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Gibt die Bau-Branche die Schaufel ab?

Energiemangel, Inflation und Materialknappheit machen der Baubranche schwer zu schaffen. Experte Joost Nieuwenhuijzen über die Situation und den Klimahouse Congress BZ.
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Foto: (c) pixabay

Am 10. und am 11. März findet in der Messe Bozen der „Klimahouse Congress 2023“ statt. Im Zentrum des Kongresses stehen aktuelle Probleme und Themen des Baubereichs, so wie etwa die angespannte Situation auf dem Energiemarkt, die allgemeine Materialknappheit oder das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden. An beiden Tagen beginnt der Kongress mit einem Hauptvortragenden, der anhand einer Keynote-Präsentation das Thema einleitet. Während sich der erste Tag unter anderem auf die Rolle des Bauwesens in der Energiefrage und die Förderung von Effizienz und Erneuerbarem fokussiert, dreht sich der zweite Tag vor allem um qualitatives Wohnen für alle und um nachhaltiges und komfortables Wohnen zwischen Sozialbau und Innovation.

Hauptvortragender am zweiten Tag, also am 11. März, ist der Niederländer Joost Nieuwenhuijzen. Nieuwenhuijzen ist Direktor der „European Federation of Living“, ein Netzwerk aus über 70 europäischen Organisationen, die alle, staatlich oder privat, im Wohnbausektor tätig sind. Ziel der Organisation ist es einerseits, einen Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern zu den Themen Nachhaltigkeit und Innovation zu generieren, andererseits aber auch der jungen Generation Einblick in die Immobilien-Branche zu bieten: „Einmal pro Jahr bieten wir so jungen Interessierten eine Sommerschule an, bei der sie eine Woche lang zum Thema Wohnungswesen diskutieren und Spiele veranstalten. Auch die soziale Agenda ist uns sehr wichtig!“, erklärt Nieuwenhuijzen.

Die Bau-Branche muss sich laut dem EFL-Direktor zurzeit verschiedenen akuten Problemen stellen: „Wäre der Klimahouse Congress in Bozen vor zwei Jahren abgehalten worden, wären die Themen ganz andere und vermutlich viel optimistischer, so aber gewinnt der Event eindeutig an diskutablen Themen“. Gründe dafür gibt es viele. So hat unter anderem die Offensive, welche Russland vor fast einem Jahr in der Ukraine gestartet hat, die Bau-Branche in eine verzwickte Situation gebracht. Aufgrund der Sanktionen gegen Russland müssen sich die europäischen Staaten in puncto Energie und Gas neu definieren, hinzu kommt die Inflation, welche bereits seit dem Beginn der Corona-Pandemie weltweit ein Dilemma ausgelöst hat. Parallel zu diesen kurzfristigen, noch unbeantworteten Fragen bahnt sich langsam, aber gewiss eine Materialknappheit an, welche die ganze Bau-Branche umzustülpen vermag: „Vor einem Jahr waren viele Experten noch optimistisch, das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, locker einhalten zu können. Nun scheint das schon schwerer“, sagt Nieuwenhuijzen. Es braucht nämlich laut dem Bau-Experten Investitionen, um Gebäude klimaneutral zu machen. Aufgrund der Krise will jedoch zurzeit niemand große Investitionen wagen. Nieuwenhuijzen erwähnt hierbei etwa den nordrhein-westfälischen Bauriesen „Vonovia“, der aufgrund der heiklen Situation alle Investitionen der nächsten zwei Jahre auf Eis gelegt hat. Diese akuten Probleme haben aber laut Nieuwenhuijzen auch gute Seiten: „Not macht erfinderisch. Gerade in Zeiten wie diesen suchen die Leute stark nach Innovationen und Ideen“. Genau solche Innovationen könnten der Rettungsring für eine Branche sein, die momentan in einem Tief steckt.

„Wir müssen lernen, billiger, aber dennoch qualitativ zu bauen. Das ist die Lösung, der Weg dorthin bleibt zu entdecken“ – Joost Nieuwenhuijzen

Auch im öffentlichen Sektor spiegelt sich dieses Zögern wider, viele der Staaten investieren zurzeit lieber in die Rüstungsindustrie als in den Bausektor. Der Preis für das Bauen und Renovieren von Sozialbauten steigt also, das Budget jedoch nicht. Auch der Sozialbau ist ein Thema, das Nieuwenhuijzen in seinem Vortrag am 11. März aufgreifen wird: „Sozialbauten sind Gebäude, welche durch ein öffentliches Amt finanziert werden. Das Ziel solcher Ämter ist es, allen Bürgern qualitatives Wohnen anzubieten, auch jenen, die über keine großen finanziellen Mittel verfügen“, erklärt der Immobilien-Experte. Interessant hierbei ist, dass sich die Strategien der EU-Staaten bzgl. des Sozialbaus stark unterscheiden.

