Politica | Raumordnung

Die Kirche im Dorf lassen

In dieser Woche stimmt der Landtag über die Änderungen am Landesgesetz „Raum und Landschaft“ ab. Gelegenheit für die Landesregierung, Stellung zu beziehen.
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Foto: Salto.bz
Riccardo Dello Sbarba hat gestern (10. Mai) im Rahmen der Pressekonferenz der Grünen Fraktion kein gutes Haar an den geplanten Änderungen zum Raumordnungsgesetz gelassen und sprach von einem Pasticcio und 500 Änderungen, die in die Gesetzesvorlage eingeflossen seien. Auch der Dachverband für Natur- und Umweltschutz kritisierte in seinen Stellungnahmen die angebliche Ausweitung des unterirdischen Bauens im landschaftlichen Grün wie auch die Streichung der Frist für die Abgabe des Gemeindenentwicklungsprogrammes. Ebenfalls zu diesem Thema meldete sich der Heimatpflegeverband pünktlich zum heutigen Diskussionsbeginn im Landtag mit einer Presseaussendung zu Wort, die den Titel „Das Raumordnungsgesetz wird gefügig gemacht“ trägt.
Nachdem die Verabschiedung eines sehr wichtigen Gesetzes anstehe und die Diskussionen darüber nicht aufhören, nehme man die Gelegenheit einer Pressekonferenz wahr, um über die wesentlichen Inhalte und Neuerungen zu sprechen, erklärte die SVP-Fraktionsvorsitzende Magdalena Amhof. Zur Veranstaltung geladen hatte die zuständige Raumordnungslandesrätin Maria Hochgruber Kuenzer, ebenfalls daran teilgenommen haben Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Präsident des Gemeindenverbandes Andreas Schatzer.
 
 
Uns als Gemeinden ist es bereits seit über einem Jahr ein Anliegen, dass verschiedene Bestimmungen im Raumordnungsgesetz umgeschrieben bzw. präzisiert werden.
 
 
Wesentlich an der Ausarbeitung des Gesetzes beteiligt war der Gemeindenverband, dessen Präsident erklärte, dass die komplexe Materie der Raumordnung und des Landschaftsschutzes immer wieder Anpassungen an die geltenden Gesetzesbestimmungen erfordere. In der Vergangenheit sei es immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Interpretation des bestehenden Gesetzes gekommen und man habe auch feststellen müssen, dass Bestimmungen teilweise nicht anwendbar waren bzw. sich sogar widersprochen haben. „Uns als Gemeinden ist es bereits seit über einem Jahr ein Anliegen, dass verschiedene Bestimmungen im Raumordnungsgesetz umgeschrieben bzw. präzisiert werden“, erklärte Schatzer. Der Großteil der Änderungen betreffe dabei Anpassungen technischer Natur, um eine Verständlichkeit der Normen zu erleichtern. Die Bestimmung über die „Wohnung mit Preisbindung“ sei in ihrer derzeitigen Form nicht anwendbar, weshalb eine Anpassung notwendig war, denn die Gemeinden bräuchten dieses Instrument, um den Bürgern und Bürgerinnen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
 
 
In der Gemeindenfinanzierung ist nun festgelegt, dass die Arbeiten am Gemeindenentwicklungsprogramm innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden müssen.
 
 
Was die viel kritisierte Streichung des Termins für die Abgabe des Gemeindenentwicklungsprogrammes betrifft, erklärte Schatzer, dass zum einen dieser bereits verstrichen sei und zudem lange Verhandlungen über die Finanzierung der Ausschreibungen und Vergaben an Freiberufler notwendig waren. „In der Gemeindenfinanzierung ist nun festgelegt, dass die Arbeiten an diesem Programm innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden müssen“, so der Präsident des Gemeindenverbandes. Die Befürchtung, dass die Gemeinden das Entwicklungsprogramm niemals einreichen, sei somit unbegründet. „Auch wird es weiterhin Anpassungen geben müssen, aber wir sind der Meinung, dass die Gesetzesvorlage grundsätzlich den richtigen Rahmen vorgibt. Wir Gemeinden brauchen Regeln, die auch angewandt werden können“, betonte Schatzer.
 
 

Eine neue Ära

 
„Ich möchte in Erinnerung rufen, dass das Gesetz, das im Jahr 2018 genehmigt wurde, zwei Jahre später in Kraft getreten ist. Sämtliche Gemeinden mussten in dieser Übergangsphase noch mit dem alten Gesetz arbeiten, haben Aufträge vergeben, Projekte genehmigt und Entscheidungen getroffen“, erklärte Landesrätin Hochgruber Kuenzer. In diesem Vakuum sei sehr viel Resistenz gegen das neue Gesetz wahnehmbar gewesen, weil man bisweilen beim Gewohnten bleiben wollte. Das Neue daran sei, dass die Bereiche Raumordnung und Landschaftsschutz in einem einzigen Gesetz zusammengeführt worden seien, was bestimmte Herausforderungen mit sich gebracht habe, die auch in den unterschiedlichen Bestimmungen zu bereits bestehender Bausubstanz begründet seien.
 
