Società | NOWA FÜR SOS FUTURE

Raum für Innovation in Vinschgau

Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, können wir das Thema des öffentlichen Raums und seine Nutzung nicht außer Acht lassen.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
basis-vinschgau-venosta_cinemepic.jpg
Foto: BASIS-Vinschgau-Venosta_Cinemepic

Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, können wir das Element des öffentlichen Raums und seine Nutzung als Ort der Begegnung, des Austauschs und der Produktion nicht außer Acht lassen, denn es ist der Raum, den wir nutzen, um die Zukunft zu gestalten, der Raum, der diese Zukunft bestimmt. Wir haben Hannnes Götsch und Gahli Egger von BASIS Vinschgau, einem Partner von Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit, zu diesem wichtigen Thema befragt.


Das Projekt BASIS Vinschgau wurde ins Leben gerufen, um das Gelände der ehemaligen Druso-Kaserne für die BewohnerInnen von Schlanders und des Vinschgaus nutzbar zu machen und konzentriert sich auf die Themen kooperative Wirtschaft, Bildung, kulturelle Entwicklung und flexible Raumnutzung für die gesamte Gesellschaft. Klares Ziel von BASIS ist es auch, ein attraktives und dynamisches Arbeitsumfeld für RückkehrerInnen und die lokale Bevölkerung zu bieten und so dem „braindrain“ entgegenzuwirken. Durch diesen Standort und diese Vernetzungsplattform werden Wirtschaftsentwicklung und Innovation in der Peripherie vorangetrieben. Wir reden mit Hannes Götsch, Gründer und Enabler von BASIS, und Ghali Egger, Projektmanagement und Referentin für die SDGs.

NOWA: Bei dem Versuch, BASIS vorzustellen, sind wir immer wieder auf das Wort "Raum” gestoßen: Zurückgewonnener Raum, neu gestalteter Raum, gemeinsamer Raum und Raum des Austauschs. Was sagt BASIS über den Raum aus? 

BASIS: Dem Begriff „Raum“ kommt eine besondere Bedeutung zu. 

BASIS schafft Räume für Inspiration und Kreativität in denen man eigenverantwortlich aktiv werden kann und wo man sagen kann „hier kann ich sein, hier kann ich etwas tun“. Das besondere an den Räumen ist auch, dass sie nicht „vorgefertigt“ sind, das heißt also, dass es Platz gibt für neue Ideen und deren Umsetzung und dass sich die Räume im Laufe der Zeit immer wieder wandeln können und werden. 

Die Räume sind zum Experimentieren da, zum Testen und dazu die Theorie in die Praxis umzusetzen. Wir sind also „enabler“, ErmöglicherInnen, und geben Impulse und stoßen Veränderungsprozesse an.
Die Räume sind so modular, multifunktional und neutral als möglich gehalten, so dass sie zu den verschiedensten Zwecken genutzt werden können und auch gemeinschaftlich genutzt werden können. Ein Seminarraum kann beispielsweise am Vormittag als Yoga- Raum genutzt werden, am Nachmittag für ein UnternehmerInnenevent und am Abend für einen Malkurs.


Ebenso wird Raum für Austausch, Vernetzung und für die Gemeinschaft geschaffen. Menschen mit den verschiedensten beruflichen Hintergründen und Themen aus den verschiedensten Bereichen treffen hier aufeinander und durch diese Zusammenkunft entstehen wertvolle Beziehungen, Kollaborationen und Handlungsfelder.


Wie können wir uns den Raum vorstellen - ländlich, städtisch oder rurban (zwischen “rural” und “urban”) - in einer nachhaltigen Zukunft? 

In einem nachhaltigen rurbanen Raum werden Leerstände genutzt und der Gemeinschaft wieder zugänglich gemacht. Es wird die Gemeinschaft und die lokale Wirtschaft gestärkt und im Zuge dessen in einer Kreislauflogik agiert in der Materie und Gegenstände so lang als möglich in den Kreisläufen zirkulieren. Dadurch wird allen drei Aspekten der Nachhaltigkeit, soziale, ökonomische und ökologische Rechnung getragen.
 

Der rurbane Raum birgt viel Potenzial für Veränderung. Dadurch, dass diese Räume kleiner sind als die Metropolen, sind die Beziehungen generell weniger anonym und der Zusammenhalt unter Gleichgesinnten ist meist stark und kann sehr wirkungsvoll sein. Gleichzeitig gibt es viel Bedarf von Seiten junger Menschen Probleme anders anzugehen und neue, auch verrückte Ideen auszuprobieren und zuzulassen.

Es gibt Bedarf den lokalen Kontext mit PartnerInnen im internationalen Kontext zu vernetzten und die Einflüsse von außen zuzulassen. Durch diese Offenheit und diesen Austausch lernt man voneinander und man wird bereichert.


