Politica | Politischer Suizid

Eine Partei zerlegt sich selbst

Ungläubig schauen heute Viele in Richtung der Freiheitlichen. Es ist wirklich verwunderlich daß eine Partei die angesichts der politischen Lage über mehr Zuspruch verfügen müßte nicht nur daraus nichts machen kann sondern sich nun im Vorfeld der Landtagswahlen auch selbst zerlegt. Was und wer ist die Schuld? Der Versuch einer Erklärung.
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Foto: © Oswald Stimpfl

Ungläubig schauen heute Viele in Richtung der Freiheitlichen. Es ist wirklich verwunderlich daß eine Partei die angesichts der politischen Lage über mehr Zuspruch verfügen müßte nicht nur nichts daraus machen kann sondern sich im Vorfeld der Landtagswahlen nun auch selbst zerlegt. Was und wer ist die Schuld? Der Versuch einer Erklärung.

Meiner Ansicht ist es in erster Linie ein Problem der Führung. Ich halte Frau Mair wegen ihres politischen Stils nicht für geeignet eine Partei zu führen; daneben macht die ganze Partei den Fehler daß sie bei der Erstellung der Kandidatenliste für die Landtagswahl im Herbst wie andere Südtiroler Parteien nicht neue Wege beschreitet. Daneben hat die FH auch thematische und sagen wir mal 'gesellschaftliche' Probleme. Aber beginnen wir mal mit der Spitze.

Frau Mair scheint sich in ihrer Partei langsam zu dem zu entwickeln was Biancofiore in ihrem politischen Ambiente ist; die die das Ganze zerlegt und um sich herum wenig mehr als verbrannte Erde schafft. Ich habe in der vorvorletzten ff das interessante Thema 'Chefs und Führung' gelesen; Führung ist etwas was Frau Mair offensichtlich nicht kann zumal ihr jegliches Fingerspitzengefühl dafür abzugehen scheint. Wer im Jahre 2013 glaubt man könne an der Spitze quasi schalten und walten wie man will; einsame Entscheidungen treffen und Bezirke und Jugend am Nasenring durch die Manege führen, der hat aus meiner Sicht heutige Partei- und Bewegungsarbeit nicht verstanden. Aus Sicht der FH wäre es besser Pius Leitner würde den Vorsitz wieder übernehmen; noch sind es ja 6 Monate bis zur LTW. Will die FH wachsen braucht sie auch kritische Geister und kompetente Sachpolitiker und Querdenker; die 'Schärfe' der Spitze sorgt aber dafür gerade diese Leute abzuschrecken. Die Partei bewegt sich aber in die andere Richtung und wie es heute aussieht könnte ihr sogar Konkurrenz erwachsen.

Damit verbunden ist der zweite Problemkomplex. Die Freiheitliche Spitze macht mit ihrer straffen Führung und ihrer Intolleranz gegenüber Andersdenkenden und anderen Meinung innerhalb der Partei genau das Gegenteil von dem mit dem die anderen Parteien erfolgreich sind: Basiswahlen und ähnliche 'verbreiterte' Auswahlverfahren. Die SVP haben sie bereits hinter sich; die Grünen haben damit erst unlängst begonnen und auch die STF hat ein demokratisches 'casting' und Auswahlverfahren. Nur Leute wie Frau Mair scheinen zu glauben daß man mit weitgehend diskussionsbefreiter 'straffer Führung' im Jahre 2013 Erfolg haben kann; das ist aber wohl nicht möglich und wird zurecht weder von Bezirken noch von anderen Organisationen, geschweige denn von der Jugend akzeptiert. Ulli Mair zerlegt heute das was Pius Leitner jahrelang mühevoll aufgebaut hat. Wenn sie so weitermachen bliebt im Herbst nur mehr der harte Kern(den Frau Mair ja verbal so gut vertritt) übrig; der Rest könnte sich mit Grausen abwenden. 

Zuletzt noch ein paar 'gesellschaftliche' Gedanken. Da den Freiheitlichen das fachliche und moderate Personal immer stärker abhanden kommt werden sie im Herbst wohl verstärkt auf ihre freistaatlichen und migratorischen Kernthemen setzen. Das sind auch die Themen mit denen die Freiheitlichen früher so erfolgreich waren; aber heute? Und vor allem: Kann eine Partei mit nur solchen Themen wachsen und neue Schichten ansprechen?

