„Die leschte Roas“ Teil II
Es versteht sich, dass hinter dem lyrischen Ich sich nicht selten auch Figuren verbergen, deren Haltungen angemessen eigentlich nur mehr mit Spott und Ironie quittiert werden können. Maridl Innerhofer hat für beides viel übrig; und vor allem was „die da oben" anstellen, das verfolgt sie unerbittlich mit Argusaugen.
Londschoftsschutz
In Naturschutz und Londschoftsschutz
tat i glei untrstitzn
und aa die semm Hearn,
de in die Kommissionen drin sitzn.
Sie solln lei streng sein
und scherfr durchgreifn,
weil sunsch ingaling olle
af ihmene pfeifn
und verbaudn und verschantln
frei insere Derfr.
I hon nicht drgeign,
wenn die Gsetzr wearn scherfr!
Drvour obr tat i
nou unbedingg welln
do entn af den Pichl
mein Haisl austelln!
Das Beispiel zeigt so ganz nebenbei auch, dass im Dialekt (-Gedicht) nicht nur Anheimelndes zur Sprache kommen muss; bisweilen kann die aufgeräumte Stimmung schnell kippen. Maridl Innerhofer hält sich kein Blatt vor den Mund, wann immer sie beobachtet, dass hinter den Masken des IdyllischHeimeligen in erster Linie Eigennutz und Rücksichtslosigkeit sich breitmachen. - Die einschlägigen Gedichte sind leider in den gedruckten Gedichtsammlungen nie näher datiert; so bleiben sie vielfach, weil der (im Akt des Schreibens gewiss mitgedachte) historisch-politische Kontext naturgemäß im Laufe der Zeit zerrinnt und verschwindet, verallgemeinernd- unverbindlich. Trotzdem: Verhaltensvorschriften, die sie für unumgänglich hält, hat Maridl Innerhofer immer wieder beim Namen genannt ... und in lyrische Dialekt-Passagen, also vor allem wohl ins Stammbuch der Südtiroler Politik eingetragen:
Die Politikr hom gmiat
holtn ihmene Versprechn,
fir die ungrichtetn Schadn
hom sie a gmiat blechn
und drfir hom sie
si aa nou gschamp -
jo, echt wohr
des hon i iazamol getraamp!
In einem Gespräch über ihre Gedichte, mehr oder weniger schon auf alle ihre Gedichtbände zurückblickend, hat Maridl Innerhofer einmal festgehalten: „Ich schreibe mir auf, wenn ich mich über etwas freue oder wenn mich etwas besonders ärgert." Erfreuliches drängt sie freilich eher selten zum Schreibtisch, während demgegenüber verdrießliche Nachrichten sie immer wieder dazu herausgefordert haben, sich Luft zu verschaffen: in Gelegenheitsgedichten, wie in dem eben zitierten Alptraum-Bericht. Allerdings arbeitet sie auch in solchen Texten nie mit der Axt, immer mit feiner Klinge, mit allen Stilmitteln der Ironie.
Was in ihrer (viel zu bescheidenen) Selbstdarstellung (mit den beiden Stichworten freuen und ärgern) indessen zu kurz kommt, sei hier am Ende unbedingt nachgetragen: In ihren schönsten Gedichten geht es um ganz anderes, nämlich darum, eine poetische Wort-Welt zu konstituieren, in der Dinge, Farben, Gesten weit über ihre alltägliche Bedeutung hinaus einen völlig neuen Bedeutungszusammenhang sichtbar machen.
Va mein Gortn die leschte Roas
heib i au bis du kimmsch
und wenn sie drweil verdurrt,
die Forb kriagg
van an Sunnenuntrgong in Wintr
und in Gruch
van ar Hondvoll Obschied - -
obr
i heib sie au bis du kimmsch!
Mittenhinein in die Sammlungen ihrer Gelegenheitsgedichte hat Maridl Innerhofer immer wieder solche Perlen der Empfindsamkeit gestreut wie eben dieses Liebesgedicht. In dieser Konstellation liegt das Geheimnis ihrer einzigartigen Ausstrahlung: Sie hat ihre Persönlichkeit ausgezeichnet, sie hält ihre Arbeiten lebendig.
Salto.bz in Zusammenarbeit mit Edition Raetia
Teil I