Economia | Finanzen

Der Eros des Geldes

Der Unternehmerverband protestiert gegen die Zerschlagung der Südtirol Finance AG. Die Chronik einer angekündigten Demontage.
Peter Oberparleiter ist keiner, der viel redet. Der Pusterer Manager, der im Board des internationalen Unternehmens „GKN Group“ sitzt, weilt den größten Teil seiner Arbeitswoche in England. Von dort muss er jetzt auch die Zerschlagungen und das Ende eines Projektes miterleben, an das der Manager geglaubt hat und in das er einiges an Energie gesteckt hat. „Ich ersuche um Verständnis, dass ich das jetzt nicht kommentieren will“, sagt Oberparleiter zu salto.bz.
Dabei hätte der CEO der „GKN Powder Metallurgy“ und der „GKN Sinter Metals Inc.“ so einiges, das er über sein Gastspiel in der Südtiroler Landesverwaltung erzählen könnte. Denn Peter Oberparleiter war von 2013 bis 2016 Präsident der „Südtirol Finance AG“. Der Manager ist dabei Teil eines Machtkampf geworden in dem es um viel Geld und die Alleinherrschaft über die Finanzen des Landes geht. Es ist ein Machtkampf, der spätestens jetzt entschieden wurde. Mit der Zerschlagung und Demontage jenes Kindes, das Oberparleiter & Co mit Überzeugung und einigen Erfolg großgezogen haben.
 

Die Demontage

 
2013 hat das Land die „Südtirol Finance AG“ gegründet. Die Hauptaufgabe der Inhouse-Gesellschaft des Landes sollte eine bessere Nutzung, Koordinierung und Vernetzung der regionalen und lokalen Finanz- und Förderungsinstrumente sein. Dabei gilt es vor allem Millionen von Euro, die von der Region auf die beiden Länder Bozen und Trient übertragen wurden, zur Förderung der lokalen Wirtschaft aber auch als Bausparmodell für die Bürger einzusetzen.
 
In den vergangenen Jahren hat sich die Gesellschaft durch die professionelle Arbeit der Organe und der spezialisierten Mitarbeiter eine bedeutende Position und Rolle im Bereich der Finanzdienstleistungen auf lokaler und nationaler Ebene erarbeitet“, streut die Landesregierung dem Sonderbetrieb jetzt zum Abschied Blumen.
Warum man dann das Unternehmen aber plötzlich umbaut und auflöst, ist kaum  vermittelbar
Denn am Dienstag hat die Landesregierung beschlossen, dass die Südtirol Finance AG  ab dem 31. Dezember 2019 ihre Tätigkeit einstellen wird. Die Dienste der Inhouse-Gesellschaft werden innerhalb 30. Juni 2019 auf zwei bestehende Agenturen bzw. Gesellschaften des Landes übertragen. Zum einen übernimmt die Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung (ASWE) jene Leistungen, die im Zusammenhang mit der Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen, mit den Bauspardarlehen und mit dem Strategischen Fonds Trentino-Südtirol stehen.
Die Pro Euregio SGR AG hingegen, die aus der ehemaligen PensPlan Invest SRG hervorgegangen ist, steuert künftig hingegen die Südtiroler Beteiligung am überregionalen Projekt „Alpine Growth Investment Plattform“ (AlpGIP), das in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Investmentfonds besteht.
Was öffentlich als Reorganisation verkauft wird, ist in Wirklichkeit eine Demontage. Nachdem alle Tätigkeitsfelder formalrechtlich an die beiden neu zuständigen Körperschaften übertragen wurden, soll der Rumpf der Südtirol Finance AG mit der neu gegründete NOI AG fusioniert werden.
 

Zornige Wirtschaft

 
Wir stimmen der Landesregierung in ihrer Feststellung zu, dass Südtirol Finance in diesen Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet hat. Gerade deshalb ist die Entscheidung, eine gut funktionierende Gesellschaft neu zu organisieren, schwer nachvollziehbar“, reagiert der Unternehmerverband auf das Aus der Südtirol Finance.
In einer Aussendung zeigt sich das Präsidium des Verbandes besorgt über den Beschluss der Landesregierung.  „Die Südtirol Finance hat entscheidend zur Sensibilisierung für innovative Finanzierungsquellen beigetragen und die Unternehmen durch neue Instrumente, wie die Minibonds, in ihrem Entwicklungs- und Wachstumsprozess begleitet“, sagt Verbandspräsident Federico Giudiceandrea.
 