 
 
 
Als Beispiel nannte Hochgruber Kuenzer Wintergärten, die auf der Grundlage des Energiebonus errichtet werden durften, ohne dass diese als Kubatur berechnet wurden. „Dies ist nun nicht mehr der Fall“, so die Raumordnungslandesrätin. Der Paradigmenwechsel vom alten zum neuen Gesetz sei klar im Konzept des Gemeindenentwicklungskonzeptes ersichtlich, weil darin auch die Bürgerbeteiligung vorgesehen sei. „Es hat eine neue Ära der Partizipation begonnen“, so Hochgruber Kuenzer. An Beispielen wie St. Ulrich könne man sehen, dass die Menschen gerne an der Entwicklung der Gemeinden mitarbeiten. Die Hälfte der Gemeinden, konkret sind es 58, haben bereits den Beschluss zur Erarbeitung des Programms verfasst, 32 Gemeinden haben um eine Finanzierung angesucht.
 
 
Es hat eine neue Ära der Partizipation begonnen.
 
 
Als wesentliche Neuerungen in der Gesetzesänderung nannte die Raumordnungslandesrätin das Konzept des Wohnens mit Preisbindung. Nach der Genehmigung des Wohnbauförderungsgesetzes im vergangenen Dezember will man nun die urbanistische Voraussetzungen schaffen, um „Wohnen mit Preisbindung“ operativ zu machen. „Wir reden beim Thema Wohnen nicht nur von der Nutzung von freien Flächen, sondern müssen zukünftig auch die bereits bestehende Kubatur miteinbeziehen“, so Hochgruber Kuenzer. Bei Sanierungen oder Zweckänderungen wie bei aufgelassenen Tourismusbetrieben in Ortskernen, um sie dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen, müsse der Quadratmeterpreis so gestaltet werden, dass dieser leistbar ist. Man habe bereits verschiedene Modelle wie den sozialen und geförderten Wohnbau zur Verfügung sowie den freien als auch den konventionellen, mit dem Modell Wohnungen mit Preisbindung möchte man ein zusätzliches Angebot schaffen. Darin vorgesehen ist beispielsweise auch der Mietkauf. Vielfach missverstanden worden sei der Artikel 19 über den Planungsmehrwert, welcher nicht besage, dass 60 Prozent des Baugrundes mit der Hälfte des Wertes zur Verfügung gestellt werden. Im Falle des Modells der Wohnungen mit Preisbindung legt nämlich die Gemeinde, die eine Konvention mit dem Grundeigentümer oder dem Bauunternehmen abschließt, den reduzierten Quadratmeterpreis fest. „Die Gemeinde hat die Planungshoheit, auch wenn diese vom Recht zurücktritt, den Grund selbst zu erwerben oder die Wohnungen zu realisieren“, so Hochgruber Kuenzer. Auch der Artikel 24 zu den Mischgebieten müsse als Lösung für die Nutzung des vorhandenen Leerstandes gesehen werden. Bezüglich Kritik zur Gesetzesvorlage, erklärte Landesrätin Hochgruber Kuenzer, dass nicht 500 Abänderungsanträge darin eingeflossen seien, sondern jeder Abgeordnete – Riccardo Dello Sbarba habe beispielsweise 21 Änderungsanträge eingereicht – habe das Recht, seine Vorschläge einzubringen. Diese seien, wenn sie eine Verbesserung darstellten, angenommen worden.
 
 

Eine wirkliche Landschaftsplanung

 
„Bei aller Kritik am Landesraumordnungsgesetzes muss man bedenken, dass auch beim alten Gesetz aus dem Jahr 1997 mindestes vier bis acht Mal pro Jahr Änderungen beschlossen worden sind“, erklärte Landeshauptmann Kompatscher, der darauf verwies, dass er sich nicht nur als Bauassessor, sondern auch als Vorgänger von Thomas Schatzer intensiv mit dem Thema Raumordnung auseinandergesetzt habe. Die Gemeinden seien vier Jahre lang als Kronzeugen gegen das Gesetz ins Feld geführt worden, nun, da eine Gesetzesvorlage gemeinsam mit den Gemeinden erarbeitet wurde, sei wieder alles falsch, so Kompatscher, der betonte, dass man mit diesem Gesetz eine wirkliche Landschaftsplanung haben wollte. Mit dem alten System seien die Projekte nicht an den Bauleitplan angepasst worden, sondern draußen in der Realität sei dies vielfach umgekehrt gewesen, was zu einer Zersiedelung geführt habe.
 
