Politica | Neues aus dem Westen

Fred Flintstone for President

Viele wollen Donald Trump als neuen U.S.-Präsidenten nicht ernst nehmen bzw. fürchten sich davor, weil er im Wahlkampf so richtig vom Leder gezogen hat.
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Foto: Facebook

Das darf doch nicht wahr sein, war die häufigste Reaktion. Wir sind medial so eindringlich in den Präsidentschaftswahlkampf in den U.S.A. verwickelt worden, dass die Distanz zu den Ereignissen verloren ging und es folgerichtig schien, jede Äußerung aus einem europäischen Blickwinkel auf die Waagschale zu legen, obwohl sie nicht an uns, sondern an die dortige Wählerschaft gerichtet war. Dennoch ist Europa gut beraten, die Botschaft ernst zu nehmen, die Donald Trump vermittelt hat. Er wird für die U.S.A. eine neue geostrategische und wirtschaftspolitische Positionierung vornehmen. Entgegen der angekündigten Rückführung zu alter Größe dient diese dazu, die Rolle der U.S.A. im Kartell der Großmächte neu zu definieren. Trump trägt damit den Entwicklungen Rechnung, wonach die U.S.A. auf globaler Ebene nicht mehr den alleinigen Führungsanspruch beanspruchen können. Das hat unweigerlich Auswirkungen auf militärische und wirtschaftliche Bündnisstrukturen. Aus europäischer Sicht ist es notwendig, die neue Lage ohne Beeinflussung durch Alpträume zu bewerten. Feindselige Vorwegnahmen künftiger nicht erwünschter Handlungsmuster des neuen U.S.-Präsidenten bewirken Irritation und beeinflussen das Gesprächsklima negativ. Daran halten sich die klugen Köpfe in den obersten politischen Etagen. Dass in der öffentlichen Diskussion konkrete Besorgnisse angesprochen werden, ist angesichts der „Wahlkampfsager“ nicht verwunderlich. Es muss aber auch die Bereitschaft da sein, bequeme europäische Renditepositionen in punkto Sicherheitspolitik auf den Prüfstand zu stellen. Im Schatten der U.S.A. war es leicht, Friedenssicherung zu betreiben. Trump meint, dass wir groß genug sind, um selbst auf uns zu schauen. Das bedeutet, dass wir auch die Risiken auf uns nehmen müssen, ist aber zugleich die Chance, aus dem Schatten der Großmacht herauszutreten und die europäische Identität zu festigen. Und das ist bekanntermaßen dringend notwendig.

Politik mit Marktmaßstäben betrachtet

Legen wir entsprechend der amerikanischen Markttradition ökonomische Maßstäbe In der Bewertung des U.S.-Wahlkampfs an: Marketing bezieht sich auf den Verkauf. Wie das Produkt aussieht, ist erst feststellbar, wenn es geliefert und ausgepackt ist. Und der Kundenservice ist viel banaler und nicht immer gleich zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Die Wahlforschungsexperten/-innen, Politikwissenschaftler/-innen und Marketingstrategen/-innen haben nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten erklärt, dass die hanebüchenen Aussagen des Kandidaten Trump nicht für bare Münze zu nehmen sind. Die Ankündigung der Mauer an der Grenze zu Mexiko, die Ausweisung von illegalen Einwanderern/-innen, das Verbot der Einwanderung für Muslimen/-innen, die Rückkehr zu Kohle und Kernkraft und der Ausstieg aus der Klimaverantwortung der zweitgrößten Verursachers weltweit, die Verdoppelung der Wirtschaftskraft und die Ankurbelung der amerikanischen Autoindustrie, das alles waren nur Spruchblasen, um einen heftig geführten Wahlkampf emotional aufzuheizen und Positionen Sichtbarkeit zu verleihen, die außerhalb des eingefahrenen politischen Mainstreams und des business as usual liegen.

Gelungen ist es ihm durch die Bank. Wobei zu bedenken ist, dass uns in Europa nur sehr oberflächliche und sensationsbetonte Einblicke in den Wahlkampf vermittelt wurden. Stets stand die Zuspitzung der Personalisierung im Vordergrund. Außerhalb der Fernsehkonfrontationen kamen Inhalte kaum vor, vor allem keine ernst gemeinten inhaltlichen Debatten zu wichtigen Themen für die Bevölkerung in den U.-S.A. Und selbst die Fernsehdebatten glitten schnell in einen Wettstreit der Beschuldigungen und der Unterminierung der Glaubwürdigkeit ab. Auf diesem Feld jedoch war Trump einfach besser, dank Wortgewalt und emotionaler Ausbrüche zur Untermauerung der eigenen Überzeugungskraft. Zweifel an der korrekten Vorgangsweise von Hillary Clinton im Zusammenhang mit der E-Mail-Affäre haben die Konfrontation um das Präsidentenamt in ein neues Licht gerückt. Es war klar, dass die Erschütterung der ethisch korrekten Vorgangsweise einer Amtsträgerin weit schwerer wiegen würde als Wissenslücken und unfaire Bodychecks ihres Widersachers.

