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Einsame Baustelle

Auf der Suche nach öffentlichen Baustellen? Der Autor Oswald Waldner hat sich in der Publikation "Kein Groschenroman" damit auseinandergesetzt.
Baustelle
Foto: Pixabay

Baustelle

ist die Stelle, wo gebaut wird. Steht der Bau, verliert die Stelle auf der Stelle ihre Daseinsberechtigung und ist keine Baustelle mehr, obwohl durchaus weitergebaut werden könnte oder müsste und häufig auch wird, wenn etwa Mängel oder Fehler in der Planung oder gar schon erste Schäden feststellbar sind.
Es gibt öffentliche und es gibt private Baustellen. Gegen privates Pech gibt es Versicherungen. Wirft mich Radfahrer ungewarnt ein Loch im öffentlichen Asphalt auf die Straße, könnte ich Glück gehabt haben und fündig werden, zumindest was die Suche nach Verantwortlichkeit angeht.

Menschen, die Verantwortung für das Gemeinwohl übernommen haben, neigen bisweilen dazu, gerade dann besondere Aktivität zu entwickeln, wenn sie merken, einem Irrtum aufzusitzen, der sie das Gesicht kosten könnte, so es ruchbar würde.

Nun gibt es Menschen, die wollen partout Verantwortung übernehmen, sind also auf der Suche nach öffentlichen Baustellen. Sie halten ihre Fahne hoch und rufen dazu auf, die Leute sollen sich hinten anstellen und mitmarschieren, denn wo die meisten sich versammeln, da wohnt die Wahrheit. Weil sich aber auch andere auf ähnliche Weise der öffentlichen Hand andienen, kann es zu Zweigleisigkeiten, Überschneidungen, Widersprüchen, zu Durcheinander, ja zu völligem Stillstand kommen. Es gibt Baustellen, wo gar nicht mehr gearbeitet wird, die so gesehen gar keine richtigen Baustellen mehr sind, obwohl sie es in Wahrheit jetzt erst recht wären.
Wer will bauen an der Straßen, der muss die Gscheiten und Narren reden lassen. Menschen, die Verantwortung für das Gemeinwohl übernommen haben, neigen bisweilen dazu, gerade dann besondere Aktivität zu entwickeln, wenn sie merken, einem Irrtum aufzusitzen, der sie das Gesicht kosten könnte, so es ruchbar würde. Also sind sie ab sofort ständig auf der Baustelle anzutreffen, als wäre es eine Brandstelle, hegen sie mit blickdichten Zäunen und Mauern ein, stehen an den Schießlöchern und schicken Pfeile versus Andersversteher, ja es gelingt sogar das Kunststück, die Menschen zu zwingen, sich freiwillig dem Holzweg zu fügen, der ins totale Desaster führt. Die Energie und die Gewissheit über die Richtigkeit des Vorhabens schöpfen sie aus der eigenen Blindheit, gepaart mit Sturheit, und den bisherigen Opfern, die nicht umsonst gewesen sein dürfen.

Kinder tragen das Schöpferische in sich, sie sind dem Göttlichen ganz nah.

Eine der einsamsten Baustellen bewohnen jene, die sich der Sprache verschrieben haben und damit auch dem, was sich durch sie ausrichten, mit ihr anrichten oder anstellen lässt. Anrichten erinnert an Gericht, ein Wort, selbst mehrdeutig, das an Küche oder Recht denken lässt. Anstellen taugt wie ausrichten zu allerlei. Jemand stellt sich dumm an, einer hat etwas angestellt und muss dafür büßen, einer anderen wird ausgerichtet, sie möge sich auf dem Bittgang um Förderung hinten anstellen. Allein die paar Wörter zeigen auf verwirrende Weise die Vielfalt der Baustellen und machen deutlich, auf welchem Boden sich die schreibende Zunft befindet. Auch diese Menschen lieben Baustellen und sie wollen sich nicht aus ihrer Spielwiese vertreiben lassen. Sie spielen mit der Mehrbödigkeit, den eindeutigen Mehrdeutigkeiten der Sprache wie die Karikatur, wenn sie die Sprache beim Wort nimmt, sie setzen in Erstaunen und verwirren. Künstlerische Menschen sind spielende Kinder. Kinder tragen das Schöpferische in sich, sie sind dem Göttlichen ganz nah.