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Europa in Miniatur

Ein Stimmenfang aus dem europäischen Post-Wahl-Sommer 2019. Eingeholt auf einem Campingplatz in Italien.
Campingplatz
Foto: Pixabay/salto.bz
Ein Campingplatz in Italien, irgendwo an der adriatischen Küste. Der Bagnino sitzt auf seinem Beobachtungstürmchen, rote Badehose, dunkle Sonnenbrillen, und blickt über die Campinggäste. Hier tummeln sich Menschen aus ganz Europa. Eine irische Familie packt ihr Strandhanduch aus, neben ihnen sonnt sich der britische Nachbar. Wenige reihen weiter hinten führt eine österreichische Gruppe ein Plauderchen, hinter ihnen macht sich ein belgisches Ehepaar gerade schwimmbereit. Die deutschen Kinder bauen ein Santürmchen, der polnische Junge schaut schüchtern zu. Der Bagnino beobachtet diese Mikro-Welt, diesen bunten Zusammenwurf aus Touristen jeglicher Herkunft. Und ihm ist wohl nicht bewusst, dass sich unter seinem aufmerksamen Blick ein Europa in Miniatur zusammenfindet. Ein Abbild der Eurpäischen Union im Kleinformat.
 
Ich frage mich, was die europäischen Bürger, zwischen Sonnenbrand und Cocco Bello, zwischen Fruchteis und Moskitospray wohl über ihre gemeinsame Heimat denken, ob sie diese Union wahrnahmen, als sie über die Grenze nach Italien fuhren. Wie sie die Wahl erlebt haben. Was sie verbindet, und was hingegen sie trennt. Ich bin durch das Campingelände gefahren und habe mich zwischen den Zelten, Strandkiosken und Wohnwägen umgehört... ein Stimmenfang aus dem europäischen Post-Wahl-Sommer 2019....
 
 
1. Gibt es deiner Meinung nach ein gemeinsames „europäisches“ Element, das die Bürger der EU verbindet?
 
2. Wie hast du die Europawahlen erlebt? War es ein sehr präsentes Thema in den Medien, in deinem Familien- und Bekanntenkreis oder hast du es nur marginal wahrgenommen?
 
3. Was wünscht du dir in Zukunft von der EU? Was muss verbessert werden?
 
 

Michael, 61, Großbritannien

1. Europa verbindet offensichtlich eine lange Geschichte. Ob gut oder schlecht, die Menschen haben dieselben Dinge geteilt. Im vergleicht zu Asien zum Beispiel haben Europäer sicherlich mehr gemein.
 
2. Ich lebe zwar in Irland, aber es gab viele Proteste in beiden Ländern. Da war das Brexit- Referendum und die Menschen haben eindeutig gegen die EU gestimmt, daher müssen wir die Union verlassen. Ich denke, dass ein Rückzieher aus dem Brexit viele Probleme im Land schaffen würde, daher müssen wir raus. In Irland haben auch viele die Grünen gewählt. Aber ich glaube, das war eher eine Proteststimme. Wir werden sehen, ob die Menschen am Ende auch bereit dafür sind, für die Rettung unseres Planeten mehr zu bezahlen.
 
3. Ich denke Großbritannien hat immer noch eine Beziehung zum restlichen Europa. Auch wenn wir die EU verlassen, gibt es keinen Grund, das zu ändern. Die einzigen Unterschiede werden sich in den Gesetzen zeigen, aber in dieser Hinsicht war Großbritannien immer schon unabhängig, und es ist eben das, was die Leute wollen.
 
 

Jack, 20, Irland

1. Ich finde nicht, dass sich Europa vom Rest der Welt unterscheidet. Ich glaube, dass es eigentlich überall gleich ist. Es gibt natürlich immer nette Menschen, und weniger nette Menschen, und unterschiedliche Meinungen. Aber abgesehen von ihren Ansichten, unterscheiden sich die Leute nicht wirklich.
 
2. Ich interessiere mich für die Wahlen und habe mich damit beschäftigt, aber in meinem Bekanntenkreis war ich der Einzige. Die Menschen in Irland haben nicht wirklich darüber geredet. Ich glaube man interessiert sich bei uns mehr für lokale Wahlen. Alles, was außerhalb Irlands passiert, ob in der EU oder in der UNO, wirkt wie eine Sache, die weit weg liegt. Daher interessiert sich keiner wirklich dafür.
 
3. Brexit sollte gestoppt werden! Ich weiß, die EU kann das nicht stoppen, aber du weißt was ich meine. Sie könnten den Brexit etwas angenehmer gestalten, weil ich glaube, dass wirklich viele Menschen davon betroffen sind, an die die britische Regierung gar nicht denkt. Vor allem viele Bauern in Nordirland wären davon betroffen.
 
