Giuseppe Conte
Foto: Facebook/Giuseppe Conte
Politica | M5s-Turbulenzen

Der Balanceakt des Giuseppe Conte

Die Fünf-Sterne-Bewegung wird , was sie nie werden wollte - eine Partei. Dabei verstrickt sie sich in erhebliche Widersprüche.

Sicher hatte sich Giuseppe Conte seine Zukunft als neuer Vorsitzender der Fünf-Sterne-Bewegung anders vorgestellt. Doch jetzt, wo die Bewegung vom Bruch zwischen Grillo und Casaleggio erschüttert wird, wirkt der Ex-Premier erstaunlich gelassen – zumindest nach aussen. Vor den M5S-Fraktionen von Kammer und Senat, die fast 100 Austritte verkraften mussten, zeichnet er ein Bild der politischen Zukunft der Fünf-Sterne-Bewegung: "Saremo nel fronte progressista, ma autonomi. Il movimento avrà una piattaforma, ma sarà la nostra, non Rousseau." Conte entwirft das Bild einer politischen Kraft, deren Kernthema die transizione ecologica sein müsse.

Er werde sich nach der Veröffentlichung des Programms einer Wahl stellen, versprach Conte. Wo und unter welchen Umständen, blieb unklar. Auf den Konflikt mit Casaleggio und Rousseau ging er nur am Rande ein: Man werde sich ein neue Online-Plattform zulegen, auf der die zukünftigen Abstimmungen stattfinden werden: "Rousseau non serve a niente. Proviamo con Cartesio o Galilei o con un'altra piattaforma web, basta che non sia della Casaleggio." Die neue Fünf-Sterne-Partei hat sich bereits in unmittelbarer Nähe der Abgeordnetenkammer ein 180 Quadratmeter grosses Büro gemietet. Mit der Bewegung sei jedenfalls Schluss, liess Conte wissen: "Organizziamo un vero partito" – genau das, was man partout nie werden wollte.

Doch bereits die Ankündigung, dass jeder Parlamentarier die neue Partei mit monatlich 1000 Euro unterstützen müsse, löste bei vielen Naserümpfen aus – bei Gehältern von rund 13.000 Euro im Monat. Mit dem von Beppe Grillo einst begründeten Mythos der Bewegung räumt der Ex-Premier auf: "Siamo un partito, siamo un movimento? Non ci interessa un fico secco. Dobbiamo organizzarci in modo funzionale ai nostri obiettivi. Serve una struttura light."

Conte teilte den Parlamentariern eine E-Mail-Adresse mit, an die sie Vorschläge über die zukünftige Führung der Partei richten könnten. Die Bewegung benötige ein centro di formazione für gewählte Vertreter, "anche per mettere in rete le esperienze amministrative". Erstaunlich, dass der Ex-Premier, dessen Rücktrittsgründe noch immer undurchsichtig sind, bei all den politischen Widersprüchen im M5S noch immer einen hohen Umfragewert von fast 45 Prozent erreicht.

Das heisseste Thema blieb freilich ausgespart: das für den Gründer Beppe Grillo unverzichtbare Dogma der Obergrenze von zwei Mandaten.

Durchaus verständlich. Denn fast alle führenden M5S-Parlamentarier sind bereits in der zweiten Legislatur in Kammer oder Senat – von Roberto Fico bis Luigi Di Maio, von Riccardo Fraccaro bis Danilo Toninelli –, 56 in der Kammer, 27 im Senat. Eine gefährliche Zwickmühle: Bleibt man bei der Mandatsbegrenzung, droht ein politisches Erdbeben, schafft man sie ab, kippt man ein Grundprinzip der Bewegung. Eine Zwickmühle, die Antonio Polito heute in seinem Corriere-Leitartikel in einem Satz treffend formuliert: "L'irriducibile contraddizione di un Movimento nato per abolire la politica e che ora non può vivere senza."