Politica | Direkte Demokratie

Aus für zarte Blume der Partizipation

Die Mehrheit im Landtag kippt bestätigendes Referendum. Opposition spricht von schlechtem Zeichen für Demokratie und mangelndem Vertrauen in die Bürger.
Südtiroler Landtag
Foto: Seehauserfoto

Die attische Demokratie dient heute gemeinhin als ein Vorläufer direktdemokratischer Beteiligung. Im antiken Athen waren allerdings nicht alle Bewohner befugt, von den Vorzügen politischer Partizipation Gebrauch zu machen - darunter Frauen und Sklaven. Nun sollen auch in Südtirol die Hürden für Plebiszite wieder angehoben werden, wittert die Opposition. Die Mehrheit argumentiert mit Bedenken in Bezug auf Verfassungskonformität und möglichen Dauerblockaden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am Freitag im Landtag debattiert und schließlich auch mit 18 Ja- und 15 Nein-Stimmen verabschiedet.

Konkret geht es um eine Novellierung des Landesgesetzes (2018/22)  „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung“,  sowie des Landesgesetzes vom 8. Februar 2010, Nr. 4, „Einrichtung und Ordnung des Rates der Gemeinden“, auf den Weg gebracht von Josef Noggler, einstmals selbst federführend an der Ausarbeitung des ursprünglichen Gesetzes zur direkten Demokratie, das eine Reihe von partizipativen Elementen der Bürgerbeteiligung vorsieht. 

 

Darunter auch jenes des bestätigenden Referendums, das gestern im Zentrum der Debatte stand. Die Mehrheit beruft sich auf notwendige Anpassungen sprachlicher und technischer Natur, sowie Bedenken in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit, da es lediglich 300 Bürgern und Bürgerinnen möglich sei, das Verfahren für eben dieses bestätigende Referendum für Gesetzesvorhaben, die nicht mit einer Zwei-Drittel Mehrheit verabschiedet werden, zu initiieren. Es drohen laut Noggler mehrjährige Blockaden, während die Zeit der Pandemie eigentlich deutlich gemacht haben sollte, dass eine schnelle Gesetzgebung nötig sei.

 

Keine Sternstunde der Demokratie

 

Die Vertreter der Opposition sahen das freilich geschlossen anders. Von einem Trauerspiel für Politik und Demokratie, gar einer Entrechtung der Bürger, sprach Myriam Atz Tammerle (Südtiroler Freiheit). Sie warf Carlo Vettori - der mit seinem Änderungsantrag die Streichung des bestätigenden Referendums wieder ins Spiel brachte, nachdem dieses im Gesetzgebungsausschuss noch verhindert werden konnte – vor, die erste zarte Blume der Bürgerbeteiligung zu rupfen.

Die Grüne Brigitte Foppa, Mitinitiatorin des damaligen parteiübergreifenden Gesetzentwurfs, sprach auf Twitter von einem „beschämenden Moment für unsere Demokratie“ und kritisierte zudem die drohende Beschneidung des Bürgerrats. Auch ihr Parteikollege Riccardo dello Sbarba mahnte, man müsse eine derartige Gesetzesänderung, die mit breiter Bürgerbeteiligung entstanden sei, „behutsam und mit Verantwortung“ vornehmen. 

 

 

Alessandro Urzì  (Fratelli d’Italia) sprach von einem schlechten Signal für die Demokratie und Alex Ploner (Tean K) betonte, dass die direkte Demokratie auch vom Vertrauen in die Menschen lebe, das man nun verspiele. Paul Köllensperger sah den positiven Effekt der direkten Demokratie darin, dass sie den Gesetzgebungsprozess bereits im Vorfeld beeinflusse, der Druck zur Zweidrittelmehrheit dränge zum Kompromiss. Schießlich plädierte auch Sandro Repetto (PD) für eine Dialog zwischen den Parteien. Er selbst sei deshalb nie auf die Idee gekommen, das Instrument auszunutzen.

Für den Obman der Freiheitlichen, Andreas Leiter Reber ist indes klar: Wenn man sehe, dass diese Bestimmung nicht funktioniere, weil alle paar Wochen Volksabstimmungen beantragt würden, dann könne man das Gesetz ändern. Auch laut ihm gelte es, den Menschen Vertrauen entgegenzubringen.

 

Die Repliken der Mehrheit

 

Magdalena Amhof (SVP), die wie Foppa und Noggler an der ursprünglichen Ausarbeitung des Gesetzes maßgeblich beteiligt war, und sich in der Abstimmung um das bestätigende Referendum ihrer Stimme enthielt, bekräftige, dass die direkte Demokratie eine Ergänzung und kein Ersatz für die repräsentative Demokratie sei.

Als Retter der Demokratie sah sich hingegen Carlo Vettori (Forza Italia Alto Adige Südtirol), der die 300 Unterschriften zur Blockade eines Landesgesetzes als wenig erachtet, die Regelung führe gar ins Chaos. Jede Mehrheit müsse laut ihm die Möglichkeit haben, Gesetze voranzubringen. 

 

Landeshauptmann Arno Kompatscher hingegen wies darauf hin, dass das Gesetz, das er selbst verabschiedet hatte, einige Fehler aufweise. Deshalb sei eine Abänderung dringend notwendig. Den Streichungsantrag von Vettori hält Kompatscher für nachvollziehbar und richtig. Diese Bestimmung sei verfassungswidrig, so Kompatscher, was auch das Gesetzgebungsamt des Regionenministeriums bestätigte. Das Autonomiestatut sehe lediglich das abschaffende Referendum vor, nicht das bestätigende. Dennoch sei er überzeugt, dass es die Bürgerbeteiligung brauche.