Typische amerikanische Identitätsmuster

Wenn politische Wahlen als Frage der Identität und als Suche nach Identifikation aufgezogen werden, so funktioniert immer der Appell zum Schulterschluss, indem sozialer und ökonomischer Frust in einem patriotischen Taumel irgendwelchen schwarzen und roten Schafen oder den Einwanderern/-innen aufgebürdet wird. Erst wenn wer anderer Schuld ist, gelingt die Verbrüderung zwischen dem Multimilliardär und den armen weißen Schluckern/-innen und abgehalfterten Mittelschichtsvertretern/-innen. Make America great again, lautete der Slogan. Sie wissen also schon, dass sie nicht mehr die Größten sind. Da liegt es nahe, die alten Identifikationsmuster des typischen Amerikaners neu aufzunehmen, wie sie in den Filmen eben nicht gezeigt wurden, nämlich die des hemdärmeligen Cowboys, der die Wildnis besiegt und die Rothäute und das übrige Gesindel, das für den Bau der Eisenbahn herbeigerufen worden war und nun der ungebundenen Nutzung des Territoriums und der Bodenschätze im Wege steht.

Als krakelender Rüpel hat Trump die Spontanität und die Unbedarftheit der Gründerphase evoziert und sich auf das Abenteurer Präsidentschaftskandidatur eingelassen, gerade so, wie es Fred Flintstone getan hätte, mit großem Selbstvertrauen und ohne Scheu vor Fehlern. Try and try again. Und er hat Botschaften platziert, die die Wählerschaft gerne gehört hat, von den Steuersenkungen über die Verdoppelung der Wirtschaftskraft bis hin zur Ausmalung eines neuen amerikanischen Selbstbewusstseins, ganz in der Tonlage gehalten, dass jetzt endlich einmal auf die eigenen Interessen geschaut wird. Für viele dürfte es heimelige Solidaritätsgefühle ausgelöst haben, dass Trump wie Donald Duck in die Fettnäpfchen hineingelatscht ist, und zugleich den eigenen Traum von einem wohlverdienten besseren Leben genährt haben, dass dieser Donald eigentlich Millionär ist und mit Gulf Streams zu den Wahlkampfauftritten herumfährt.

Überschwappen des Populismus?

Beginnend mit den Präsidentschaftswahlen in Österreich und in Frankreich wird von einigen ein Zurückschwappen der durch Trump aufgeblähten Welle des Populismus nach Europa befürchtet. Das entspricht eigentlich mehr einer Gewohnheit der Medien, bedeutsame Ereignisse miteinander diskursiv zu verknüpfen. Tatsächlich sind die populistischen Politikstile jeweils für sich herangewachsen und die Wahlen in den U.S.A. waren seit jeher ein Beispiel dafür, wie Meinungsforschung und Marketing sowie die Personalisierung von Wahlen programmatische Inhalte in den Hintergrund schieben. In Europa wimmelt es inzwischen an Beispielen für das Überhandnehmen populistischen Machtstrebens, zuletzt hat sich der ungarische Ministerpräsident als solcher hervorgetan.

Berlusconi hoch erfreut

Italiens Altpremier Silvio Berlusconi dürfte sich über die Figur des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump unheimlich gefreut haben und über die Parallelitäten, die ins Auge fallen: Mit Trump ist es nun einem Millionär und Immobilienhai in den U.S.A. gelungen, sich als Newcomer durchzusetzen und als politischer Rookie des Jahrhunderts gegen den Widerstand von Demokraten und Republikanern als Präsident gewählt zu werden. Trump hat dieselben rhetorischen Strategien angewendet und, auch angesichts der Schwäche an Charisma und wirksamer politischer Botschaft von Hillary Clinton, mit markigen patriotischen und die political correctness konterkarierenden Sprüchen gerade die weniger gebildeten Leute auf seine Seite gezogen. Wie er selbst, wohl aber in dosierter Form, hat Trump die Familie als mächtige Botschaft persönlicher Vertrauenswürdigkeit, starken Rückhalts und persönlicher Erfolgsgeschichte als Trumpf ausgespielt. Vermutlich wird Berlusconi von einem Treffen mit Trump und Putin träumen, bei dem er selbst als italienischer Ministerpräsident oder Staatspräsident auftritt, dem Alter zum Trotz.