 

Jolanda, 52, Niederlande

1. In dieser Gegend hier ist das Land sehr flach. Genauso wie in Holland. (lacht). Und auch in Frankreich gibt es Orte, wo es genauso flach ist wie bei uns zuhause. Nur die Häuser sind verschieden. Aber geographisch sieht es genauso aus. Die Menschen sind aber unterschiedlich. Holländer sind sehr offen und sozial. In Italien ist es eher schwer, wenn du nicht italienisch sprichst.
 
2. Eigentlich habe ich die Wahlen nicht so sehr verfolgt. Dadurch, dass wir im Ausland arbeiten, und zwar sieben Tage in der Woche, haben wir kaum Zeit, das zu verfolgen.
 
3. Hm... ich denke, dass die EU die Grenzen nicht so offen halten sollte. Denn es kommen so viele Menschen aus anderen Ländern. Viele Kriminelle. Daher wäre es besser, wenn nicht so viele Menschen kommen würden. Vor allem in großen Städten in unserem Land. Da gibt es viele, die alte Frauen schlagen, und ihre Handtasche klauen. Und das sind eigentlich immer Menschen aus dem Ausland.
 
 

Viktoria, 38, Deutschland

1. Etwas, das uns verbindet...hm.. also, ich würde sagen, dass alles so klein ist und doch irgendwie Eins, und auch alles so ein bisschen was individuelles hat, aber doch offen ist. Das finde ich schön.

2. Bei uns war es schon sehr präsent. Natürlich hat man sich jetzt mit der ganzen Umwelt- und Flüchtlingsthematik vielen Gedanken darüber gemacht, wie es wohl ausgehen wird. Und eigentlich ist es schade, dass es von Einigen doch so wenig ernst genommen wird.
 
3. Dass es wichtig ist, zusammen zu bleiben. Ich denke, dass man nur gemeinsam irgendwie voran kommen kann und auch mit gutem Beispiel vorangehen. Gerade was Umwelt betrifft, oder die Frage, wie man als Gemeinschaft mit Leuten umgeht, die in ihrer Heimat keine Möglichkeiten mehr haben. Dafür finde ich die EU toll. Vor allem weil sie entstanden ist, obwohl eigentlich vorher alles so getrennt war. Das hat eine Friedenszeit eingeleitet, und dafür finde ich die EU schon bewahrenswert.
 
 

Christian, 26, Kroatien

1. Es gibt einige Dinge im Alltag die ähnlich sind. Das Leben ist hier in Italien so ähnlich wie in Kroatien. Aber wir sprechen natürlich verschiedene Sprachen, die Menschen sind verschieden. Das mag ich. Ich war aber noch nie außerhalb von Europa, also kann ich das nicht so genau sagen.
 
2. Eigentlich beschäftige ich mich nicht so damit. Ich bin nicht so an Politik interessiert.
 
3. Naja, ich finde es gut dass die Grenzen offen sind. Dadurch kann man überall hin gehen, nur mit seinem Ausweis.
 
 

Fernanda, 64, Österreich

1. Naja, wir sind Tiroler, mit Südtirol und Nord-Italien haben wir sicherlich viel gemeinsam. Es wird ja auch viel in unserer Region zwischen Tirol, Südtirol und dem Trentino zusammen organisiert und gemacht. Im Süden hingegen ist die Mentalität schon etwas anders, würde ich sagen.

2. Bei uns war das sehr präsent, denn die Europawahl ist uns sehr wichtig.
 
3. Eine bessere Zusammenarbeit. Mehr Einigkeit beim Thema Migration, das ist sehr wichtig. Es kann ja nicht sein, dass nur in Italien Flüchtlinge ankommen, und das Land das allein regeln muss weil niemand anders sie will. Da muss sicherlich etwas passieren.
 
 

Narciso, 60, Italien

1. Ich glaube nicht, dass es eine gemeinsame europäische Identität gibt. Am Ende, was ich sehe, ist, dass jedes Land sehr nationalistisch denkt. Es sind zwar alles immer sehr nett und freundlich, aber eine gemeinsame Identität...nein.

2. Mich persönlich hat die Wahl interessiert, aber Viele nicht, habe ich das Gefühl. Es war eher eine italienische Wahl, wo es darum ging, für Salvini oder für Di Maio zu stimmen. Die Leute interessieren sich nicht genug, daher war die Wahlenthaltung auch so hoch.
 
3. Das ist eine schwere Frage. Ich denke, die EU muss globaler und gemeinschaftlicher denken. Das Problem ist aber, dass jede Nation ans eigene Land zuerst denkt, erst dann, falls möglich, schauen wir auch auf die anderen. Mir kommt die EU sehr verwirrt vor zur Zeit, um ehrlich zu sein. Außerdem ist die EU eine reine Wirtschaftsunion. Die Gesetze sind aber immer noch unterschiedlich, daher gibt es nicht genug Einigkeit. Die EU sollte eine politische Union werden, das würde mir sehr gefallen.