Ambiente | Verkehr

Zögerliche Politik

Der Dachverband rügt die Politik in Rom und Bozen: Trotz eindeutigem Gerichtsurteil tut man nichts zur Reduzierung der Schadstoffbelastung entlang der Autobahn.
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Foto: Transitforum
Wir erwarten uns, dass endlich konkrete Maßnahmen gesetzt werden“, sagt Klauspeter Dissinger unmissverständlich. Der Vorsitzende des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz hat am Freitag zusammen mit dem Rechtsanwalt Alex Telser auf einer Pressekonferenz, die Umsetzung eines Urteils eingefordert, das sein Verband vor dem Verwaltungsgericht Latium erstritten hat. „Wir verlangen, dass man eine Geschwindigkeitsbeschränkung endlich durchsetzt“, meint Dissiniger. Der Dachverband rügte dabei nicht nur die römische, zögerliche Haltung, sondern zeigte auch auf, dass die Südtiroler Landesregierung genügend Handlungsspielraum hat, um selbst tätig zu werden.
 

Das Urteil

 
Ausgangspunkt ist ein Rekurs, den der Dachverband beim Verwaltungsgericht Latium eingereicht und gewonnen hat. Es geht in dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit von Geschwindigkeitsreduzierungen auf der Brennerautobahn. Der Grund für die Maßnahme sind die viel zu hohen Stickoxidbelastungen entlang der Autobahn.
In ihrem Urteil kommen die Verwaltungsrichter zum Schluss, dass das Recht auf Gesundheit der Anwohner höher liegt, als die frei Fahrt der Autos und LKW.s. So heißt es im Urteil unmissverständlich.
 
„a fronte del delicato e pressante problema della doverosa riduzione nell’atmosfera del valore limite di 40 μg/m3, quale valore medio annuale del biossido di azoto non superabile, lungo l’autostrada del Brennero nel territorio altoatesino, e quindi della necessità di imporre un limite di velocità la cui violazione sia sanzionabile, sì da rendere efficace la riduzione delle emissioni in atmosfera...”; 
 
Im Urteil wird aber auch einem laufenden Versuch der Landesverwaltung und der Brennerautobahn eine klare Absage erteilt.
Das Projekt BrennerLEC verfolgt das Ziel, einen emissionsarmen Korridor (LEC – Lower Emissions Corridor) entlang der Brennerautobahn zur Verringerung der Luft- und Lärmbelastung sowie zum Schutz des Klimas zu schaffen. Ab April 2017 teste man auf dem Autobahnabschnitt Neumarkt – San Michele eine dynamische Reduzierung der Geschwindigkeit begonnen. Im Mai 2018 wurden die Daten der ersten Projektphase veröffentlicht. „Die Ergebnisse sind sehr zufriedenstellend“, verkündet die Landesagentur für Umweltschutz.
 
 
Die Verwaltungsrichter kommen in Sachen BrennerLEC aber zu einem völlig anderen Schluss.
Una sperimentazione autonomamente condotta da altri enti, la cui inefficacia tuttavia è risultata conclamata nell’ambito della stessa istruttoria”, heißt es im Urteil wörtlich.
Laut Urteil hat der Staat 30 Tage Zeit um die Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung umzusetzen. Diese Frist ist inzwischen aber verstrichen.
Zuständig ist dafür ein beim Ministerrat eingerichtetes technische Komitee. Diese Komitee wurde vergangenen Woche zwar einberufen, doch die Sitzung endete ohne konkretes Ergebnis. „Wen das so weiter geht“, drohte Hanspeter Dissinger am Freitag offen, „werden wir die Einsetzung eines Kommissars verlangen“. Als siegreiche Prozesspartei wäre der Dachverband dazu befugt.
 

Das Land

 
Auf der Pressekonferenz wurde auch klar, dass das Land Südtirol und die Umweltagentur zwar engagiert sind, die Belastung zu senken, doch über die Vehemenz dieser Bemühungen gehen die Auffassungen auseinander.
Auffallend ist: Nachdem der Dachverband die Einladungen an die Medien hinausschickte, erschien einen Tag vor der Pressekonferenz im Tagblatt der Südtiroler ein Artikel, in den der Direktor des Amtes für Luft und Lärm Georg Pichler und der zuständige Landesrat Richard Theiner sich über die römische Säumigkeit beklagen. Theiner hätte in einem Schreiben an das Komitee und den Ministerrat noch einmal die Position des Landes dargelegt und konkrete Schritte gefordert. „Uns geht es nicht um Formalitäten, sondern darum, dass endlich gehandelt wird“, zitieren die Dolomiten den Landesrat.
 
Hanspeter Dissinger und Alex Telser zeigten am Freitag aber auf, dass das Land nicht nur als Mitglied des Technischen Komitees handeln kann, sondern Handlungsspielraum auch über die Brennerautobahn-Gesellschaft hat. Zudem stehe mit Arno Kompatscher der Südtiroler Landeshauptmann einem weiterem Gesellschafter vor: Der Region.
Der Dachverband fordert deshalb, dass das Land als als Gesellschafter der Brennerautobahn AG:
 
  • die Notwendigkeit sofortiger Geschwindigkeitsbeschränkungen zur Reduzierung der Stickoxide in den Gesellschaftsgremien einbringt;
  • die Geschäftsführung der Brennerautobahn AG verpflichten, einen formellen, begründeten Antrag zwecks Festsetzung der notwendigen Geschwindigkeitsbeschränkungen an das Transportministerium zu richten; 
  • die Geschäftsführung der Brennerautobahn AG verpflichten, konkrete Maßnahmen zur automatisierten Kontrolle der Geschwindigkeit zu ergreifen.
Demnach hat das Land Südtirol genügend Handlungsspielraum. Auch dann, wenn man in Rom nur redet.