Sogar innerhalb der Staaten findet man teils erschreckende Differenzen: „Mit der EFL organisieren wir regelmäßig Studienreisen nach Italien, vor einiger Zeit haben wir uns den Sozialbau-Sektor in Mailand angesehen, die Wohnungen dort sind in einem sehr schlechten Zustand. Die Provinz Bozen hingegen investiert mehr in die Sozialbauten, hier findet man teils echt moderne energieeffiziente Gebäude“. In seinem Vortrag wird Nieuwenhuijzen die Strategien der verschiedenen europäischen Länder genauer erläutern und auch näher auf die politischen Maßnahmen der Staaten zur Förderung der Nachhaltigkeit und zur Erreichung der europäischen Ziele im sozialen Wohnungsbau eingehen. Denn der „Europe Green Deal“, also das Ziel Europas, klimaneutral zu werden, sei laut Nieuwenhuijzen in der Bau-Branche noch nicht abgeschrieben: „Städte wie Malmö oder Kopenhagen sind Vorreiter in der Energieeffizienz und könnten es sogar schaffen, bis 2030, als 20 Jahre vor EU-Frist, klimaneutral zu werden.

Es ist von zentraler Bedeutung, dass EU-Staaten Kooperationen wie die EFL nutzen, um von anderen Staaten zu lernen und so mit dem Fortschritt anderer mithalten“, erklärt der Bau-Experte. Die Lage sei laut Nieuwenhuijzen momentan kritisch und auch renommierte Wirtschaftswissenschaftler sehen noch kein Licht am Ende des Krisentunnels, aber irgendwann werde es sicher wieder bergauf gehen: „Vonseiten der EU besteht der starke Wille, die Klimaziele zu erreichen. Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem Häuser, welche nicht klimaeffizient gebaut sind, nicht mehr vermietet werden dürfen. Es wird viel Geld kosten, diese Häuser klimagerecht zu renovieren, dies ist aber notwendig. Von diesen Investitionen werden die Bau-Branche und am Ende auch die Bevölkerung stark profitieren!“.

„In der EU haben wir den Vorteil, kooperieren zu können. Staaten sollten auf andere schauen und dort funktionierende Methoden auch bei sich anwenden“ – Joost Nieuwenhuijzen

Eine schwere Zeit für den Bausektor also, eine Phase, in der Ressourcen knapp und Ideen erwünscht sind. Nieuwenhuijzen zeigt sich aber optimistisch: „Ja, die Situation momentan ist alles andere als entspannt. Die Kosten sind hoch, viele fragen sich, ob man Strom, Heizung und Miete auf diese Weise noch lange stemmen kann. Genau deshalb sind innovative Lösungen so notwendig und genau deshalb wird auch stark danach gesucht. Das kann man schon nur daran erkennen, wenn man beobachtet, wie großflächig sich die EU für alternative Energieressourcen bemüht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Lösungen gefunden werden“. Alles gute Zutaten für einen Klimahouse Congress, in dem nicht nur über Ziele und entfernte Jahreszahlen gesprochen wird, sondern auch über konkrete Probleme unserer Zeit. Weitere Informationen zum Event und Angaben zu Ticketpreisen finden sich auf der Homepage des Klimahouse Congress.

Alle Zitate sind aus dem Englischen übersetzt.
Interview: Nathanael Peterlini

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Josef Fulterer Sab, 02/18/2023 - 06:40

Das TREMONTI-GESETZ und die inzwischen sogar auf 110 % hinauf-geschaukelten BAU-GEWERBE-ANSCHUB-HILFEN, haben mehr als genug Verwerfungen und Firmen-Pleiten verursacht.
Bleibt nur zu hoffen, dass "BESSER-ÜBERLEGT" gebaut wird und die Preise für Baumaterial, samt Lieferbedingungen sich nun wieder "normalisieren."

Sab, 02/18/2023 - 06:40 Collegamento permanente