 
Nur die halbe Wahrheit zu erzählen, ist nicht korrekt.
 
 
„Dieses Instrument stellt nun einen kompakten Siedlungsplan dar“, erklärte der Landeshauptmann. Damit wolle man in den Bauzonen beispielsweise eine Verdichtung erreichen, aber auch eine Vereinfachung der bürokratischen Prozeduren. „Hie und da wird behauptet, dass im landwirtschaftlichen Grün bei der unterirdischen Kubatur sämtliche Beschränkungen über Bord geworfen würden. Mit dem alten Gesetz durfte um die fünffache Fläche der überbauten Fläche des Gebäudes unterirdisch erweitert werden, mit der Gesetzesänderung wird diese auf das Zweifache reduziert“, so Kompatscher, der erklärte, dass dies nur ein Beispiel von vielen sei, bei welchem die Kritik an der Realität vorbeigehe, und man doch die Kirche im Dorf lassen bzw. bei der Kommunikation etwas aufpassen sollte, denn „nur die halbe Wahrheit zu erzählen, ist nicht korrekt“.

 

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Salto User
Manfred Gasser Gio, 05/11/2023 - 14:37

Eine Frage, brauche ich jetzt zum Bauen auch schon einen Anwalt. der mich durch den Dschungel der verschiedenen Gesetze führt, und vielleicht sogar noch was rausholt, was laut Gesetz so vielleicht gar nicht gedacht war?
Oder einfacher, um bei Herrn Zagler zu bleiben: Kann das Gesetz nur "richtig" nutzen, wer das Kleingeld, und den Mechaniker hat, um einen FIAT 500 zu einem Mercedes umzubauen?

Gio, 05/11/2023 - 14:37 Collegamento permanente
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Herta Abram Gio, 05/11/2023 - 16:00

Ich glaub nicht, dass sich Riccardo Dello Sbarba, Dachverband für Natur- und Umweltschutz, u a , zum Spass so kritisch geäußert haben und nicht verstehen, um was es auch bei diesem Raumordnungsgesetz gehen sollte: Klimaplan 2030/40

Gio, 05/11/2023 - 16:00 Collegamento permanente
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Lukas Abram Gio, 05/11/2023 - 17:28

Eigentlich wollt ichs nicht kommentieren, aber kanns nicht lassen. Der Reihe nach:
Dass das ganze so komplex ist, liegt nicht an der Materie selbst, sondern daran, dass niemand einen Plan hat, was man damit will.
Natürlich gibt es Schwierigkleiten bei der Interpretation, weil das Gesetz schlecht geschrieben ist.
Ein Großteil der Artikel, welche heute in der Aula diskutiert werden, ist nicht technischer (die gibt es auch und die sind in Ordnung) sondern inhaltlicher Natur.
Zur Streichung des Termins zur Vorlage des Gemeindenentwicklungskonzepts: Ja er ist inzwischen verstrichen, weil 5 Jahre lang niemand was getan hat. Heißt das, wenn niemand sich an eine Abmachung hält, gilt sie nicht mehr? Und dann die Ursache auf die schwierigen Verhandlungen mit den Freiberuflern schieben... Zahlt's halt ordentlich, dann machen wirs auch gern.
Wir müssen immer noch mit Teilen des alten Gesetzes arbeiten. Alle Planunterlagen wie Bauleitpläne und Durchführungspläne sind ja noch nach altem Gesetz erstellt. Deswegen wär ein bindender Termin ja so wichtig. Der Artikel 103 (Übergangsbestimmungen) hat inzwischen 24 Absätze!
Es kommt immer das Argument man habe Raumordnung und Landschaftsschutz zusammengeführt. Nebenbei wird am Landschatfsleitbild rumgebastelt, wo die größten Peinlichkeiten geparkt werden, damit sie nicht im Landtag diskutiert werden müssen (ausführlich hier: https://www.salto.bz/de/article/07022023/ihr-macht-es-nur-schlimmer)
Und die Oberfrechheit ist, dass jetzt das Gesetz von 1998 rausgezogen wird, um zu zeigen, dass es Verbesserungen gibt. Ja no na! Wozu haben wir denn ein neues bekommen?
Und so weiter und so weiter...
Übrigends, ich komme in der aktuellen Fassung auf 238 Fußnoten für rechtskräftige Änderungen von Artikeln. Bitte nachzählen hier: http://lexbrowser.provincia.bz.it/doc/de/212899/landesgesetz_vom_10_jul…-

Gio, 05/11/2023 - 17:28 Collegamento permanente