Des Weiteren muss man sich mit dem Problem der Gentrifizierung auseinandersetzen. In und um Schlanders sind wir mit astronomischen Landpreisen, kaum leistbaren bzw. nicht verfügbaren Mietwohnraum und im Vinschgau mit dem landesweit niedrigsten Lohnniveau konfrontiert. Dieses Problem besteht aber natürlich nicht nur bei uns, sondern ist in vielen anderen Ländern zu beobachten und für eine nachhaltige Entwicklung des rurbanen Raums muss diesem entgegengewirkt werden.

BASIS will ein Bindeglied zwischen Kultur und Wirtschaft sein, etwas, das auch uns bei NOWA auszeichnet. Wie sieht ein typischer Tag bei BASIS aus?

In der BASIS treffen Kultur und Wirtschaft fortlaufend aufeinander. Sie begegnen sich im Zuge verschiedener Events aber auch informell, in alltäglichen Begegnungen. Frühmorgens findet ein UnternehmerInnenfrühstück statt und die ersten MitarbeiterInnen der BASIS sind um 7.00 Uhr vor Ort um alles vorzubereiten. Bei einer Führung durch das Gebäude der BASIS und der Kreativwerkstatt treffen die TeilnehmerInnen immer wieder auf andere Personen, die im Coworking Startbase arbeiten oder auf KünstlerInnen, die hier zu Hause sind und ihr Atelier in der Kreativwerkstatt nebenan haben. Im KASINO, dem ehemaligen Kino der Kaserne bauen die MitarbeiterInnen im Bereich Technik bereits die Bühne für die morgige Konferenz und das darauffolgende Konzert am Wochenende auf. Im Salotto, dem Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum mit Selbstversorgerbar und Pizzaofen, wird zu Mittag gemeinsam gegessen. Am Nachmittag trinken die HandwerkerInnen, welche die funktionale Sanierung der ehemaligen Mensaküche vornehmen, einen Kaffee an der Bar und unterhalten sich. Kinder sausen durchs Haus und spielen und malen im Salotto. Die Plakatwand „Upcoming Events“ kündigt die Lesung an, welche am Abend draußen im Garten stattfindet.

Gegen Feierabend gibt es lockere Austausche zwischen UnternehmerInnen und GründerInnen auf der Terrasse und Ideen für zukünftige gemeinsame Projekte kommen dabei auf.

 

 

Ein Projekt, an dem Ihr gerade arbeitet und in dem Ihr ein besonderes Potenzial für eine nachhaltige Zukunft seht?

Ein Projekt, das eines der größten Projekte wurde, ist die BASIS Kreativwerkstatt in der ehemaligen Palazzina Tagliamento der Drusus-Kaserne in Schlanders. In diesem Gebäude sind Werk- und Produktionsräume entstanden für Handwerk und Kunsthandwerk. Es gab einen klaren Bedarf der KünstlerInnen und HandwerkerInnen nach Räumen für Ateliers, Studios, und Produktionsräumen. So wie es für das Coworking digitale leistbare Arbeitsplätze braucht, braucht es leistbare Arbeitsplätze und Räume für Handwerk und Kunsthandwerk. Für einen Teil des Gebäudes, in welchem die Räume angesiedelt sind, wurde mit der Gemeinde Schlanders eine Nachnutzung bis 2030 vereinbart. Die ersten NutzerInnen der Werk- und Produktionsräume, die sogenannten PionierInnen haben sich ihre Ateliers selbst restauriert: Es wurden Trennwände gebaut (in Zusammenarbeit mit den HandwerkerInnen), Fenster neu eingeglast und gestrichen und vieles mehr. Die nächste große Herausforderung ist nun das Gebäude zu beheizen, damit die KünstlerInnen und HandwerkerInnen auch im Winter in ihren Ateliers und Räumen arbeiten können. Auch an neuen InteressentInnen, welche nach Räumen und Ateliers fragen mangelt es nicht.

Durch das Projekt Kreativwerkstatt werden Freiräume geschaffen wo experimentiert werden kann, wo man seine eigenen Ideen umsetzten und seinen Träumen nachgehen kann. Das Projekt bildet Gemeinschaft und es ermöglicht die eigene professionellen Tätigkeit zu verstetigen. Dies ist wiederum ganz im Sinne der langfristig ökonomischen Nachhaltigkeit.

Ebenso wie in der Palazzina Servizi, dem Sitz der BASIS wird in diesem Gebäude ressourcenschonend agiert und die zum Aufbau der Ateliers verwendeten Materialien kommen zum größten Teil aus upcycling und wiederverwendeten Mobiliar. Durch die Nachnutzung wird verhindert, dass Gebäude abgerissen und neu aufgebaut werden. Durch die gemeinschaftliche, flexible Nutzung werden die Räumlichkeiten miteinander geteilt und somit weiter Ressourcen geschont.

 

Ein Beitrag von Sara Anfos, NOWA // seeding positive transformation für Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit.

Dieser Blog wird von der Autonomen Provinz Bozen und vom Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik unterstützt.