Cultura | Salto Gespräch

„Meine Hoffnung liegt im Museum“

Ein Gespräch mit Bart van der Heide und Kuratorin Leonie Radine zu Herausforderungen und Hoffnung an Museen, zu Sammlung und Aktualität, Jahresprogramm und Besucherzahlen
Bart van der Heide und Leonie Radine
Foto: Salto.bz
Für das Jahr 2023 hat man sich einiges vorgenommen im Bozner Museion und hält auch am eigenen Credo fest, dass ein Museum „mehr als die Summe seiner Ausstellungen“ sein sollte. Die Liste der angestrebten Zusammenarbeiten ist lang und auch an der Methodik eines autonom agierenden und Veranstaltungen schaffenden Museion Art Clubs hält man fest. Wer im Haus eine neue Ausstellung sehen möchte, der muss sich noch etwas gedulden: Am 17. März kommen Projekte zu Dan Graham und Albert Mayr in der Museion Passage zum Tragen und am 25. März gibt Leonie Radine ihr Debüt als Kuratorin. Die jetzige Ausstellung, „Kingdom of the Ill“ ist noch bis 5. März zu sehen.
 
Frau Radine, Asad Razas „Plot“ ist eine Weiterentwicklung von „Absorption“, eine Arbeit in der es darum ging einen sogenannten „Neosoil“, einen künstlichen Boden zu bestellen. Warum schiebt man zwischen die Kapitel eines Langzeitprojekts noch einmal eine Arbeit in Etappen ein?
 
Leonie Radine: Sie spielen auf die Trilogie des langfristigen Rechercheprojekts „Techno Humanities“ an. Dazwischen kommt „Plot“ als eine Ausstellung, die sich in einer Kapitelstruktur über den ganzen Sommer entwickelt. Das geht aus der Logik der ihr zugrunde liegenden Arbeit von Asad Raza hervor: „Absorption“ bot immer auch Grund und Boden für Interventionen von anderen Künstler*innen. Diesmal dreht Raza die konzeptuelle Schraube noch ein Stück weiter, und es gibt Metamorphosen. Seine Landschaft aus künstlichem Boden entwickelt sich zeitweise zu etwas anderem und wieder zurück.
 
 
Läuft das nicht vielleicht etwas entgegen des Vorsatzes, dass man als Ausstellungsraum zugänglich sein möchte? Kann das einschüchtern, wenn man vier Kapitel und einen Epilog sieht? Diese sind dann ja auch nicht zugänglich für alle, die nur für kürzere Zeit in Südtirol sind …
 
Bart van der Heide: Was wir versuchen, ist etwas von der Ökonomie zeitlich begrenzter Ausstellungen weg zu kommen und eine Beziehung zum Publikum aufzubauen, die nachhaltig ist. Deswegen bauen wir über eine längere Periode diese Beziehung auf, und genau dieses Projekt aktiviert sehr viele junge Akteure auf dem Gebiet, in verschiedenen Rollen: Als Kultivator*innen, als Koordinatorin, Bodenspezialist*innen … Das sind natürlich Beziehungen, die Zeit brauchen, und in jeder Beziehung hat man verschiedene Phasen. Die erste ist das Kennenlernen, die zweite eine gemeinsame Aktivität. Das ist eine andere Arbeitsweise bezüglich Ausstellungen, bei der nicht alles innerhalb von sechs Wochen passieren muss, und dann ist Ende-Gelände, und man geht getrennter Wege. Diese Ausstellung ist dabei ein Korridor in einem größeren Haus. Ich glaube, diesen Ausstellungen kann man isoliert begegnen, aber natürlich funktionieren sie in einer größeren Vision besser.
Gleichzeitig mit Asad Raza gibt es eine „klassischere“ Retrospektive zu Shimabuku. Was wir mit diesem Haus versuchen, ist auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Berührungs- und Begegnungsweisen zu ermöglichen. Deswegen ist alles, was wir machen, Teil einer größeren Vision. 
 
