Società | Doppelpass

(K)eine Rechtfertigung

Die Diskussionen um den Doppelpass sind ja schön und gut. Aber geht es wirklich nur darum?
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Die hitzigen Diskussionen um den Doppelpass machen mich nervös. Innerlich. Ich laufe unrund und merke, dass es mir persönlich um mehr geht. Um mehr als um den Doppelpass. Denn zu Hause, im stillen Kämmerchen, da identifiziere ich mich nicht mehr mit irgendeinem Dokument, sondern mit einem Gefühl. Und dem möchte ich auf den Grund gehen.

Meine beiden Eltern sprechen Deutsch (genauer: den Überetscher Dialekt). Ich spreche daher zu Hause und in meinem Bekanntenkreis vorwiegend im Südtiroler Dialekt, verfüge über einen deutschsprachigen Schulabschluss und ein in Österreich abgeschlossenes Bachelorstudium.

Demgegenüber bin ich aufgrund staatlicher Gegebenheiten italienische Staatsbürgerin und weise mich mit einer italienischen Carta di identità aus.

Meine erste richtige Annäherung mit Italien (wobei ich glaube, dass es das „eine Italien“, so nicht gibt), vollzog sich im Italienischunterricht über die italienische Sprache. Doch so richtig warm geworden, bin ich mit der Sprache nie. In der Schule fehlte mir damals die Motivation, italienisch zu lernen. Außerhalb der Schulzeit konnte ich mich ja (fast) immer und mit (fast) jedem auf Deutsch verständigen. Mit den Jahren wuchs meine Angst vor dem Italienischunterricht. Es hagelte negative Noten. Und im Urlaub im Ausland schämte ich mich, meinen Bekanntschaften irgendwie beizubringen, dass ich, trotz italienischem Ausweises, nicht fließend italienisch sprechen konnte. Ich musste mich immer und immer wieder rechtfertigen. Und ich hatte über all die Jahre hinweg, Angst. Angst vor diesem Gefühl, Italienerin zu sein, die kein gutes Italienisch sprechen konnte.

Und die Angst, die stand mir im Weg.

Mit der Zeit habe ich dann meinen persönlichen Zugang zur italienischen Sprache gefunden, dank vieler Menschen, die mir zunächst mal die Angst genommen haben, Fehler zu machen und einfach mal drauflos zu sprechen. So wie es eben ist, wenn man eine neue Sprache lernt.

Ich glaube, dass das Erlernen einer Sprache Hand in Hand geht mit der Entwicklung einer bestimmten Sensibilität für die Sprache selbst, und allem, was sie umgibt. Und diese Entwicklung passiert nun mal nicht von heute auf morgen und schon gar nicht für irgendein Dokument, sondern aus einer ganz bestimmten Motivation heraus, aus einem persönlichen Beweggrund eben. Und dieser persönliche Beweggrund, der fehlt meines Erachtens nach vielen (vor allem jungen) deutschsprachigen Südtirolerinnen und Südtirolern.

Man sollte diesen Diskurs öffnen, denn er geht in Südtirol weit über den Doppelpass hinaus.