Economia | Betriebsabkommen

"Kein konstruktiver Beitrag“

Ist ein Betriebsabkommen tatsächlich ein Indikator für bessere Arbeitsbedingungen? Industriellen-Präsident Giudiceandrea schießt gegen das Arbeitsförderungsinstitut AFI.
Federico Giudiceandrea
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„Una marcia in più“ haben Betriebe in Südtirol, wenn sie ein Betriebsabkommen abgeschlossen haben, unterstreicht das Arbeitsförderungsinstitut AFI/IPL in einer aktuellen Studie. Gerade in Südtirol mit seinen hohen Lebenshaltungskosten seien diese gewerkschaftlich ausgehandelten Zusatzabkommen, die vor allem Prämien und Entschädigungen aller Art bringen, wichtig und höchst angebracht. Denn wie AFI-Direktor Stefan Perini überzeugt ist: „Der gute Unternehmensertrag muss sich in besseren Konditionen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer niederschlagen.“

Das hört man bei Südtiroler Unternehmerverband nicht gern. „Die AFI-Studie ist kein konstruktiver Beitrag für gewerkschaftliche Beziehungen“, wettert Präsident Federico Giudiceandrea. Denn, wie er zur Verteidigung der 55 der 100 größten Südtiroler Unternehmen meint, die laut AFI-Studie kein Betriebsabkommen haben: Die Qualität der Betriebe sei nicht nur anhand von Betriebsabkommen messbar. Vor allem seien die großen Industriebetriebe im Land laut Giudiceandrea mit Sicherheit bereit, ihre Mitarbeiter am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. „Der beste Beweis dafür sind Gehälter, die 30 Prozent über dem Südtiroler Durchschnitt liegen, der bereits der höchste italienweit ist“, so der Unternehmerverbands-Präsident. Sein Verband unterstütze schon seit jeher die zweite Verhandlungsebene in den Betrieben, um Leistung und Produktivität zu honorieren. „Ebenso überzeugt sind wir aber, dass die Veröffentlichung einer einfachen Auflistung der Betriebe, die ein Betriebsabkommen haben oder nicht, nur zu Unstimmigkeiten führt und sicherlich keinen Beitrag zur Stärkung der gewerkschaftlichen Beziehungen leistet“, kritisiert Federico Giudiceandrea. 

Vor allem da die Tabellen laut Verbandsdirektor Josef Negri nicht die territorialen Abkommen berücksichtigen, die zum Beispiel im gesamten Bausektor Ergebnisprämien für die Mitarbeiter vorsehen. Auch würden viele Betriebe ihren MitabeiterInnen unabhängig von Betriebsabkommen Benefits wie flexible Arbeitszeiten, betriebliche Kindertagesstätten, individuelle Versicherungsleistungen oder Aus- und Weiterbildungslehrgänge für die persönliche Weiterentwicklung bieten. „Auch der finanzielle Aspekt wird oftmals in persönlichen Verhandlungen mit dem Mitarbeiter festgelegt: Übertarifzahlungen ad personam sind in den heimischen Unternehmen sehr verbreitet“, unterstreicht Josef Negri.