Was wir versuchen, ist etwas von der Ökonomie zeitlich begrenzter Ausstellungen weg zu kommen. (Bart van der Heide)
 
Herr van der Heide, kommen wir kurz zu Shimabuku: „Me, We.“ heißt die Schau. Wenn man sich online Dokumentationen der Kunstwerke ansieht, dann haben die Video- und Fotoaufnahmen gewollt amateurhaften Charakter. Wie schmal ist der Grat zwischen Zugänglichkeit und Banalität, einem „das könnte ich auch“?
 
van der Heide: Ja, das ist eine Diskussion, die man seit Jahrhunderten in Bezug auf die zeitgenössische Kunst führt. Was beim Künstler im Mittelpunkt steht, ist Freiheit, auch die von jeder Form der Linearität. Dabei ist Shimabuku als japanischer Künstler immer mit einem westlichen Kanon konfrontiert gewesen. Er ist für mich ein Beispiel für einen Künstler, der versucht, den Kanon zu durchbrechen, und zu zeigen, dass dieser nicht etwas lineares ist, sondern viele verschiedene Richtungen hat.
Die Freiheit, die er sich dabei schafft, ist für ihn eine Form von „Unlearning“, der Versuch, nicht mehr technisch gebildet zu sein. Was er dabei findet, ist eine Form von Intimität und Poesie. Seine Arbeiten gehen immer von einem poetischen Moment der Verwunderung aus, den er in seinen Performances schafft. Dieser intime Moment der Verwunderung wird Teil eines öffentlichen Gedächtnisses über ein Zeugnis der Performance: Als Fotografie, Film, Skulptur oder Erinnerung. Die Arbeiten, die man in der Ausstellung sieht, sind nur das Dokument sehr persönlicher und intimer Aktionen, die er vielleicht auch ohne Publikum gemacht hat – zum Beispiel im eigenen Kühlschrank. Durch die Dokumente erhält es eine öffentliche Wahrnehmung. Das ist, was man sieht.
 
 
Ein zentrales Werk der Shimabuku Ausstellung soll auch „Erect, Bozen“ werden, welches in enger Beziehung zu Leerständen steht, einem daueraktuellen Thema in der Region. Welche Position bezieht das Museion zu der Thematik?
 
van der Heide: Wir sind für die Pflege des kulturellen Erbes. Wichtig ist uns in Bezug auf dieses, dass es nicht statisch, sondern immer wieder in Bewegung ist. Die Gebäude, deren Teile in diese Installation Eingang finden, sind mit einem gewissen kulturellen Erbe verbunden und werden entweder abgerissen oder strukturell renoviert. Was Shimabuku vor hat, ist den Restmaterialien, die als Schrott oder Bauschutt übrig bleiben, ein neues Leben zu geben. Wir sind ständig dabei, das kulturelle Erbe neu zu schreiben, aber um an etwas zu erinnern, muss man auch sehr viel vergessen. All das Material, welches man sonst vergisst, ist genau jenes, das für den Künstler interessant ist. Ich glaube, diese Arbeit von Shimabuku ist weniger eine Kritik am Leerstand, mehr eine Auseinandersetzung damit, wie kulturelles Erbe geschrieben wird: durch die Dinge, die wir sehen, aber vielleicht auch durch jene, die wir nicht sehen, die wir vergessen.
 
Wir haben eine Sammlung, und unsere Aufgabe ist es, kulturelles Erbe zu schützen, es aber auch immer wieder neu zu schreiben. (Bart van der Heide)
 
Kommen wir kurz zu den Nebenschauplätzen, wo unter anderem Dan Grahams „Sonic Youth Pavillon“, ein Projekt, das man 2008 ins Leben gerufen hat, am Programm steht. 15 Jahre später, 12 Jahre nach Auflösung der Band und ein Jahr nach dem Tod Grahams, welche Aktualität kann das Werk noch bieten?
 
