Cronaca | Justiz

Richter unter der Lupe

Ein Gruppe von Südtiroler Betroffenen werfen Südtiroler Richtern einen Interessenkonflikt und ein Fehlverhalten vor. Sie fordern eine Inspektion des Justizministeriums.

Dass Biagio Riccio weiß wovon er spricht, merkt man ihm sofort an. Der Anwalt aus Neapel redet ruhig und wählt jedes Wort mit Bedacht. Hört man ihm an diesem Vormittag im Damensalon der Hotels Laurin zu, würde man kaum meinen, dass Italiens Bankenwelt diesen Anwalt fürchtet, wie keinen zweiten.
Riccio hat sich seit vielen Jahren auf Prozesse gegen Banken spezialisiert. Er hat mehrere Bücher über Wucher der Banken geschrieben und ist einer der Anwälte des Studienzentrums SDL aus Brescia, das gegen die Wucherzinsen der Banken und die Methoden vorgeht, wie die Geldinstitute Wohnungen und Häuser ihrer Schuldner versteigern.
In der italienische Rechtsprechung gibt es verschiedene Möglichkeiten, aber die Banken fordern immer nur schnelle Versteigerungen“, sagt der Anwalt zu salto.bz. „und hier spielen die Richter fast immer kritiklos mit“.
Dem Anwalt ist es gelungen, italienweit in Dutzenden Fällen nachzuweisen, dass gewährte Kredite in den Bereich Wucher fallen und damit Zwangsversteigerungen gerichtlich gestoppt bzw. annulliert werden mussten.

Die Pressekonferenz

Biagio Riccio ist inzwischen auch für eine Gruppe Südtiroler und Südtirolerinnen tätig, die in die Schuldenfalle getappt sind. Am Mittwoch Vormittag lud die Initiativgruppe, als deren Sprecher der Meraner Publizist Thomas Sigmund auftritt, zu einer Pressekonferenz ein.
Rund 80 Personen, die von Zwangsversteigerungen betroffen sind, kamen ins Hotel Laurin. Unter dem provokanten Titel „Magistropoli.Bz“ tischten Sigmund & Co. dann mehrere konkrete Fälle auf, in denen die Gruppe und ihre Anwälte davon ausgehen , dass Richter die Spielregeln im Bereich des Interessenkonflikts nicht eingehalten haben.
In einigen dieser Fälle wurde gegen die involvierten Richter bereits Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Triest eingereicht“, erklärt Thomas Sigmund.

Die Grundsatzfragen

Es sind heikle Fälle, in denen es um die Zivilprozessordnung und die Enthaltungspflicht der Richter geht. Und um die Frage, wie die entsprechenden Gesetzesartikel auszulegen sind.
In Artikel 51 der Zivilprozessordnung wird festgelegt, wann sich ein Richter zu enthalten hat oder sich für befangen erklären muss. In Absatz 3 des Artikels heißt es:

„se egli stesso o la moglie ha causa pendente o grave inimicizia o rapporti di credito o debito con una delle parti o alcuno dei suoi difensori;“

Die Bestimmung zu einem Forderungs- oder Schuldverhältnis erscheint zunächst nicht eindeutig; die Auslegung scheint in der Zwischenzeit aber gefestigt. So hat der Kassationsgerichtshof erst 2012 entschieden, dass die Pflicht zur Enthaltung nicht nur bei fälligen Schulden, sondern auch bei sogenannten Dauerschuldverhältnissen, z.B. einem Bankdarlehen, angewandt werden muss. An manchen Gerichten wird die Bestimmung sogar so weit ausgelegt, dass bereits ein Konto bei einer Bank Grund für eine Befangenheit ist.

An manchen Gerichten wird die Bestimmung sogar so weit ausgelegt, dass bereits ein Konto bei einer Bank Grund für eine Befangenheit ist.

Die Fälle

Am Landesgericht Bozen wird diese Bestimmung aber angeblich wiederholt „übersehen“.
Auf der Pressekonferenz wurde auf mehrere konkrete Fälle verwiesen, in denen Richter Exekutionsverfahren durchführen sollen, obwohl sie Darlehen bei der Gläubigerbank haben.Das ist so nicht in Ordnung“, sagen gleich mehrere Juristen, die von salto.bz kontaktiert wurden. Die Fälle sind nicht nur durch Dokumente belegt, sondern es gibt inzwischen auch Präzedenzfälle.
Einer der auf der Pressekonferenz Anwesenden hat einen Befangenheitsantrag gegen einen Richter genau aus diesem Grund gestellt. Der Richter hat deshalb vor wenigen Wochen nach Artikel 51 bei der Gerichtspräsidentin um Enthebung von dem Verfahren angesucht.
Ebenso hat vor zwei Monaten eine Richterin um Enthaltung angesucht, weil eine der Prozessparteien geltend gemacht hat, dass sie Aktionärin jener Bank sei, die ein Exekutionsverfahren eingeleitet hat.
Dazu wurde auf der Pressekonferenz ein weiterer Fall einer Richterin angeführt, der man einen Interessenskonflikt unterstellt. Die Richterin hat nicht nur ein hypothekarisch abgesichertes Darlehen bei einer Bank, ihr Mann sitzt auch im Verwaltungsrat derselben Bank. Dabei urteilt diese Richterin auch in Verfahren, in denen diese Bank Partei ist.

