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Die Engagierte

So unerwartet wie Bolivien zu Sabrina kam, so intensiv bleibt die 37-Jährige dem Land verbunden. Langfristig verändern aber könne man nur dort, wo man auf Dauer lebt.
Sabrina Eberhöfer
Foto: Anna Mayr

Sabrina Eberhöfer ist 1984 in Schlanders geboren und in Laas aufgewachsen. Nach der Matura an der Handelsoberschule jobbte sie zehn Jahre lang im Gastgewerbe. An den Wunsch, Menschen im Globalen Süden zu unterstützen, erinnert sie sich, seit sie denken kann. Ende 2006 reiste sie zum ersten Mal in das OEW-Projekt nach Bolivien. Es folgten weitere drei Besuche in den folgenden Jahren. Nach ihrem Zivildienstjahr bei der OEW 2009 übernahm sie 2010 eine Mutterschaftsvertretung und arbeitete parallel im Gastgewerbe weiter. Beruflich definitiv umorientiert hat sie sich 2013. Sechs Jahre arbeitete sie bei der Caritas in Bozen und Mals, absolvierte in der Zeit nebenher ein Studium der Sozialpädagogik in Brixen. Nach der Geburt ihres Sohnes arbeitet sie jetzt als freiberufliche Sozialpädagogin. Seit drei Jahren ist Sabrina Eberhöfer ehrenamtliche Vorsitzende der OEW in Brixen.

 

Sabrina, Was war deine Motivation vor 15 Jahren, ins Ausland zu gehen?

Sabrina Eberhöfer: Von Klein auf hatte ich Helfen im Sinn. Doch dieser Urwunsch, in einem Land im Globalen Süden einfach zu helfen, wurde in der OEW stark hinterfragt. Bei den Vorbereitungstreffen habe ich verstanden, dass ich mich – jung, ohne Ausbildung und Berufserfahrung im sozialen Bereich – nicht so wichtig nehmen sollte. Der Überheblichkeitsgedanke, dass wir weiße Menschen den „armen“ Menschen helfen könnten und es dazu nichts Weiteres brauche als guten Willen, habe ich bald hinter mir gelassen. Armut und Mittellosigkeit der Menschen im Globalen Süden motivieren junge Europäer*innen oft dazu, sich in ein Abenteuer zu stürzen, in dem sie die Rolle von aufopferungsvollen Helfer*innen oder Held*innen spielen möchten.

Was hat diese Erkenntnis mit dir gemacht?

Die rassismuskritische Analyse meiner Erfahrungen in Bolivien hat teilweise zu anklagenden Verurteilungen und auch zu moralischen Schuldgefühlen geführt. Ich wurde in Bolivien fast als Heldin gefeiert. Umgekehrt würde eine junge bolivianische Frau, die nach Südtirol kommt, um in einer Einrichtung ein Praktikum zu machen, eher als Last empfunden. Das hat mit Rassismus zu tun. Als Europäerin stehe ich auf der Seite derer, die von Rassismus strukturell profitieren, die das Privileg des Reisens haben und an einem Praktikum teilnehmen können. Umgekehrt ist das nur selten der Fall.

Wie ist es dir beim ersten Aufenthalt in Bolivien gegangen?

Die ehemalige Projektleiterin brachte mich in den Randbezirk Champarrancho. Die Direktorin der dortigen Schule hat mich beauftragt, mit den Kindern zu spielen und später, Unterstützung für sie zu organisieren. Dabei ist 2007 ein Projekt entstanden, das es bis heute gibt. Ich bin mit zwölf Kindern gestartet, heute ist es ein Schulprojekt mit 100 Kindern. Sie bekommen Schulmaterialien, Bekleidung und Mahlzeiten und werden bei den Hausaufgaben und bei auftretenden Fragen zu Aufklärung und Werten begleitet.

 

Was war nach der Rückkehr deine Aufgabe in Südtirol?

Ich habe Vorträge gehalten und mit der OEW Aktionen geplant, um Spendengelder zu sammeln. Meine wichtigste Erkenntnis aus Bolivien ist allerdings, dass man nur dort nachhaltig etwas bewirken kann, wo man lebt. Langfristig verändern kann ich nur in Südtirol, nicht in Bolivien – unter anderem beim Konsum. Unser Konsumverhalten hat Auswirkungen auf den Rest der Welt.

Reflexion ist also das Wichtigste?

Nachdenken und Reflektieren ist in jeder Beziehung wichtig. Weil es für mich logisch ist, ist es das für andere noch lange nicht. Ich möchte nie sagen, dass ich eine Kultur wirklich verstanden habe, ich werde sie nie wirklich verstehen, aber das ist auch nicht das Wichtigste. Viel wichtiger ist, dass ich gelernt habe, offen zu sein für neue Denk- und Lebensweisen.

Du bist seit 16 Jahren in der Südtiroler Bolivien-Gruppe aktiv. Was gibt dir das?

Wir sind eine bunte Gruppe, die vom Gadertal bis in den Vinschgau reicht, von Sterzing bis ins Unterland. Wir treffen uns drei Mal im Jahr, planen gemeinsam, geben im Projekt Feedback, organisieren Spendenaktionen wie ein Benefizdinner mit geretteten Lebensmitteln oder ein Wattturnier.

 


Projekt & Projektort

Vida y Esperanza

„Vida y Esperanza“ unterstützt 60 Familien sowie 100 Kinder und Jugendliche im Viertel Champarrancho in Cochabamba. Die Kinder erhalten notwendige Schulmaterialien und werden im Projektzentrum bei den Hausaufgaben unterstützt. Außerdem werden ihnen und ihren Eltern Workshops zu Themen wie Selbstbewusstsein und Gewaltprävention angeboten. Die Familien erhalten finanzielle Unterstützung in Notsituationen.

Cochabamba in Bolivien, Südamerika

In den Randbezirken von Cochabamba leben zahlreiche Familien, die auf der Suche nach einem besseren Leben vom Hochland in die Großstadt gezogen sind. Viele haben keine abgeschlossene Schulbildung und sind teilweise Analphabet*innen. Deshalb können sie ihre Kinder bei Schulaufgaben oft nicht unterstützen. Die prekäre Arbeitssituation ermöglicht es vielen nicht, die Kinder zur Schule zu schicken.

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Karl Trojer Lun, 09/13/2021 - 09:46

Großartig, dass es so engagierte Menschen gibt !
Was wir ohne großen Aufwand und mit viel Wirkung auch tun können, ist , die hier schon lebenden und die noch ankommenden Flüchtlingen bei deren Integration zu unterstützen : Hilfen zu leisten bei der Abwicklung von bürokratischen Hürden, bei der Wohnungssuche und beim Vermitteln von Arbeitsplätzen. Durch gemeinsame, gesellige Treffen den Kontakt zu ihnen zu pflegen und auszubauen , ist sicher ein weiterer hilfreicher Schritt.

Lun, 09/13/2021 - 09:46 Collegamento permanente