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Das Potenzial des 3D-Drucks

Additives Fertigen ist längst kein Novum mehr, fasst in Südtirols Produktion aber nur gemächlich Fuß. Warum es trotz Vorzügen zu keiner Wachablöse kommen wird.
3d-druck
Foto: Unsplash

Woher es genau stammt, darüber gibt es keine Gewissheit. Vermutlich aber kommt das Tiramisù aus Treviso. Dort jedenfalls, wurde vor kurzem die Produktion eben jener weltbekannten Süßspeise aus einem 3D-Drucker erprobt. Obschon die Technologie bereits seit mehreren Jahren hoch im Kurs steht und mittlerweile auch schon andere Lebensmittel mittels additiver Fertigung hergestellt werden, ist die automatisierte Produktion der Kalorienbombe eine kleine Sensation.

Additives Fertigen, im Englischen als additive manifacturing und weitläufig als 3D-Druck bekannt, basiert, im Gegensatz zu konventionellen Fertigungstechniken, auf dem schichtweisen Aufbau von Material, welches etwa mithilfe eines Lasers verschmolzen oder verhärtet wird. Dabei wird, neben dem geringeren Materialverschleiß, auch die Verwirklichung detailreicherer Formen und Geometrien ermöglicht. Laut einer internationalen Umfrage des französischen 3D-Druck-Dienstleisters Sculpteo stellt dies für mehr als zwei Drittel der Anwender, unter anderen, den Hauptvorteil der Technologie dar.

 

Stark wachsender Markt

 

Auch in Südtirol gibt es Bestrebungen, der lokalen Wirtschaft die Möglichkeiten der additiven Fertigung schmackhaft zu machen. Der Fokus liegt hierzulande aber weniger auf dem Lebensmittelsektor, als vielmehr in der Industrie- und Automobilbranche. Es herrsche aber generell noch weitestgehend Unwissenheit darüber, was mittels additiver Fertigungstechniken umsetzbar sei, meint Peter Gufler, Geschäftsführer von adddam.

Mit adddam schickt sich seit 2021 ein Start-up-Unternehmen der technicon-Familie an, nicht nur als interne Anlaufstelle für die Schwesterfirmen Durst und Alupress zu fungieren, sondern darüber hinaus zu einem Kompetenzzentrum im Bereich additiver Fertigung zu werden. Neben der Bereitstellung von Sachkenntnis, Design und Konstruktion für die Kunden, ist das Ziel von adddam vor allem Sensibilisierung und Wissensweitergabe von 3D-Druck-Knowhow. Gufler ist überzeugt: „Mit der additiven Fertigung eröffnet sich ein ganz neues Feld; man muss ganz anders denken, weil man auch ganz anders denken darf.“

 

Auch die Firma 3D-Alps mit Sitz in Toblach versucht sich dieses Denken seit einiger Zeit zu eigen zu machen, auch wenn der Gründer, Johannes Schwingshackl, gesteht, noch relativ am Anfang zu stehen. Er sieht im Bereich der additiven Fertigung in Zukunft jedoch großes Potenzial und zieht den Vergleich mit einer nunmehr etablierten Technologie: „In der Metallbearbeitung war die Lasertechnik schon länger auf dem Markt, aber hat sich auch erst vor 15 Jahren mit der Zeit durchgesetzt. Heute wird Blech nur noch mittels Lasertechnologie geschnitten.“ Deshalb müsse bereits bei Konstrukteuren und Designern das Bewusstsein geschärft werden, welche Vorzüge sich durch additives Fertigen ergeben könnten. Peter Gufler schlägt in dieselbe Kerbe und meint, herkömmliche Bauteile mittels 3D-Druckverfahren zu produzieren, sei der falsche Ansatz. Vielmehr müsse die Devise gelten, Bauteile für additive Fertigungstechniken zu designen und optimieren, um deren Potenzial voll auszuschöpfen.

Dieses Potenzial scheint jedenfalls gegeben zu sein, wovon ein rapide wachsender Markt zeugt: „Wir reden von Wachstumsraten, vor allem was neue Technologien und Unternehmen anbelangt, von über dreißig Prozent“, erklärt Gufler. Eine globale Marktstudie von strategy& aus dem Jahr 2018 bestätigt diese Tendenz und prognostiziert bis 2030 eine Vervielfachung des Marktvolumens von additiven Fertigungsverfahren. Dies sei, so strategy&, zurückzuführen auf optimierte Druckmethoden und -materialien, die vermehrte Einbindung in Produktionsprozesse und das Aufkommen neuer Geschäftszweige. 