Gerade aber die letzten Parlamentswahlen haben aber gezeigt daß mit einem Ethnowahlkampf wie er besonders auch im Senatswahlkreis Bozen-Unterland geführt wurde immer weniger zu holen ist; das hat selbst in den deutschesten Dörfern nicht funktioniert. An der FH Spitze scheint man sich bis heute vor einer korrekten Wahlanalyse zu drücken. Die Südtiroler Gesellschaft verändert sich langsam; der Raum für reine Ethnothemen wird eher kleiner als größer; da ist selbst in sonst freiheitlichen Gebieten ein perfekt deutsch sprechender und fachlich kompetenter Italiener wählbarer als ein unbekannter freiheitlicher Kandidat. Gerade in einem Moment wo fachliche Kompetenz immer wichtiger wird setzt die freiheitliche Spitze auf emotionale Themen wie die Utopie von einem Freistaat und das Thema Migration. Gerade aber der Freistaat wurde rechtlich und politisch erst letzte Woche von fachlich höchst kompetenter Seite(Prof. Hilpod Universität Innsbruck) zusammen mit dem Sezessionismus allgemein ins Reich der Utopien verfrachtet; ich denke auch einmal kaum daß eine Utopie im Herbst eine Rolle spielen wird. So gesehen fehlen den Freiheitlichen für den Herbst zum Teil nicht nur die Leute(Thomas Egger wäre einer gewesen) sondern auch die (Sach)Themen. Erfolgreich können mA aber die Freiheitlichen nur sein wenn sich zu den Kernthemen neue hinzugesellen; nur so lassen sich moderate Bürger und Wähler erreichen die nicht zur Freiheitlichen Kernwählerschicht gehören.

Die FH geht aber in eine andere Richtung. Heute stehen sie vor einem politischen Scherbenhaufen und der Abspaltung gerade jener Leute die sie so nötig brauchen würden.

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Benno Kusstatscher Lun, 05/13/2013 - 22:15

Martin, Du klingst geradezu enttäuscht, ja so, als ob Du vor Eggers Abgang Hoffnung gehabt hättest, dass die FH sich als eine breite "Volkspartei" hätte etablieren können. Du, als bekennender Freistaat-Gegner, Du, der in Ausländern in erster Linie Menschen siehst, wie konntest Du so viel Hoffnung ansammeln und so viel "Programm" in auch nur annähernd Deinem Sinne erwarten?

Oder ist es vielmehr so, dass Dir panisch wird, wenn diesem Land der Oppositionsfleiß der FH bei Selbstauflöung verloren geht?

Lun, 05/13/2013 - 22:15 Collegamento permanente
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Martin Geier Lun, 05/13/2013 - 22:42

In risposta a di Benno Kusstatscher

ES ist nie schön das anzusehen. Prinzipiell halte ich Wandel immer für möglich. Die Freiheitlichen hatten im Prinzip eine zeitlang die Chance und personell (mit Egger und Tinkahauser) auch die Möglichkeit sich von ihren Kernthemen weg zu einer moderateren sagen wir mal konservativen-liberalnationalen Partei zu entwickeln. Die Chance die eigene Basis zu erweitern wurde versäumt. Erfolgreiche Parteien wandeln sich und passen sich an. Ich bin politisch in den 80ern großgeworden. Kann mich noch erinnern wie die Mehrheitspartei damals war; und wie ist sie heute? Der Schritt sich mit dem PD an einem Tisch zu setzen war sehr mutig und wurde speziell auch von den Freiheitlichen (wie von den Sezessionisten allgemein) politisch sehr hart kritisiert. Die Watschn die sie speziell im Unterland erhalten haben hat bei denen keine Denkprozesse ausgelöst. Und ja; als überzeugter Autonomist kann ich nur Gegner des Freistaats und anderer(sind sie überhaupt anders?) Sezessionsmodelle sein. Nichtsdestotrotz bemühe ich mich als 'politischer Beobachter' etwas Distanz zu wahren. Aber summa summarum; die Freiheitlich sind(waren?) die Hauptkonkurrenz der SVP; die zerlegen sich nun selbst und angesichts eines attraktiven LH Kandidaten Kompatscher wird es für alle sehr hart. Die sachliche Oppositionsarbeit(meine nicht den ganzen Freistaatsschmarrn)hat bei den FH praktisch Thomas Egger gemacht. Meiner Ansicht haben die FH nur mit fleißiger und sachlicher Oppositionsarbeit eine Chance größere Wählerschichten anzusprechen. Aber zuletzt; bzgl. den Freiheitlichen allgemein(oder besser wie sie sich heute darstellen) bin ich nicht enttäuscht wenn sie sich selbst zerlegen. Natürlich gibt es hier auf salto bereits erste VTs nach der andere ihre Finger da mit drinnen haben; aber meiner Ansicht(und das wollte ich mit den 3 Punkten im Blogeintrag darlegen) haben sich die FHler selber versenkt.

Lun, 05/13/2013 - 22:42 Collegamento permanente