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40 Jahre und 16 Weltläden

Vom Nischendasein zur landesweiten Bewegung: In den Weltläden werden den Südtirolern Alternativen zum traditionellen und häufig ausbeuterischen Handel angeboten.
Einweihung Weltladen Brunogasse 1980
Foto: Weltladen Brixen

„Tun Sie“, sagte Bischof Joseph Gargitter 1980 zu Christine Baumgartner und Rudi Kiebacher. Noch im selben Jahr eröffneten zehn engagierte Menschen in Brixen den ersten Weltladen Italiens. Die Diözese stellte zwei Räume in der Brunogasse zur Verfügung. Der öffentliche Diskurs über Globalisierung war noch nicht angestoßen, das Vertrauen des Südtiroler Oberhirten in die Brixner Utopisten umso überraschender.

Längst ist der Weltladen Brixen von der Brunogasse in die Stadelgasse übersiedelt, heller und größer geworden. Aber die Idee ist dieselbe geblieben: Handwerker*innen und bäuerlichen Kleinbetrieben im Globalen Süden langfristig die Abnahme ihrer Produkte zu garantieren, faire Preise dafür zu zahlen und Zwischenhändler auszuschalten. Dem Brixner Beispiel sind italienweit 250 Geschäfte gefolgt, in Kastelruth hat vor fast einem Jahr der bisher jüngste von 16 Weltläden in Südtirol aufgemacht.

Am 12. September 2020 wurden in Brixen bei einem Fest am Hofburgplatz 40 Jahre Fairer Handel in Südtirol gefeiert. Es war ein Fest der Gerechtigkeit, der Solidarität und des Nachdenkens: Als 1980 in Brixen der erste Weltladen Italiens eröffnet wurde, war für alle Beteiligten alles neu und schwierig, aber ihr Engagement groß. Von dort ausgehend entstand eine Weltladenbewegung in ganz Italien, die bis heute wächst. Allein im vergangenen Jahr 2019 wurden in den 16 Südtiroler Weltläden Produkte um 2,5 Millionen Euro verkauft. 14 Teilzeitkräfte stemmen mit 307 Freiwilligen Einkauf und Verkauf, Öffnungszeiten, Lager, Geschäftsdekoration und Mitarbeiterführung. Tausende Familien im Globalen Süden haben so seit 40 Jahren ein sicheres Einkommen. Und der Südtiroler Bevölkerung werden Alternativen zum traditionellen und häufig ausbeuterischen Handel angeboten.

 

Reinhold Pitschl und Paul Ploner erzählten bei der Feier in Brixen, wie schwierig es anfangs gewesen sei, Ware aus den Ländern des Südens zu bekommen. Zum Teil haben Missionare und Mitarbeiter*innen der EZA bei ihren Heimatbesuchen Ware mitgebracht oder sie wurde aus den Weltläden Österreichs importiert: „Mit allen Schwierigkeiten, die damals mit Zoll und Import verbunden waren“, betonten sie. Zugleich war den Gründer*innen bewusst, dass es ohne Öffentlichkeits- und Überzeugungsarbeit nicht geht. Aus dem Weltladen Brixen heraus wuchs 1986 ein Info-Dienst mit Fachbibliothek. Karl Leiter wurde für die Bewusstseinsbildung engagiert. Er war viel mit Verkaufsausstellungen unterwegs, um die Produkte auch in den Tälern und abgelegenen Ortschaften bekannt zu machen: „Wir wollten die Botschaft vermitteln, dass Menschen im Globalen Süden etwas können, viel tun und Produkte herstellen, die wir im Alltag brauchen. Das sei wertzuschätzen und monetär zu vergelten.“ So entstand die OEW – Organisation für Eine solidarische Welt, die heuer ihren 30. Geburtstag feiert, Informationsarbeit leistet und der Südtiroler Bevölkerung globale Zusammenhänge aufzuzeigen versucht. Es ist bis heute eine Herausforderung, Vorurteile abzubauen und konstruierte, kolonial-rassistische Selbst- und Weltbilder aufzubrechen.

 

Im Weltladen Brixen wurden anfangs fast nur handwerkliche Erzeugnisse angeboten. Später kamen Kaffee aus Nicaragua, Schokolade, Bananen, Reis und andere Lebensmittel dazu. Immer mehr Menschen ließen sich von der Idee des fairen Handels überzeugen: Die Gründungsmitglieder freuen sich heute besonders darüber, dass sich die Weltladenbewegung im ganzen Land ausgebreitet hat und sich ständig verjüngt. „Ohne unsere Kundinnen und Kunden hätten die Weltläden keine Daseinsberechtigung“, betonte Brigitte Gritsch, die seit sieben Jahren das Netzwerk der Südtiroler Weltläden koordiniert. Sie freut sich über den wachsenden Kundenstock und ist dankbar für die 307 Freiwilligen, die wöchentlich durchschnittlich vier Freiwilligenstunden beitragen, um die Weltläden am Laufen zu halten. „Die Vorstände der 11 Genossenschaften mit insgesamt 67 Mitgliedern arbeiten mit viel Einsatz und großem Verantwortungsbewusstsein. Sie schenken Zeit und halten Kontakt zu den Importeurinnen und Importeuren“, erklärt Brigitte Gritsch.

 

Die einzelnen Südtiroler Genossenschaften entscheiden autonom, bei welchen Importeuren sie einkaufen. Die Produktvielfalt in den Weltläden ist entsprechend groß. Langfristig hätten die Weltläden in Südtirol nur dann eine Zukunft, wenn sie sich weiterhin durch Qualität und transparente Information vom traditionellen Handel abheben, ist Brigitte Gritsch überzeugt. Viele faire Lebensmittel sind bereits in Bio-Qualität. Umweltschutz ist eines der Kriterien des fairen Handels und Gesundheit den Kleinproduzent*innen ein immer größeres Anliegen.

 

Der Faire Handel habe herausragende Fähigkeiten im Aufbau von Süd-Nord- Handelsbeziehungen bewiesen, sagt Gritsch. Das stärke die lokale und regionale Produktion und Wertschöpfung. Diese Erfahrungen gelte es künftig intensiv zu nutzen, um jeweils vor Ort souveräne Märkte aufzubauen und sowohl im Süden als auch im Norden der Welt kleine Wirtschaftskreisläufe zu fördern. Umschrieben wird das mit dem Begriff „Domestic Fair Trade“ und bedeutet inländischer fairer Handel. Auch deshalb bieten inzwischen viele Südtiroler Weltläden fair gehandelte biologische Produkte von kleinen Südtiroler Genossenschaften zum Verkauf an.