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Trotz Wenn Aber. Malerei

Am Samstag wird das neue Buch des Künstlers Christian Reisigl vorgestellt. Einen Vorgeschmack liefert einer der 20 Gesprächsbeiträge zwischen Künstler und Herausgeber.
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Foto: Bildquelle: Folio Verlag

Gesprächsteil II aus dem Buch "Trotz Wenn Aber. Malerei" als Salto-Gastbeitrag:


Müll und Haufen


Markus Klammer: Obwohl es in den verschiedenen Phasen Deiner Werkentwicklung immer wieder Bezüge zu Themen wie Na­tur und Stillleben gibt, kann man nicht von Abformung einer Realität sprechen. Das Gegenständliche ist dabei nur ein Vorwand für eine gedankliche Aktivität auf der Leinwand. Welches waren Deine Ab­sichten damit am Anfang?

Christian Reisigl: Meine Abhängigkeit vom Gegenständlichen habe ich am Anfang als unangenehm empfunden, weil sie meine Möglichkeiten zu sehr eingeschränkt hat.

 

Es fällt auf, dass die Formen des Menschen und des Huma­nen am Anfang gar nicht vorkommen. Ein sehr frühes Thema, das auch später wieder auftaucht, ist das Motiv von Müll und Abfall. Man darf vermuten, dass es Dir nicht um existenzielle oder ökologische Fragen geht.

Den Müll entdeckte ich als etwas in meiner unmittelbaren Umgebung Vorhandenes und als ein gegenständliches Motiv, das sich selbst abstrahiert. Als gegenständlicher Maler konnte ich mit Müll und diesen Dingen, die nicht mehr oder nur teilweise benennbar sind, viel freier experimentieren. Es ging mir nicht um Wiedererkennbarkeit, sondern um gemalte Formsuche und Formgebung.

In den 1990er-Jahren entstehen Fotos und dann Arbeiten auf Leinwand mit Haufen aus Steinen und anderem Abfall. Die Fo­tografie wird dabei eigentlich zu einem Hilfsmittel der Formvernich­tung auf der Leinwand, nicht der Reproduktion oder Dokumentation. Sogar die Fotos selbst verfügen über keine Vollständigkeit, sie müs­sen aus Teilen zusammengefügt werden. Mir scheint, dass es sich um Erfahrungen einer gedanklichen Ambivalenz handelt.

Es ging mir sicher um Formauflösung, wobei ich von einem real gesehenen Gegenstand ausging. Da kann die Fotografie natürlich hilfreich sein. Durch das Zusammenfügen der Fotos wollte ich der Optik der Fotografie etwas entgegen­setzen, eine Referenz an die Wahrnehmung. Ich nutze die Fotos so, als wären sie bereits ein abstraktes Bild, das erst im Prozess entsteht.

 

Unordnung, Entsorgung, Lagerung, das Formlose – sind das Indizien für eine Nachformung des Nutzlosen oder für eine ge­dankliche Umwertung und Auflösung des Materiellen?

Gewiss, da werden Dinge umgewertet und auch materiell aufgelöst. Ich tue so, als könnte der eigentliche Abstraktionsgrad nur am Gegenstand, den ich sehe, abgelesen werden. Aber nicht als etwas Dokumentarisches, sondern als Freisetzung, als autonome Handlung, als Neuordnung des Sichtbaren.

 

Ein Foto vom Holzschuppen des Vaterhauses aus dem Jahr 1997 wirkt wie eine Hinführung zu einer Archäologie der Ordnung und Lagerung. Es relativiert nicht nur das Materielle und Zweckhafte, sondern es handelt auch von der Allgegenwart einer An-Ordnung oder Zweck-Ordnung aller Dinge. Was kannst Du dazu sagen?

Man könnte sagen, dass es die väterliche Anordnung ist. Ich habe die Szene so vorgefunden und fotografiert. Es ist durchaus die Art meines Vaters, die Dinge, wenn man nicht weiß, ob sie noch gebraucht werden, so abzulegen. Man könnte das analysieren, muss man aber nicht.

Hier stehen Strukturen der Entsorgung neben solchen des Sammelns und Sortierens: Reisigbündel, Holzlatten, Äste, Kisten, eine Leiter, Stämme, Laub, das alles in einer Garage abgelegt. Die Materie ist organisch, das Humane ist abwesend, der Nutznießer aber ist wohl ein ziemlich unzeitgemäßer Mensch. Geht es um eine Überwindung der Zeitgebundenheit, einen zeitlosen bildhaften Zu­stand?

Ein potenzieller Nutznießer dieses zum Nutzlosen erklärten Materials will sich die Illusion bewahren, jederzeit den Zugriff auf die Dinge zu erhalten. Auf diese Weise entsorgt er sie erst endgültig aus seinem Gedächtnis. Das Foto dokumentiert dieses Szenario und ich greife es auf. Wenn ich diese Dinge dann male, male ich Dinge, die nicht mehr diese Dinge sind. Angeschautes Material wird ausgelöscht im Versuch, einen neuen Zusammenhang auf der Fläche der Leinwand zu suchen.


Buchvorstellung:

Samstag, 18. Mai 2019, 20 Uhr
Neumarkt, Kunstforum Unterland, Laubengasse 26

 

Salto in Zusammenarbeit mit Folio Verlag