van der Heide: Das ist genau die Frage, der wir uns stellen müssen. Wir haben eine Sammlung, und unsere Aufgabe ist es, kulturelles Erbe zu schützen, es aber auch immer wieder neu zu schreiben. Wir haben eine Sammlung von über 4000 Objekten, und der Pavillon ist eines davon. Für uns ist an der Museion Passage sehr wichtig, dass wir den Objekten darin immer wieder aktiv begegnen. Wir holen sie aus der Sammlung und zeigen sie öffentlich frei zugänglich, aber immer im Dialog mit der Aktualität.
Die Besonderheit an diesem Pavillon ist, dass er ein Video-Pavillon ist. Man hat zwar Monitore, aber die Arbeit ist nur der Pavillon: Was man zeigt, ist vollkommen frei. Daher ist es eine wunderbare Arbeit, die man immer wieder neu aktivieren kann. Dieses Mal werden wir mit der Zelig arbeiten und die ersten Arbeiten der neuen Student*innen zeigen, ein Projekt namens „My Bolzano“. Sie werden beauftragt, zu dokumentieren, wie sie die Stadt aktuell sehen.
So wollen wir in der Passage arbeiten: Wir machen eine Sammlungspräsentation, aber damit endet es nicht. Es ist ein Anlass, die Arbeiten neu zu aktivieren, über Partnerschaften und neue Produktionen. All diese neuen Deutungen kommen auch in unser Archiv, wodurch die Stimmen, die an den Werken beteiligt sind, diverser werden. Die Zelig wird dann auch Teil des Archivs um die Arbeit.
 
Es geht also um den Pavillon als solchen? Sonic Youth werden darin nicht mehr zu sehen sein?
 
van der Heide: Nein. „Sonic Youth Pavillon“ ist der Titel der Arbeit. Ich sage Ihnen, es ist unglaublich, dass diese Arbeit hier in Bozen ist: Dan Graham hat nur zwei oder drei solcher Pavillons gemacht, einer von diesen ist in Wien, in der Generali Foundation. Es sind einzigartige Arbeiten, und es ist unglaublich, dass wir dieses Exemplar von internationaler Bedeutung hier haben, darauf sollten wir stolz sein. Es ist aber auch nicht etwas, das man mit weißen Handschuhen anfassen muss, es sind lebendige Strukturen, die man immer wieder neu aktivieren muss.
 
 
Es steht auch das dritte Kapitel der „Techno Humanities“ an, „Hope“. Hintergedanke war immer auch, an eine Gruppe in Südtirol etwas zurück zu geben. Das war beim ersten Kapitel die elektronische Musikszene in Südtirol, beim zweiten waren es Menschen mit Beeinträchtigung. Frau Radine, welche Gruppe wird in „Hope“ greifbar werden?
 
Radine: Wir freuen uns über deine Frage und darauf, auch im dritten Kapitel wieder in ähnlicher Weise an ein Thema heranzugehen, welches sich auch strukturell, in der Arbeit des Museion innerhalb der Gesellschaft, niederschlagen wird.
 
van der Heide: Sie haben recht, „Techno“ war eine Solidarisierung mit der Subkultur, der wir auch nach der Ausstellung, bleibend, ein Podium für Sichtbarkeit, Vernetzung und Organisation bieten. Auch die Barrierefreiheit wird so bleiben. Für mich soll „Hope“, das ganze Haus in einer Selbstreflexion aktivieren: Was ist unsere Rolle? Was ist unser Beitrag? Warum sind wir wertvoll für eine breite Gesellschaft? Für mich persönlich ist „Hope“ auch genau das: Wie kann ein Museum ein Ort der Hoffnung sein in einer Gesellschaft, die mehr und mehr unter Druck steht? Rund um das Thema gibt es noch sehr viele Assoziationen, die noch sehr individuell sind. Wir sind im Gespräch miteinander.
 
Die junge Generation ist dabei, Hoffnung immer mehr als etwas zirkuläres zu sehen (Bart van der Heide)
 
Das klingt als wäre die Arbeit noch in einem Entwicklungsprozess. Wie nahe kommt man an den Eröffnungstag heran? Wie lange kann eine Ausstellung im Flux bleiben?
 
