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Sturm im grünen Wasserglas?

Die Staatsanwaltschaft Genua ließ am Mittwoch die Büros und die Privatwohnungen von fünf Sparkassen-Spitzenfunktionären durchsuchen. Die Hintergründe.
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Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser
Nicola Calabrò ist sich sicher: „Das ganze ist unserer Meinung nach ein großes Missverständnis“. Der Generaldirektor der Südtiroler Sparkasse geht davon aus, dass die Sparkasse alle Beweise und Dokumente hat, um jene Ermittlungshypothese zu entkräften, die von der Staatsanwaltschaft und der Finanzwache Genua derzeit verfolgt wird. „Die beanstandeten Bewegungen sind völlig normale und rechtmäßige Operationen der Sparkasse, die weder direkt noch indirekt etwas mit der Lega zu tun haben“, sagt Calabrò zu salto.bz.
Es war ein harter Tag nicht nur für den Sparkassen-Generaldirektor. Bereits am frühen Morgen hatte die römische Tageszeitung „Il fatto quottidiano“ die spektakuläre Aktion der Ermittler italienweit bekannt gemacht. Unter dem Titel „Lega e soldi dal Lussemburgo: i pm cercano a Bolzano i milioni del Carroccio rientrati in Italia“ zeichneten Valeria Pacelli e Ferruccio Sansa die Ermittlungen um die verschwunden Lega-Gelder und die angebliche Spur, die nach Bozen in die Sparkasse führt nach. Am Mittwochvormittag legten Ferruccio Sansa dann aus Bozen nochmals nach: „Bolzano, perquisizioni alla sede centrale della Sparkasse“. Nach dem Bericht haben Beamte der Finanzwache am Mittwochmorgen den Zentralsitz der Sparkasse durchsucht und dabei Dokumente und Unterlagen beschlagnahmt.
 

Die Hausdurchsuchungen

 
In Wirklichkeit war das Vorgehen der Ermittler aber weit energischer. Bevor die Beamten der Finanzwache Genua in der Sparkasse auftauchten, wurden sie im Morgengrauen an fünf Privatadressen in Bozen vorstellig. Auf Anordnung der beiden Genueser Staatsanwälte Francesco Pinto und Paola Calleri wurden um 6.30 Uhr fünf Wohnungen von Spitzenfunktionären der Sparkasse durchsucht und die Computer und die Mobiltelefone beschlagnahmt.
Unter den fünf Betroffenen, die am Morgen Besuch von der Finanzwache bekamen, waren auch Generaldirektor Nicola Calabrò und Sparkassen-Präsidenten Gerhard Brandstätter. Doch die Ermittler trafen beide in den Morgenstunden zuhause nicht an. Nach Informationen von salto.bz waren Präsident und Generaldirektor gerade gemeinsam beruflich in Richtung Wien unterwegs. Calabrò kehrte umgehend um. Gerhard Brandstätter hingegen zog es vor, den Termin in der österreichischen Hauptstadt wahrzunehmen.
 
Die Polizeiaktion an der mehrere Dutzend Beamte beteiligt waren, wurde danach an den Sitz der Sparkasse verlagert. Gleichzeitig wurden Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Rom, in der Sparkassenniederlassung in Mailand, sowie am Sitz des EDV-Dienstleistungsanbieters „Cedacri“ in Colecchio bei Parma gemacht.
Das energische und gezielte Vorgehen der Ermittler verwundert dabei. Auch die Tatsache, dass man direkt den Präsidenten der Sparkasse, Gerhard Brandstätter, ins Visier genommen hat. „Die Kontrollen der Finanzwache sind legitim“, erklärte Brandstätter am Mittwoch gegenüber dem fatto quotidiano, „und sie betreffen nicht nur die Sparkasse, sondern auch andere Banken“. Auch der Sparkassen-Präsident gibt sich durchaus gelassen: „Es gibt keine Beziehung zwischen der Sparkasse und der Lega Nord.“
Sicher ist: Die Ermittlungen nehmen ihren Ausgang in einer alten, längst bekannten Geschichte. Einer Geschichte in der ein Freund und ehemaliger Partner von Gerhard Brandstätter eine Hauptrolle spielt: Domenico Aiello.
 