 

 

Mehr Ergänzung, als Ersatz

 

Bekanntheit erhielt der 3D-Druck hauptsächlich durch den klassischen Bereich des Prototypen-Baus. Der Sportrennwagen im Miniaturformat dürfte vielen ein Begriff sein. In Südtirols Industrie kommt die additive Fertigung zumeist in eben dieser Prototypen- und Vorserienfertigung sowie der Kleinserienfertigung zum Einsatz.

Alles darüber hinaus, ist derzeit noch Zukunftsmusik. Bereits vor sechs Jahren habe Schwingshackl Prognosen aufgeschnappt, dass es binnen weniger Jahre nur noch 3D-Drucker in der Produktion geben und die konventionelle Produktion aussterben könnte. Dies sollte sich bis heute nicht bewahrheiten und wird laut den 3D-Druckexperten auch in Zukunft nicht eintreten.

Ab vierstelligen Stückzahlen lohne sich die additive Fertigung derzeit schlicht nicht, sei zu teuer und zeitaufwendig: „Die Serienfertigung wird durch den 3D-Druck nicht ersetzt werden können. Die additive Fertigung kann jedoch in einer Produktionskette Anknüpfungspunkte finden und somit Bestandteil dieser werden“, meint Peter Gufler. Neben der eingangs erwähnten Möglichkeit der Herstellung komplexer Geometrien, seien hierbei auch die Flexibilität und Individualisierung sowie die Bauteilminimierung gewichtige Faktoren. Einerseits sei der Bedarf an Werkzeugen und Formen geringer, das Design könne schnell digital angepasst werden. Andererseits ermöglicht der Einsatz additiver Fertigung auch mehr Spielraum im Lieferkettenmanagement, bestätigt Gufler.

Wenn von additiven Fertigungsmethoden die Rede ist, dann inkludiert dies ohnedies eine große Bandbreite an verschiedenen Techniken. Diese reichen von der am weitesten verbreiteten 3D-Drucktechnologie, dem sogenannten fused deposition modelling (fdm), das auch in privaten Haushalten Verwendung findet, über stereolithografische Verfahren bis hin zu selective laser melting (slm) und selective laser sintering (sls) - immer abhängig von Einsatzgebiet und Ausgangsmaterial.

Die beliebtesten Materialien sind die, meist kostengünstigeren, Kunststoffe, noch vor Keramik und Metall. Wie Gufler betont, haben alle Technologien und Materialien ihre Eigenheiten, Facetten und Vorzüge. Bei 3D-Alps in Toblach wird, obschon man mit der Mutterfirma Metalps das Hauptgeschäftsfeld im Bereich Metall unterhält, ebenfalls in erster Linie mit Kunststoffen gearbeitet, die heute laut Schwingshackl tadellose Eigenschaften im Hinblick auf Beständigkeit gegenüber Krafteinwirkungen oder Abrieb aufweisen.

 

Apfelstrudel aus dem Drucker?

 

Wenngleich nun der Markt für additive Fertigung in Südtirol laut Gufler und Schwingshackl, Ländern wie etwa Deutschland hinterherhinkt, stellen sie durchaus positive Zukunftsszenarien in Aussicht. Große Potenziale sieht etwa Gufler, neben der Luft- und Raumfahrt und Medizintechnik, wo 3D-Verfahren bereits bei der Herstellung von Leichtbauelementen, künstlichen Organen oder Prothesen Einsatz finden, insbesondere auch für die Automotivbranche und den spezialisierten Maschinenbau. Neben der Produktion von Ersatzteilen, würde zum Teil bereits die Fertigung ganzer Motorblöcke mittels additiver Verfahren erprobt. 

 

Südtirol beheimatet mit der progress-group zudem den Hersteller eines Betondruckers für den Einsatz in der Baubranche. Daneben sieht Gufler auch in der Lebensmittelbranche Anknüpfungspunkte für additive Verfahren. In Anlehnung an das gedruckte Tiramisù, will er nicht ausschließen, dass irgendwann auch der Südtiroler Apfelstrudel automatisiert mittels additiver Verfahren hergestellt werden könnte: „Ob er den selbergemachten Mürbteigstrudel geschmacklich ersetzen wird können, stelle ich aber infrage.“