van der Heide: Die Arbeit an einer Ausstellung ist nie fertig. Natürlich, man wird auch nach der Eröffnung weiterarbeiten. Vielleicht kommen wir damit auch auf Ihre erste Frage zurück, zum Arbeiten in Kapiteln. Ich denke, es ist sehr schön zu sehen, wie ein Thema zum nächsten führt. Das ist etwas, das wir in Arbeiten von Künstler*innen in „Kingdom of the Ill“ gespürt haben, dass es dort auch Momente von Hoffnung gibt, die häufig über regenerative Systeme entstehen. Nicht Hoffnung, die uns junge Leute geben müssen, oder auf etwas in der Zukunft, oder auf Technologien: Die junge Generation ist dabei, Hoffnung immer mehr als etwas zirkuläres zu sehen, das regenerativ ist und zurück geht in die Gesellschaft, statt immer nur in die Zukunft projiziert zu sein.
Das ist auch mein Verständnis von Bildung, Forschung und Geisteswissenschaften. Genau den Geisteswissenschaften sollten wir eine stärkere Rolle geben. Im akademischen Feld werden sie mehr und mehr marginalisiert. Man soll immer wieder neue Fragen stellen, statt nur auf Antworten zu blicken. Ein Museum zu haben, das sich das leisten kann und will, ist ein großer Luxus.
 
Gern gesehener Gast war im Museion auch in Vergangenheit schon Transart, nun liest man zu „Hope“ „in Zusammenarbeit mit Transart“. Ändert sich das Verhältnis oder ist man weiterhin ein Raum, der bespielt werden kann?
 
Radine: Wir freuen uns auf jeden Fall wieder auf eine Kooperation zwischen Museion und Transart, die mit „Hope“ in Verbindung steht.
 
Wird sich das in der Ausstellung dauerhaft niederschlagen oder wird Transart Gast sein?
 
van der Heide: Erinnern Sie sich noch an „Day Rave“ von Isabel Lewis, die Zusammenarbeit in der Alperia Halle? Das war Wahnsinn. Bei dieser Zusammenarbeit mit Transart ging es auch weniger darum, ob Transart bei uns war, oder ob wir Gast bei Transart waren. Wir haben etwas zusammen gemacht, das für uns einen Mehrwert hatte und auch für das Transart-Publikum. Ich sehe das mehr entlang dieser Linie: Wir bündeln unsere Ressourcen, um etwas wirklich Spektakuläres zu machen.
 
 
Wenn man von den Künstlern absieht sind die kulturellen Akteure, mit welchen man zusammen arbeitet hauptsächlich lokale. Es gab in der Vergangenheit auch schon Stimmen, welche das Museion wegen niedriger Besucherzahlen kritisiert haben und Partnerschaften mit oberitalienischen Kulturinstitutionen wie dem Mart angedacht haben. Wäre das für euch denkbar?
 
van der Heide: Wenn Leute das sagen, versuche ich immer zu erklären, dass es bereits eine starke Zusammenarbeit mit dem Mart gibt. Wir sind nicht so getrennt voneinander. Ich denke, die Leute mögen diese Polarität, aber mit dem „Archivio di Nuova Scrittura“ sind wir zum Beispiel sehr eng verbunden, und wir pflegen einen konstanten Austausch unserer Sammlungen und organisieren gemeinsam Performances. Da gibt es schon eine Zusammenarbeit.
Besucher*innenzahlen sind für mich sehr wichtig. Ebenso wichtig ist es für mich, mehrere Wege zu finden, um die Wirkung unseres Hauses zu messen. Man kann auch darüber diskutieren, wie sich diese Wirkung nicht nur in den Besucher*innenzahlen widerspiegelt, sondern auch in anderen Daten. Das ist für viele Kunstinstitutionen eine Herausforderung: Wenn es wirklich um konkrete, messbare Zahlen geht, dann haben wir noch nicht die richtigen KPI – Key Performance Indicators – gefunden. Das einzig messbare, was wir derzeit haben, sind die Besucher*innenzahlen. Aber ein Museum hat so viele sozio-kulturelle Werte, auf welche sich die Museumslandschaft stärker konzentrieren sollte.
 
