ferrara.jpg
Foto: altervista
Politica | Stichwahl

Der Fall der roten Hochburgen

Die Lega erobert bei den Stichwahlen rote Festungen wie Ferrara, di seit 70 Jahren vom PD regiert wurden
Über 70 Jahre galt Ferrara als uneinnehmbare roccaforte rossa. Am Sonntag eroberte der Lega-Kandidat Alan Fabbri das Rathaus der geschichtsträchtigen Universitätsstadt. Gleich serienweise nahm die Rechte traditionelle rote Hochburgen wie Forlì, Orvieto und Biella ein. Matteo Salvini, der über zwei Wochen einen aufwendigen Wahlkampf betrieben und sein Ministerium einmal mehr vernachlässigt hatte, sieht Grund zum Jubel:" Sono straordinarie vittorie della Lega ai ballottaggi, abbiamo eletto sindaci dove governava la sinistra da settant'anni."
Die Rechte steigerte in der Stichwahl die Zahl ihrer Bürgermeister von 39 auf 83 - keine Überraschung angesichts der politischen Stimmung im Land. Salvini beansprucht wie gewohnt den Sieg für sich - obwohl die Lega im üblichen Rechtsbündnis mit Forza Italia und den Fratelli d'Italia angetreten war.  Der Partito Democratico kann nur 100 von 149 Gemeinden halten, sieht aber angesichts des internen Dauergezänks der letzten Jahre Licht im Tunnel. Parteichef Nicola Zingaretti: "Belle vittorie e belle conferme. C'è un nuovo centrosinistra e siamo solo all'Inizio". Symbolträchtig der Sieg in der ehemals linken Hochburg Livorno, die sich der Partito Democratico nach dem Intermezzo des M5S-Bürgermeisters Nogarin zurückholt. Der PD konnte seine Stimmen in der Toskana weitgehend halten, musste aber vor alle in der roten Hochburg Emilien erhebliche Einbussen hinnehmen. Für die Fünf-Sterne-Bewegung gerät die Wahl erneut zum Debakel. Allein in Campobasso schafft die Bewegung den Einzug ins Rathaus, in allen anderen Gemeinden bleiben ihre Kandidaten auf der Strecke. 
Trotz der lokal unterschiedlichen Situationen kann man das Ergebnis  als Rückkehr zur traditionellen Dialektik von centrosinistra und centrodestra interpretieren. Forza Italia verliert auf Kosten der Lega, die Fünf-Sterne-Wähler entscheiden sich fast überall für die linken Kandidaten und erhöhen damit die bereits bestehenden Spannungen im Regierungsbündnis, das immer deutlicher von Salvinis Lega dominiert wird.  
Regierungschef Giuseppe Conte mahnt in einem Corriere-Interview zur Besonnenheit gegenüber Brüssel: "Attenzione a sfidare la Commissione Europea sulla procedura d'infrazione. se viene aperta davvero, farà male all'Italia". Wirtschaftsminister Tria zeigt sich optimistisch:  "Troveremo una soluzione". Doch die Zündler in der Lega - allen voran der Abgeordnete Claudio Borghi - bestehen auf der Einführung der "mini- bond", die von der europäischen Zentralbank als "unzulässige Parallelwährung" und als zusätzliche Form der Staatsverschuldung eingestuft werden. Borghi, Autor des Buchs Basta Euro, gilt als militanter Gegner der Einheitswährung und Befürworter der Rückkehr zur Lira. Auf seinem Twitter-Account publizierte er bereits einen von ihm entworfenen buono del tesoro zu 100 Euro mit dem Kopf von Alessandro Volta. Premier Conte wiederum warnt eindringlich vor den Folgen eines EU-Verfahrens gegen Italien: "Una procedura d'infrazione esporrebbe l'Italia a uno spread difficilmente controllabile e a fibrillazioni dei mercati finanziari. Occorre unitarietà di intenti e chiarezza d obiettivi."  Vorgaben, die der durch den jüngsten Wahlsieg gestärkten Lega-Chef Salvini als Kapitulation vor dem Diktat aus Brüssel betrachtet. Der Vizepremier steht freilich europaweit alleine da. Keiner seiner vermeintlichen eu-kritischen Verbündeten zeigt sich bereit, ihn beim thema Schuldenkrise zu unterstützen.
Die auf 52 Prozent gesunkene Wahlbeteiligung beweist die wachsende Distanz der Bürger gegenüber einer Regierung, deren Slogans und Wahlversprechen die Bevölkerung mit wachsender Skepsis begegnet.  Sie traut der streitbaren Koalition aus Lega und M5S die Erfüllug ihrer vollmundigen Versprechen nicht zu und befürchtet die angedrohte Kraftprobe der Regierung gegen den Rest Europas - und deren Folgen an den Finanzmärkten. Die Euphorie, mit der viele Italiener den Wahlsieg von Grillini und Lega begrüsst hatten, ist längst der Ernüchterung gewichen angesichts steigender Arbeitslosigkeit und düsterer wirtschaftlicher Perspektiven als Schlusslicht der EU. Fast die Hälfte der frustrierten Wähler ist so am Sonntag zuhause geblieben - kein gutes Omen für die Zukunft der Demokratie.