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Die vergessenen Millionen

300.000 Euro soll die Kanzlei Brandstätter in den vergangenen zehn Jahren vom Land und seinen Gesellschaften erhalten haben. In Wirklichkeit sind es aber gut 2 Millionen.
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Foto: Studio Brandstätter
Dass diese Summe nicht stimmen kann, liegt auf der Hand“, sagt Paul Köllensperger. Der Landtagsabgeordnete der 5-Sterne-Bewegung hat eine mehrere Seiten lange Liste in der Hand. Es ist die Antwort auf eine Landtagsanfrage, in der es um einen politisch brisanten Hintergrund geht.
Köllensperger wollte wissen, welche Aufträge und Gelder die Kanzlei Brandstätter in den vergangenen zehn Jahren von der Landesverwaltung erhalten hat. Die Frage war dabei so formuliert, dass auch alle Landesgesellschaften und Körperschaften hineinfallen sollten.
Köllensperger Frage:
 
„Si interroga l´assessore competente per disporre di una tabella indicante quanti e quali appalti, studi, progetti, consulenze ha ottenuto lo studio legale Brandstätter dalla Provincia autonoma di Bolzano e dalle sue agenzie, nonché enti e società controllate e partecipate o in controllo pubblico negli ultimi dieci anni ad oggi 14 luglio 2017. Si chiede di fornire i dati organizzati in un elenco con data dell'assegnazione, importo, descrizione del progetto, tipo di assegnazione (diretta, gara appalto, procedura negoziata).“
 
Gerhard Brandstätter ist nicht nur der Kopf einer der renommiertesten Südtiroler Rechtsanwaltskanzleien, der langjährige Präsident der Stiftung Sparkasse und aktuelle Präsident der Sparkassen AG, war auch über ein Jahrzehnt lang Chef der SVP-Wirtschaft. Brandstätter war zudem viele Jahre lang einer der wichtigsten Berater des Landes und seiner Gesellschaften.
Vor diesem Hintergrund stellte Paul Köllensperger eine Landtagsanfrage. Dass die Antwort, die er jetzt bekommen hat, für den Landtagsabgeordneten nicht zufriedenstellend ist, hat einen einfachen Grund. Die Antwort unterschlägt weit mehr als sie sagt. Und sie macht deutlich, wie bauernschlau mancher in der Landesverwaltung sein kann, wenn es um gewisse Themen geht.
Die Antwort macht deutlich, wie bauernschlau mancher in der Landesverwaltung sein kann, wenn es um gewisse Themen geht.
 

Die Antwort

 
Laut Antwort, die von Landeshauptmann Arno Kompatscher unterzeichnet wurde, hat die Kanzlei Brandstätter zwischen Juli 2007 und Juli 2017 insgesamt 66 Aufträge vom Land bekommen. Davon sind 62 direkte Vergaben. Vier Aufträge wurden per Verhandlungsverfahren (procedura negoziata) vergeben.
Nur drei dieser Aufträge stammen direkt von der Landesverwaltung. So erhielt die Kanzlei Brandstätter für ein Rechtsgutachten zur Reorganisation der Garantiegenossenschaften 2007 vom Amt für Handwerk 20.555 Euro und vom Mobilitätsamt für Gutachten zum Fahrsicherheitszentrum in der Frizzi Au 2007 8.675,10 Euro und 2008 11.979,90 Euro.
Dazu kommen noch Aufträge von Landesgesellschaften BLS (29.701,21 Euro), Messe Bozen (1.208,56 Euro), Alperia (2.400 Euro), SMG (17.726,66 Euro) und TIS (11.968,34 Euro).
Den deutlich höchsten Posten zahlte die Südtiroler Transportstrukturen AG (STA): 194.159,41 Euro.
Damit hat die Kanzlei von Gerhard Brandstätter zwischen 2007 und 2017 insgesamt 298.474,18 Euro vom Land erhalten.
 

Der Schönheitsfehler

 
Diese Rechnung hat aber einen eklatanten Schönheitsfehler. Sie unterschlägt die wirklich großen Summen, die die Kanzlei Brandstätter in den vergangenen zehn Jahren erhalten hat.
Gerhard Brandstätter hat als Rechtsberater der SEL AG zwischen 2005 und 2011 vier große Operationen begleitet und dafür ein Honorar von insgesamt 1.543.530 Euro kassiert.
Detailliert aufgeschlüsselt hat die Kanzlei des SVP-Wirtschaftschefs für die Operation „Delmi-Edison“ 613.530 Euro, für den Deal „Edison-Hydros“ 490.000 Euro, für die Verhandlungen „Enel-SE-Hydropower“ 280.000 Euro und für die Übernahme des Stromnetzes und die Gründung der „SELnet“ 160.000 Euro in Rechnung gestellt und auch erhalten. Mindestens drei dieser Deals wurden erst nach 2007 abgeschlossen.
 
Dass diese Beträge in der Antwort an Köllensperger nicht vorkommen, kann man nicht damit entschuldigen, dass es die SEL AG inzwischen nicht mehr gibt. Denn die Alperia ist in jedem Sinn der Rechtsnachfolger der SEL. Genauso wie es die IDM für das TIS und die SMG ist. Und das ist in der Antwort dann auch genau so angegeben.
Man tut sich deshalb schwer an ein Versehen zu glauben.
 

Verteidiger Brandstätter

 
Kommt man so auf knapp 2 Millionen Euro, so dürfte die Summe, die die Kanzlei Brandstätter in den vergangenen zehn Jahren erhalten hat, noch einmal deutlich ansteigen. Der Grund: In der Aufstellung fehlen die Rückzahlungen der Anwaltsspesen.
Werden öffentliche Beamte in der Ausübung ihres Amtes angeklagt und dann rechtskräftig freigesprochen, haben sie Anrecht auf Rückerstattung ihrer Anwaltskosten von Seiten des Landes. Diese Regelung gilt genauso für Mitglieder der Landesregierung.
Die Anwaltssätze sind dabei nach Tarif der Anwaltskammer durch ein Ministerialdekret vom März 2014 festgelegt. So etwa beläuft sich nach diesem Dekret das Honorar und der Spesenersatz bei einem Strafprozess, der über drei Instanzen geht, bei rund 45.000 Euro.
Gerhard Brandstätter ist der Vertrauensanwalt von Luis Durnwalder und Michl Laimer. Er vertritt die ehemaligen SVP-Politiker in allen Verfahren vor dem Landesgericht und auch vor dem Rechnungshof. Ebenso nahm der ehemalige Landesrat Thomas Widmann mehrmals die Dienste der Kanzlei Brandstätter in Anspruch. Diese Kanzlei verteidigte auch mehrere hohe Landesbeamte.
Fast alle freigesprochenen Angeklagten haben das Recht auf Rückerstattung in Anspruch genommen. Wie hoch dabei die Rechnungen der Kanzlei Brandstätter sind, ist bisher ein gut gehütetes Geheimnis.
Auch diese Zahlungen wurden in der Antwort nicht aufgeführt. Sie würden aber ein klares Bild zeichnen, wieviel an Steuergeldern im vergangenen Jahrzehnt in die Kanzlei von Gerhard Brandstätter geflossen ist. "Ich werde nicht aufgeben, sondern verlange, dass ich alle Summen bekomme",  sagt Paul Kölllnsperger.
Sicher ist: Sollte die Kassation die Freisprüche von Luis Durnwalder und Michl Laimer bestätigen, wird noch Einiges zu den 2 Millionen Euro dazukommen.