbilder

 

Um für Frauen unter anderem in der akademischen Welt dieselben strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, wie für Männer, wurde etwa im deutschen Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst eine relative Quotenregelung eingeführt. Das bedeutet, dass bei Job-Ausschreibungen im akademischen Bereich angegeben werden muss, dass Frauen und Personen mit Beeinträchtigung bevorzugt werden, jedoch nur bei selber Qualifikation und falls eine Lücke zu Ungunsten der Frau gegeben ist. Diese beiden Zusätze führen zum einen dazu, dass immer noch die Qualifikation der Personen im Vordergrund steht, und zweitens lässt sich eine umgekehrte Benachteiligung von männlichen Bewerbern vermeiden.

Wir haben versucht, diesen Zusatz auch bei uns einzuführen, bekamen aber die Auskunft, dass es vom Gesetz her nicht möglich ist

Auch die Universität Bozen würde diesen Satz bei Ausschreibungen begrüßen, um mehr Frauen zu ermuntern, sich für Professorinnenstellen zu bewerben, erzählt Marjaana Gunkel, die im Beirat für Chancengleichheit der Uni Bozen sitzt. Doch ist die Universität hier an die politischen Rahmenbedingungen des italienischen Staats gebunden: „Wir haben versucht, diesen Zusatz auch bei uns einzuführen, bekamen aber die Auskunft, dass es vom Gesetz her nicht möglich ist,“ so die Professorin für Organisation und Führung an der Wirtschaftsfakultät.

 

Schweden geht einen Schritt weiter, um mit den Nachteilen zu brechen, die Chefs davon abhalten, mehr Frauen zu befördern. Dort sieht die Regierung eine bezahlte Elternzeit von bis zu 16 Monaten vor, mit rund 80 Prozent des Gehaltes, und zwar für beide Geschlechter. Das heißt konkret: Von den 16 Monaten muss der Vater mindestens einen Monat in Anspruch nehmen. Durch diese Regelung, die zu den fortschrittlichsten der Welt zählt, lastet die Aussicht auf kinderbedingten Arbeitsausfall nicht mehr ausschließlich auf den Schultern der Frau, was beide Geschlechter in den Augen vieler Unternehmen zu gleichwertigen Arbeitskräften macht. Die Zahlen des Europäischen Statistikinstituts Eurostat bestätigen die Auswirkungen dieser Maßnahme: Schweden liegt mit einem Frauenanteil in Führungspositionen von 40 Prozent über dem europäischen Durchschnitt.

 

Uni muss nicht immer auf Politik warten

 

Zwar hinkt die italienische Politik vielen europäischen Ländern noch hinterher, was die Geschlechtergleichheit angeht, doch auch im Kleinen können Universitäten ihre Berufspolitik so ausrichten, dass Frauen der Einstieg in die akademische Welt nicht schwerer gemacht wird, als Männern.

Kitaplätze am Arbeitsplatz sind zum Beispiel eine Möglichkeit für viele Eltern, Familie und Beruf besser zu vereinen. Gunkel hebt hier insbesondere österreichische Universitäten hervor. Die Uni Bozen verfügt zwar noch über keine Kita mit permanenter Kinderbetreuung, doch gibt es einen „Kids-Space“, der während der Ferienzeit auch eine Kinderbetreuung anbietet. „Das ist für viele Eltern eine große Erleichterung, da man so in Ruhe arbeiten kann, besonders in den Sommerferien, wenn Kinder nicht zur Schule gehen,“ so Gunkel.

Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, kann er oder sie zum Beispiel sich an die Vertrauensrätin wenden

In manchen Universitäten, wie auch einigen Firmen, gilt die Regel: Keine Meetings mehr nach 16 Uhr. Das gibt Eltern die Möglichkeit, ihre Nachmittage frei zu halten, um so eventuell die Kinder von Schule oder Kindergarten abzuholen. Gunkel ist zwar von keiner pauschalen Zahl überzeugt, spricht sich jedoch für Flexibilität aus. Diese sei wichtig, sodass jede Mutter und jeder Vater entscheiden könne, ob der Nachmittag den Kindern gilt, und dafür am Abend die Arbeit nachgeholt wird, wenn die Kinder schlafen.

Wichtig sind auch Institutionen und Anlaufstellen, die auf die Thematik der Geschlechtergleichstellung sensibilisieren. Zwar sieht das italienische System gesetzlich nicht vor, dass jede Uni ein Gleichstellungsbüro mit festangestellten Mitarbeitern einsetzen muss, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Dennoch hat jede Universität eigene Gestaltungsmacht.

Und diese nutzt auch die Uni Bozen. Der Beirat für Chancengleichheit etwa organisiert Workshops zum Thema Frauen und Covid-19 oder informiert mit Newslettern über Orte für Kinderbetreuung. „Es ist wichtig, dass man informiert und einen Raum zum Austausch bietet,“ ist Gunkel überzeugt. Seit 1. Februar hat die Uni außerdem eine Vertrauensrätin eingeführt, die psychologisch-juridische Hilfe in Sachen Chancengleichheit bietet. „Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, kann er oder sie zum Beispiel sich an die Vertrauensrätin wenden,“ erklärt Gunkel.

Um echte Chancengleichheit zu gewährleisten, ist eine Maßnahme jedoch unentbehrlich: „Es ist wichtig, dass wir mehr Frauen auf allen Ebenen der Universität haben: Forschergruppen, Fakultäten, Leitung,“ meint Gunkel und findet in diesem Sinne begrüßenswert, dass mit Ulrike Tappeiner eine weibliche Präsidentin der Universität vorsteht. „Frauen an der Spitze können sich für andere Frauen einsetzen. Sie zeigen außerdem ihren Kolleginnen, dass Frauen Karriere machen können, auch mit Kindern, und übernehmen so eine wichtige Vorbildfunktion.“