Der Anwalt

 
Domenico Aiello, Jahrgang 1969 und Sohn eines Anwaltes aus Catanzaro, studiert in Perugia Rechtswissenschaften und beginnt in der Kanzlei seines Vaters zu arbeiten. Schon bald aber verschlägt es den Rechtsanwalt nach London, wo er für die renommierte internationale Kanzlei Clifford Chance arbeitet. Zwischen 2005 und 2008 ist er in Mailand in der italienischen Niederlassung der Londoner Firma tätig. Dann wechselt er zur Konkurrenz. Von 2008 bis 2011 arbeitet Domenico Aiello für die italienische Filiale der amerikanischen Megakanzlei DLA Piper. Für DLA Piper erstellt Domenico Aiello im Dezember 2008 im Auftrag der Sparkassen-Tochter „Raetia SGR Spa“ ein Rechtsgutachten. 
Es ist der Beginn einer beruflichen Beziehung zur Sparkasse und zur Kanzlei Brandstätter, die bis heute anhalten. Als sich Domenico Aiello 2011 selbstständig macht, gründet er zusammen mit Gerhard Brandstätter in Mailand die Anwaltssozietät „AB e Associati. A steht für Aiello, B für Brandstätter. Im Februar 2014 löst man die gemeinsame Mailänder Partnerschaft formell wieder auf.
 
Aiello und Brandstätter treten in diesen Jahren und auch heute noch in vielen großen Strafverfahren als gemeinsames Verteidigerteam auf. So waren sie nicht nur die Anwälte von Michl Laimer im SEL-Skandal und in den Stein-an-Stein-Prozessen, sie verteidigen seit Jahren auch Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder in allen Prozessen. 
Gleichzeitig erhielt Domenico Aiello aber auch eine offizielle Rolle in der Sparkasse. Der Anwalt war von 2012 bis 2015 Präsident des sogenannten „231er“-Komitees der Bank. Es handelt sich dabei um ein gesetzlich vorgesehenes Überwachungsorgan, das ein gesetzeswidriges Verhalten der Gesellschaft verhindern soll. 
Als Domenico Aiello im Gadertal 2014 eine Immobilie kaufen will, zeigt sich die Sparkasse besonders entgegenkommend und vergibt an den Anwalt einen Kredit über eine Million Euro mit einer Laufzeit von 20 Jahren zu Traumkonditionen.
 

Die Lega

 
Obwohl Domenico Aiello aus Süditalien stammt, hat er politisch, beruflich und privat ein Nahverhältnis zur Lega Nord. Vor allem zu Roberto Maroni, den er immer wieder als Anwalt vertritt. Im Gegenzug hat der ehemalige Gouverneur der Lombardei Aiello und dessen Ehefrau in öffentliche Ämter berufen. Etwa in der Verwaltungsrat der Expo.
Im Frühjahr 2012 kommt es zum Erdbeben in der Lega. Am 5. April wird der Schatzmeister der Lega, Francesco Belsito verhaftet. Es geht um veruntreute Gelder aus der Wahlkampfkostenrückerstattung des Staates in der Höhe von rund 50 Millionen Euro. Es ist auch das Ende der Ära Umberto Bossi. 
 
Gleichzeitig mit dem Kampf um die Macht in der Partei, kommt es unter seinen potentiellen Nachfolgern aber auch zu einem Streit ums Geld. Maroni & Co unterzeichnen am 18. April 2012 einen Vertrag mit Domenico Aiello. Offiziell schließt die Lega - laut der renommierten Wochenzeitung „L´Espresso“ - den Beratervertrag mit dem Studio „AB e Associati“. Aiello soll die Ermittlungen gegen Bossi begleiten und vor allem herausbekommen, wohin die verschwundenen Millionen geflossen sind.
Offiziell ist die Partei fast pleite. Aber Robert Maroni gelingt es in den darauffolgenden Monate weitere Gelder aus der Wahlkampfkostenrückerstattung zu bekommen. Es läppern sich rund 20 Millionen Euro zusammen. Weil ein Rechtsstreit im Gange ist und mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln, will man das Geld in Sicherheit bringen.
Dabei ist wiederum Domenico Aiello behilflich.
 

Die Sparkassen-Konten

 
Die Staatsanwaltschaften von Mailand und Genua ermitteln seit langem zum „verschwunden Schatz der Lega“. Man geht davon aus, dass sich einige Funktionäre an dem Geld unrechtmäßig bereichert haben. Die beiden Genueser Staatsanwälte Francesco Pinto und Paola Calleri rekonstruieren in ihren Ermittlungen dabei die Spur des Geldes
Die Wochenzeitung „L´ Espresso“ hat bereits vor knapp einem Jahr anhand der Prozess-Akten die Geschichte detailliert nachgezeichnet.
Demnach hätte die Lega-Spitze um Roberto Maroni Ende 2012 19,8 Millionen Euro von der Unicredit Vicenza und vom Mailänder Sitz der Banca Aletti abgezogen. Im Jänner 2013 eröffnet man bei der Sparkassen-Filiale in Mailand ein Konto und ein Wertdepot, die auf den Namen “Lega nord per l’indipendenza della Padania” laufen. Auf dieses Konto werden rund 10 Millionen Euro eingezahlt.