Die Kritik an der nicht nachvollziehbaren politischen Entscheidung ist kaum zu überhören.
Giudiceandrea: „Die Südtirol Finance konnte in diesen Jahren eine solide Vertrauensbasis zu diesen Unternehmen aufbauen, die es gilt, auch in Zukunft weiter zu stärken.“
Aber nicht nur für Südtirols Wirtschaft ist es schwer nachzuvollziehen, warum man eine gut funktionierende Landesgesellschaft nur sechs Jahre nach ihrer Gründung wieder abschafft. Auch weil das Land im vergangenen Jahr mit der „Pensplan Invest AG“ ein finanzielles Sorgenkind  der Region übernommen hat. Das Unternehmen hat mit großen finanziellen Schwierigkeiten einiger aufgelegter Fonds zu kämpfen. Dass man ausgerechnet jetzt die kranke Pensplan Invest mit der kerngesunden Südtirol Finance zusammentut, ist für viele neutrale Beobachter eine Todsünde.
 

Der Machtkampf

 
Hinter der angeblichen Rationalisierung stehen in Wirklichkeit aber andere Gründe. Die eher persönlich als politisch sind.
Denn die Schwierigkeiten mit denen die Südtirol Finance seit ihrer Geburt zu kämpfen hatte, haben einen Namen und ein Gesicht: Eros Magnago.
Der Generalssekretär der Landesregierung, der jahrzehntelang die Abteilung Finanzen geleitetet hat und als ausgewiesener Finanzexperte auch jetzt die Finanzagenden des Landes maßgeblich führt, stand von Anfang an dem hybriden Gebilde äußerst kritisch gegenüber.
Der Haushalt des Landes ist Magnagos Reich. In seiner Doppelfunktion als Generalsekretär der Landesregierung und als absoluter Insider und Oberaufseher über die Landesfinanzen, hat er zwei Machtinstrumente in der Hand, die er auch zu nutzen weiß. „Ohne sein Plazet bewegt sich im Land kein Cent“, sagt ein Abteilungsdirektor. Über den Erfolg oder Misserfolg politischer Projekte entscheidet oft die Frage, ob sie finanzierbar sind oder nicht. Mit der Hand auf der Brieftasche des Landes lässt sich dabei weit nachhaltiger Politik gestalten als mit einem Sitz im Landtag.
 
In dieser Konzeption war und ist eine autonome Südtirol Finance AG aber ein Störfaktor. Zumal der erste Präsident der Inhouse-Gesellschaft Peter Oberparleiter sehr selbstbewusst, privatwirtschaftliche Kriterien im Betrieb umsetzen und sich von Eros Magnago in der Geschäftsgebarung nicht dreinreden lassen will, kommt es schon bald zu unüberbrückbaren Differenzen.
Es ist kein Zufall, dass es zwei Jahre dauert bis die Südtirol Finance AG operativ tätig werden kann und dann nach einem Jahr bereits ein Umbau geplant wird. Im Frühjahr 2016 legt man in der Landesregierung eine Beschluss vor mit dem Titel „Fusion durch Einverleibung der Gesellschaft des Landes Südtirol Finance AG in die Gesellschaft Business Location Südtirol AG umbenannt in Südtirol Finance & Project AG.“ vor. Doch das Projekt scheitert am Ende, weil es rechtlich nicht durchdacht war.
 

Tremontis  Gutachten

 
Ende 2016 wirft Peter Oberparleiter entnervt das Handtuch. Anfang Februar 2017 wird der Sparkasse-Verwaltungsrat und Banker Christoph Rainer zum neuen Präsidenten der Südtirol Finance ernannt. Der Zufall will es, dass mit dem Trentiner Wirtschaftsberater Carlo Delladio auch ein enger persönlicher Freund von Eros Magnago in den Verwaltungsrat einzieht.
Wie sehr sich der Generalsekretär des Landes seitdem in die Angelegenheiten der Inhouse-Gesellschaft einmischt, zeigt eine Episode, die bisher öffentlich kaum bekannt ist.
Der dreiköpfige Verwaltungsrat der Südtirol Finance beschließt im Frühsommer 2017 beim ehemaligen Finanzminister Giulio Tremonti ein technisches Gutachten in Auftrag zu geben. Es geht um einen Auftrag unter 20.000 Euro.
Als Eros Magnago, der politisch dem PD nahesteht, davon hört, setzt er alle Hebel in Bewegung dieses Beauftragung zu Fall zu bringen. Seine Sorge gilt den möglichen politischen Implikationen dieses Auftrages. Und er schafft etwas, was eigentlich unmöglich ist: Den Beschluss eines Südtirol Finance Verwaltungsrates zu kippen. Die Beauftragung an Tremonti wird nie formalisiert oder umgesetzt.
Diese Episode macht exemplarisch deutlich mit welchem Selbstverständnis der Generalsekretär der Landesregierung die autonomen Hilfskörperschaften des Landes sieht. Sie macht aber auch deutlich, warum eine gut funktionierende Institution „der Rationalisierung“ zum Opfer fallen muss.