Wie haben sich in den letzten Jahren die Besucherzahlen entwickelt?
 
van der Heide: Im Vergleich mit anderen Museen sind die Besucher*innenzahlen gut, wenn man bedenkt, dass es nach der CoviD-Zeit – auch im Theater – sehr schwer war, Besucher*innen zurückzugewinnen. Ich bin ich sehr zufrieden und stolz, aber es kostet viel Energie: Wir versuchen, viele Veranstaltungen zu machen und auch die großen Ausstellungen breit zu positionieren. Es ist uns sehr wichtig, dass eine „Techno Humanities“-Ausstellung nicht nur in der Kunstpresse beschrieben wird, sondern auch in Feuilletons der Tageszeitungen und auch im Wirtschafts- und Sozialjournalismus Platz findet. So versuchen wir, innerhalb Europas unsere Sichtbarkeit zu erhöhen. Wir arbeiten mit doppeltem Einsatz, um gleiche Zahlen wie vor der Pandemie zu erreichen, das ist ein Trend für alle Museen.
 
Außerhalb des Museums ist man beschäftigt mit dem Alltag, der Familie … Ein Museum ist ein dritter Raum, der es einem ermöglicht, sich davon für einen Moment zu entfernen. (Bart van der Heide)
 
Wenn ich mir die großen Ausstellungen ansehe, welche das ganze Haus bespielen, dann plane ich drei Stunden ein, bei einer Einzelausstellung geht es entsprechend schneller. Wenn Sie von Energie sprechen, die es braucht um Personen über die Schwelle zu bringen, sind dann große Ausstellungen vielleicht abschreckend?
 
van der Heide: Ich habe noch nicht von Leuten gehört, die es abschreckend fanden, aber wir haben unsere Ausstellungen auch verlängert, auf sechs Monate, so dass wir den Besucher*innen die Möglichkeit geben, sich Zeit zu nehmen und zurück zu kommen. Wir haben viele Rahmenveranstaltungen und jeden Donnerstagabend freien Eintritt mit Führung; jeden Samstag sind Kunstvermittler*innen im Haus, und wir sind für Studierende frei zugänglich …
Wenn Sie mir sagen, dass Sie für die großen Ausstellungen drei Stunden einplanen, dann freut mich das: Das ist Zeit, die Sie sich geben sollen. Außerhalb des Museums ist man beschäftigt mit dem Alltag, der Familie … Ein Museum ist ein dritter Raum, der es einem ermöglicht, sich davon für einen Moment zu entfernen. Wenn Sie es schaffen, drei Stunden auszutreten aus diesem Alltag, freue ich mich. Im Museum kommt man an neue Perspektiven, ist Teil einer Gemeinschaft. Solche Räume sind in einem immer schneller werdenden und polarisierten Alltag wichtig.
 
 
Abschließend eine Frage an Sie beide: Worauf hoffen Sie?
 
Radine: … auf Ihre Zeit.
 
van der Heide: Meine Hoffnung liegt im Museum, im allgemeinen Sinn: Ich habe Hoffnung für die Rolle des Museums in der Gesellschaft, für die Geisteswissenschaften. Wir sollen nicht alles empirisch und messbar und technisch bewerten. Wir sind Menschen und sollten uns damit befassen, was uns zu Menschen macht. Nicht: was mit uns konkurriert, in der Technologie, wie künstliche Intelligenz. Wir sind Menschen, haben Momente in denen wir produktiv sind, aber auch solche, in denen wir es nicht sind, in denen wir verletzlich sind. Das sind wichtige Werte, mit denen wir uns stärker identifizieren sollten. Wir sind keine Maschinen. Deswegen lege ich große Hoffnung in das System der öffentlichen Museen.
 
 
Frau Radine, gibt es noch etwas, auf das Sie hoffen?
 
Radine: Vieles wurde schon formuliert: Ich hoffe, dass das Museum ein Landeplatz ist, an dem man ankommen kann und sich auf ein Verständnis von Zeit einlässt und verständigt, das jenseits dessen liegt, was als „der Fortschritt“ im Sinne eines „Immer höher, schneller, weiter…“ formuliert wurde. Ich hoffe auf ein regenerativeres Denken und auf ein Bewusstsein, dass das eine Modell „der Zukunft“ im Sinne der modernen Geschichtsschreibung nicht mehr existiert und wir dennoch immer neue Fragen stellen können.