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“Darf sich nicht wiederholen”

Aus Südtirol kommt breite Solidarität für die 422 GKN-Angestellten in der Toskana, denen über Nacht die Kündigung mitgeteilt wurde.
GKN Campi Bisenzio
Foto: Rifondazione Comunista Firenze

Es kommt nicht oft vor. Aber in dieser Sache ziehen alle großen Gewerkschaftsbünde an einem Strang: Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass der GKN-Sitz im toskanischen Campi Bisenzio (nahe Florenz) geschlossen wird. Das Technologieunternehmen, das für die Automobilbranche produziert, befindet sich in Besitz der britischen Melrose Industries. Diese betreibt auch die Werke in Bruneck und Sand in Taufers. Insgesamt beschäftigt GKN in Südtirol über 650 Mitarbeiter.

Nun haben die vier Industrie-Fachgewerkschaften Fiom-Cgil, Fim-Cisl, ASGB-Metall und UILM-SGK eine gemeinsame Stellungnahme zur Betriebsschließung in Campi Bisenzio verfasst. Darin verurteilen sie das Vorgehen von Melrose Industries aufs Schärfste – und zeigen sich solidarisch mit den Protesten der Kollegen in der Toskana.

 

Die Stellungnahme im Wortlaut

 

Letzten Freitag erreichte uns aus heiterem Himmel die Nachricht der Schließung des GKN-Sitzes Campi Bisenzio bei Florenz. Ohne Vorwarnung wurden alle 422 Arbeiter, Angestellte und Führungskräfte des Werkes mittels Mail in Kenntnis gesetzt, dass sie entlassen werden. Diese Ad-hoc-Verkündung hat zur Folge, dass 422 Bedienstete der GKN und viele weitere Arbeitnehmer, die in Diensten von Subunternehmen stehen, von heute auf morgen ihre Existenzgrundlage verlieren. Erschwerend dazu kommt die Tatsache, dass hinter dem Personal auch Familien stehen, die plötzlich ohne Einkommen dastehen.

Ein Aufschrei der Empörung der Arbeiter war die Folge, welcher starken Widerhall in den nationalen Medien fand. Des Anscheins, dass die Aktion schon länger geplant war, kann man sich nicht verwehren. Insofern erscheint das Vorgehen der britischen Beteiligungsgesellschaft Melrose Industries, die GKN 2018 übernommen hat, umso perfider. Denn während im Hinterkämmerchen bereits der Plan zur Schließung des Werkes reifte und dieser knapp eine Woche nach Auslaufen des Kündigungsstopps vollzogen wurde, ließ man die Betroffenen sich in falscher Sicherheit wiegen, um letztendlich auf möglichst geringen Widerstand zu treffen.

Allerdings ist jetzt genau das Gegenteil eingetreten! Die Arbeiter blockieren die Eingänge des Werkes, um zu verhindern, dass die Maschinen und Anlagen, die teilweise neu angekauft wurden, abtransportiert werden, sogar der Bürgermeister von Bisenzio verhängte in diesem Zusammenhang ein Annäherungsverbot für Lkws zum Werk. Eine permanente Versammlung wurde ausgerufen, ein Generalstreik für die Toskana ist in Planung, die nationalen Gewerkschaften wurden von Rom aus aktiv, ebenso wie die regionalen Gewerkschaften. Melrose Industries muss sich am 15. Juli 2021 vor dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung (Mise) rechtfertigen.

 

Die Vorgehensweise von Melrose Industries, die augenscheinlich gegen gesetzliche und vertragliche Bestimmungen verstößt sowie die korrekten gewerkschaftlichen Beziehungen ad absurdum führt, wird von unserer Seite aufs Schärfste verurteilt. Es hat den Anschein, als würden sich die Befürchtungen, die bereits bei der Übernahme der GKN aufgekeimt sind, Melrose Industries suche kein langfristiges Engagement bei GKN, sondern wolle kurzfristig maximales Kapital aus dieser Übernahme generieren, bewahrheiten. Wir verurteilen zutiefst die Entscheidung von Melrose Industries, die entgegen üblichen Usus ohne Miteinbeziehung der Sozialpartner getroffen wurde und schließen uns im Zeichen der Solidarität dem Protest unseren Kollegen an.

Es gilt zu verhindern, dass derart Entscheidungen ohne Widerstand einseitig vollzogen werden können, denn wenn dieses Beispiel Schule macht, werden langfristig viele ähnliche Fälle folgen. Dagegen kämpfen wir mit Vehemenz für unsere Kollegen in Campi Bisenzio – aber auch, um Sicherheit zu haben, dass sich Ähnliches nicht wiederholt.