Die Versteigerung

Belegt ist aber auch ein Fall, in dem es um eine anderen kritischen Bereich geht. Die Versteigerungen.
Artikel 1471 des Zivilgesetzbuches schreibt „Besondere Verbote für den Kauf“ (Divieti speciali di comprare) vor. Dort heißt es:

„Non possono essere compratori nemmeno all'asta pubblica, né direttamente né per interposta persona:
...(...)... gli ufficiali pubblici, rispetto ai beni che sono venduti per loro ministero;"

Im Gesetzbuch wird erläutert, dass alle jene Personen nicht an einer Versteigerung teilnehmen können, die mit dem Verfahren befasst sind. Ebenso gibt es eine wesentlich strengere Auslegung: Kein Angehöriger des Gerichtes, an dem eine Versteigerung stattfindet, kann bei diesen Versteigerungen mitsteigern und die versteigerten Güter kaufen.
Thomas Sigmund & Co haben einen Fall dokumentiert, bei diese Regeln eindeutig verletzt wurden.

Die Inspektion

Wo wir die Fälle aufgeworfen haben“, sagt Thomas Sigmund, „hat man umgehend reagiert“. Auf der Pressekonferenz wurde jetzt aber eine andere Frage gestellt: Was ist in all den Fällen, wo niemand genau nachgeschaut hat?
Die Initiativgruppe geht davon aus, dass diese Interessenkonflikte keine Einzelfälle sind. Auch weil sich die Exekutionsrichter an einer Hand abzählen lassen. Jetzt will man es genau wissen.
Wir verlangen eine Inspektion des Justizministerium“, kündigte gestern Biagio Riccio an.
Die Partie scheint offen.

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josef.kaufmann… Gio, 06/16/2016 - 10:11

Ein kleiner aber wichtiger Einblick in die Verbindung von Wirtschaft und Justiz, ohne Frage!

Aber die Ungeheuerlichkeit ist noch viele größer, als diese Fälle erahnen lassen!

Die Kredite, welche zu den Pfändungen von Realgütern/Sachwerten der Privatpersonen führen, wurden von privaten Banken als Bankschuld aus dem Nichts geschöpft. Dasdürfte jetzt nicht viele vom Sessel reisen, weil die Bedeutung dieses Sachverhaltes nicht durchdacht wird. Da war nie Geld von Sparern im Spiel, das jemanden fehlte, wenn es nicht zurückgegeben würde. Die Banken schuldeten also nie jemanden Geld, für die gewährten Kredite. Sie haben vielmehr mit der sogenannten Giralgeldschöpfung eine Verbindlichkeit in Ihrer Buchhaltung kreiert, die wir Normalbürger Geld nennen und sich dabei selbst verschuldet. Das gesamte Ausfallrisiko wird elegant und mit viel Pomp bei der Vertragsunterzeichnung auf den Kunden abgewälzt, der, wenn er die Rückzahlung des luftgeschöpften Kredites nicht schafft, dann brutal und scheinbar rechtlich absolut korrekt, weil ja schuldig, um sein Hab und Gut gebracht wird.

Liebe Richter, dabei ist der solchermaßen erschaffene Kredit/Giralgeld nicht einmal gesetzliches Zahlungsmittel! Was schuldet der Kunde der Bank denn da überhaupt??? Dieses Buchgeld wird nach Regeln eines privaten Vereins (IASB - International Accounting Standard Board), euphemistisch als "international besetztes unabhängiges Gremium von Rechnungslegungsexperten" bezeichnet, gewährt bzw. kassiert, die von den EU-Politikern, ohne demokratische Mitbestimmung der Bevölkerung, 1:1 übernommen wurden.

Die absolute Absurdität dieses Systems, und der Justiz scheinbar auch unbekannt, sind aber die Zinsen, die der Kreditnehmer zusätzlich zum Kreditbetrag über seiner Tätigkeit aus dem Wirtschaftskreislauf ziehen und an die Bank abliefern muss. Wenn man weiß, dass alles Geld auf diese Wiese, nämlich als Verbindlichkeit nur bei Banken entstehen kann, muss die Frage gestattet sein "und woher kommt der Zins für die Rückzahlung des Kredits??"

Die Antwort darauf kann nur lauten "aus der NEUVERSCHUDLUNG eines anderen Wirtschaftsteilnehmers" der aber seinerseits wiederum Kreditbetrag+Zinsen abliefern muss! Dass in diesem System immer und immer schneller Menschen als Schuldner ihre Kredit nicht tilgen können, ist ein systemimmanente Tatsache und keine Philosophie, wie viele Ökonomen behaupten. Wie kann das Justizsystem Menschen dafür bestrafen, dass sie im System mitspielen, das systembedingt Verlierer hervorbringen muss??

Ist das Unwissenheit, Nachlässigkeit oder doch Vorsatz??

Anwälte und Richter verurteilen unhinterfragt Schuldner (Schuldige), die das System zwingend hervorbringen muss. Nicht zu vergessen, diese Pfändungsfälle sind, nun ja, ein doch sehr lukratives Geschäftsmodell für die Justizwirtschaft, weil eben systembedingt und damit eine unerschöpfliche Geldquelle, oder glaubt jemand, dass es in dieser Branche nur um Gerechtigkeit geht?

Justitzia scheint auf diesem Auge nicht nur blind, sondern auch taub, geruchs-, geschmacks- und tastunempfindlich zu sein. Aber wen wundert`s? Sie kennen nicht einmal die gesetzlichen Zusammenhänge für deren Einhaltung sie eigentlich zuständig wären und satte Honorar verlangen, wie man sieht.

Die hier aufgezeigten Fälle sind nur die Spitze eines mächtigen Eisberges, den wir bereits geschrammt haben!!

Demokratie beginnt mit einem demokratischen Geldsystem.

Sapere aude!!

Gio, 06/16/2016 - 10:11 Collegamento permanente