Politica | Wahlgesetz

„Auch die SVP ist nicht unschlagbar“

SVP-Senator Karl Zeller über die Drohung der SVP die Regierungskoalition zu verlassen, den Plan von Michaela Biancofiore und die Vorteile der Einmann-Wahlkreise.
Karl Zeller
Foto: Gruppo Autonomie
salto.bz: Herr Senator Zeller, sollte das Wahlgesetz nicht im Sinne der SVP abgeändert werden, drohen Sie die Regierungskoalition zu verlassen. Ist Erpressung der richtige Weg in der Politik?
 
Karl Zeller: Was wir tun ist nicht Erpressung, sondern es ist die Forderung auf Einhaltung eines politischen Abkommens. Wir haben 2013 damals mit Pierluigi Bersani ausgemacht, dass wir die Einmann-Wahlkreise in der Kammer zurückwollen. Und das wurde uns zugesichert und unterschrieben. Dieses Abkommen wurde dann von Enrico Letta übernommen und von Matteo Renzi umgesetzt. Heute steht diese Regelung im geltenden Wahlgesetz. Wir wollen also nichts anderes, dass das bestehen bleibt, was bereits Gesetz ist.
 
Die Bozner Forza-Italia-Abgeordnete Michaela Biancofiore hat der SVP aber einen Strich durch diese Rechnung gemacht?
 
Ja, leider. Biancofiore will unbedingt, dass es auch in Südtirol eine blockierte Liste bei der Wahl für die Abgeordnetenkammer gibt. Nur so hat sie eine Chance wieder in das Parlament zu kommen. Denn Biancofiore hat noch nie in einem Einmann-Wahlkreis gewonnen oder einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf für Parlament bestritten. Sie wurde immer auf einer blockierten Liste gewählt. Wo letztlich die Partei entscheidet und nicht direkt der Wähler. Mit unserem System müsste sie sich in einem Wahlkreis mit mehreren Kandidaten messen und das gefällt ihr weniger.
 
Der SVP gefallen die Einmann-Wahlkreise weil Ihre Partei dann in ganz Südtirol eine „gemähte Wiese“ hat?
 
Nein. Die Einmann-Wahlkreise haben gezeigt, dass es die einzige Möglichkeit ist, um eine ausgewogene Vertretung der Sprachgruppen zu gewährleisten. Wenn das durchgeht, was die Biancofiore will, dann ist nicht gesagt, dass überhaupt noch ein Italiener aus Bozen ins Parlament kommt. Dabei steht im Paket, dass die Wahlkreise verhältnismäßig aufgeteilt werden müssen. Genau das haben wir im Senat. Warum soll es in der Kammer anders sein? Das ist unlogisch. Damit würden auch die beiden Wahlgesetze für die Kammer und den Senat harmonisch sein.
Wenn das durchgeht, was die Biancofiore will, dann ist nicht gesagt, dass überhaupt noch ein Italiener aus Bozen ins Parlament kommt.
So kann die SVP ihrer Parlamentarier auf jeden Fall halten?
 
Nein. Ausschlaggebend für uns ist die Tatsache, dass es mit diesem System keinerlei Wahlhürden gibt. Wer im Wahlkreis gewinnt, geht nach Rom. Ich brauche weder Wahlhürden in der Region, noch auf nationaler Ebene zu überspringen.
 
Damit kann die Volkspartei endlich wieder blockfrei sein, wie es sich viele in der SVP wünschen?
 
Nein. Das ist auch eine Vorteil für die Südtiroler Opposition. Wenn die Opposition einen Superkandidaten oder eine Superkandidatin aufstellen und dieser den Wahlkreis gewinn, dann kommen er oder sie ins Parlament. Auch dann wenn die Partei auf regionaler Ebene nicht 20 Prozent der Stimmen erhält. Auch die SVP ist nicht unschlagbar. Der Vorteil dieser Regelung ist zudem, dass der Gewählte eine Bindung zu seinem Wahlkreis und seiner Bevölkerung haben muss. Das ist bei einer blockierten Liste nicht der Fall.
 
Das Parlament hat dem Biancofiore-Änderungsantrag vor Monaten mehrheitlich angenommen. Die Frage ist, ob man diese Entscheidung des Parlaments jetzt rückgängig machen kann?
 
Kann man sicher. Man muss nur den Genehmigungsprozess des neuen Gesetzes von Neuem beginnen. Schauen Sie: Das war eine Einigung, der alle zugestimmt haben. Vom PD über Forza Italia bis hin zur 5-Sterne-Bewegung. Im Verfassungsausschuss haben die Vertreter jener Parteien, die 80 Prozent der Parlamentarier stellen, sich für diese Regelung ausgesprochen. Dass man dann hergeht und diese Einigung mit einer geheimen Abstimmung kippt und dann auch noch glaubt, dass die SVP klein beigibt, ist schon kühn. Aber das ist nicht unsere Art. Wir leben das Prinzip „Pacta sunt servanda. Für uns zählen Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Wenn jetzt die anderen die Schlauen spielen wollen, dann spielen wir hier nicht mit.
Wenn jetzt die anderen die Schlauen spielen wollen, dann spielen wir hier nicht mit.
Sie gehen davon aus, dass man in Sachen Wahlrecht den Biancofiore Antrag wieder rückgängig machen wird?
 
Ja.Unser Glück ist es, dass wir unmissverständlich auch von den Trentiner Autonomisten unterstützt werden. Es wird aber auf jeden Fall ein harter Kampf werden, das ist klar. Wir werden aber sich nicht aufgeben und uns von der Biancofiore vorführen lassen. Sie soll sich wie alle anderen den Bürgern in Bozen stellen und dann wird man sehen, wer die Stimmen der Menschen bekommt. Wir werden Biancofiore ihren geplanten Spaziergang ins Parlament auf jeden Fall vermiesen.