 
Der „L`Espresso“ schreibt: „L’operazione, ordinata dall’allora segretario Maroni, è stata portata a termine grazie ai due principali soci dello studio legale Ab e associati: il catanzarese Domenico Aiello e l’altoatesino Gerhard Brandstätter.
Gerhard Brandstätter bestätigte bereits damals offen die Fakten. Die Lega habe im Jänner 2013 ein “easy business”-Konto und im März 2013 ein Wertpapierdepot bei der Sparkasse in Mailand eröffnet. Das gesamte Geld sei aber bereits am 9. Juli 2013 wieder abgezogen worden. Der Grund dafür: Die Kontoinhaber wollten einen Zinssatz von 4 Prozent. Die Sparkasse konnte aber maximal 2,5 Prozent bieten. Auch der damalige Generaldirektor Peter Schedl erinnert sich an die Verhandlungen und Gespräche. Weil Schedl hart blieb, platzte das Geschäft.
Am Ende zog die Lega das Geld deshalb wieder ab. „Offiziell wurden die Lega-Konten am 13. November 2014 geschlossen“, sagt Nicola Calabrò heute. Seitdem habe die Bank keine geschäftlichen Beziehungen zur Lega mehr.
 

Spur nach Luxemburg

 
Warum aber dann diese spektakuläre Aktion der Ermittler jetzt in der Sparkasse?
Die Antwort drauf könnte ein Detail sein, das in den Ermittlungen der Genuser Staatsanwaltschaft auftaucht. Demnach habe Domenico Aiello für die Lega damals die Gründung eines ausländischen Trust in Luxemburg vorbereitet. Am Ende hätte man diesen Plan aber fallen gelassen.
Im Juli 2017 werden Francesco Belsito und Umberto Bossi in Genua verurteilt. Die Finanzwache sucht seitdem nach den verschwundenen 48 Millionen Euro. Gefunden hat man bisher aber nur 2 Millionen. Weil es jetzt für manchen aber ans Zahlen geht, beginnen ehemalige Beteiligte zu reden. Und damit wurde auch die Spur nach Luxemburg wieder heiß.
 
Kurz nach den Parlamentswahlen im März 2018 erhält die Banca d´Italia einen Hinweis auf mögliche Geldwäsche und Unregelmäßigkeiten aus Luxemburg. Es geht um ein Treuhandunternehmen und 3 Millionen Euro, die angeblich auf ein Konto der Südtiroler Sparkasse geflossen sind. Und es gibt einen Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang mit den verschwunden Lega-Geldern.
Die Bankenaufsicht nimmt das Ganze ernst und übermittelt die Dokumentation der Staatsanwaltschaft Genua. Es ist der Startschuss der Ermittlungen, die jetzt zu den Hausdurchsuchungen in Bozen geführt haben. Die beiden Staatsanwälte Francesco Pinto und Paola Calleri gehen davon aus, dass das Geld ein Teil des Lega-Schatzes sei.
Nicola Calabrò widerspricht dieser Hypothese energisch. Und er hat gute Argumente. Demnach habe die Sparkasse 2016 10 Millionen Euro in Wertpapieren und Obligationen in Luxemburg investiert. Im Jänner 2018 hätte man dann 3 Millionen davon wieder zurücktransferiert. Alles legal und nach den geltenden Bestimmungen gegen Geldwäsche.
Es ist eine völlig normale Wertpapieroperation der Bank, von denen wir Hunderte machen“, sagt der Sparkassen-Generaldirektor. Das Geld und das Konto gehören der Bank selbst. Calabrò: „Es gibt weder irgend einen direkten noch eine indirekten Bezug zur Lega“.
Am Mittwoch habe man eine lückenlose Dokumentation den Beamten der Finanzwache übergeben. Für die Sparkassenspitze ist der Fall eindeutig und abgeschlossen.
Also alles nur ein Sturm im Wasserglas?
Oder die Staatsanwälte aus Genua haben sich aufs (politische) Glatteis führen lassen?
Durchaus möglich.
Spätestens wenn die Ermittler die Terabytes an Daten ausgewertet haben, die am Mittwoch beschlagnahmt wurden, wird es eine Antwort auf diese Fragen geben.