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„Irgendwie ist es eine Fete“

Jakob Delago, Slammer, Theaterspieler und Filmemacher über den Unterschied von Poetryslam und Poetryjam, Poesie in Coronazeiten und das Gefühl auf der Bühne zu stehen.
Delago, Jakob
Foto: Simon Profanter
Salto.bz: Hallo Jakob. Schön, dass du dir Zeit genommen hast. Wie war dein Poetryslam-Jahr 2021?
 
Jakob Delago: Die Coronapandemie hat natürlich auch uns erwischt, aber wir haben uns davon nicht beirren lassen und es wurden trotzdem zwölf Veranstaltungen in verschiedenen Locations, Online oder im Radio organisiert.
 
Coole Sache. Kannst du für alle, die nicht wissen was ein Poetryslam ist, deine Leidenschaft kurz beschreiben?
 
Ein Poetryslam ist ein Genre, wo sich schreibbegeisterte Menschen zusammen tun und sich ihre Sorgen, Ängste, Sehnsüchte, oder ganz andere Themen, die diese Menschen beschäftigen, von der Seele schreiben, auf poetische und ganz freie Art und Weise. Die so entstandenen Texte werden dann vor einem Publikum präsentiert. Meist in Form eines Wettkampfs, bei dem es auch ins theatralische gehen darf, jedoch ohne Verkleidung. Oft wird auch ein Thema vorgegeben und man wird von einer neutralen Jury, die aus fünf Zuschauern besteht, bewertet. Musik und Gesang sind meist nicht Teil des Poetryslams.
 
Ihr macht jetzt aber auch Peotryjams?
 
Im Unterschied zu Poetryslam wollten wir mit Poetryjam genau diese fehlenden Elemente nutzen und einbauen. Beim Poetryjam steht auch der Poetryslam im Mittelpunkt, jedoch wird auch gesungen, gespielt, theatralische Momente eingebaut und außerdem gibt es eine Ausstellung mit Bildern von Südtiroler Künstlern und Poetryslammern zu bestaunen. Ein guter Freund von mir beschrieb den Poetryjam einmal als „Hippie-Zusammenschluss“, wo die Teilnehmer ihre Gedanken vorbringen, sich austauschen und miteinander feiern. Irgendwie ist es eine Fete und irgendwie mit Poetryslam ein buntes Durcheinander.
 
 
Ein guter Freund von mir beschrieb den Poetryjam einmal als „Hippie-Zusammenschluss“, wo die Teilnehmer ihre Gedanken vorbringen, sich austauschen und miteinander feiern.
 
Wie entstand die Idee des Poetryjam und wie lange gibt es dieses Format schon?
 
Die Idee entstand nach einer laaaangen Nacht auf einer Hütte mit fünf Freunden. Wir dachten uns, ein neues Event wäre cool, aber vieles gibt es schon, Konzerte oder Festivals sind nichts Neues. Damals hatte ich von Julia Engelmann gehört und war von Poetryslam ziemlich angetan.  So schlug ich kurzerhand ein Event in diese Richtung vor. Meine Freunde waren begeistert. Im Sommer 2019 haben wir dann das erste Event organisiert. Insgesamt sind wir nun ein Organisationsteam von zehn Leuten: Franz Aichner, Fritz Aichner, Lorenz Aichner, Markus Flössner, Ronnie Hell, Moritz Holzinger, Felix Dorfmann und andere sind mit von der Partie. Ich selbst bin eigentlich der einzige, der auch Poetryslams schreibt, die anderen helfen bei der Organisation, sind von der Idee überzeugt und freuen sich, wenn Leute zusammenkommen und es was zu feiern gibt. Wir wollen jedes Halbjahr einen Poetryjam organisieren.
 
 
 
Die vierte Ausgabe fand im Februar 2021 statt. Zu diesem Zeitpunkt durfte niemand ohne Grund die Heimatgemeinde verlassen, weshalb wir die Veranstaltung einfach online abhielten. Die Slammer, also die Verfasser und Vortragenden der Texte, haben uns Videos ihrer Performances geschickt, oder sie mit Musikern live im Astra Brixen eingespielt. Daraus wurden Videos zusammengeschnitten, die im Livestream über YouTube übertragen wurden.  Die fünfte Ausgabe erfolgte dann im Sommer im Hofburggarten in Brixen und war auch ein voller Erfolg.
 
Gibt es etwas, was du im Hinblick auf die Coronazeit und im Zusammenhang mit Poetryslam und Poetryjam besonders vermisst?
 
Am Anfang waren die Leute noch nicht gesättigt von den ganzen online Veranstaltungen, jedoch mit andauernder Coronakrise bekamen wir die ersten Ermüdungserscheinungen der Menschen zu spüren, weshalb wir die 6. Ausgabe des Poetryjam unbedingt im Live Format organisieren möchten, wenn es irgendwie geht.
 
 
 
Dann ist mir noch aufgefallen das die Leute ein bisschen „veranstaltungsfaul“ geworden sind. Auch wenn Veranstaltungen Live angeboten wurden, kamen oft nur wenig Leute, was für die Atmosphäre nicht sehr zuträglich war. In solchen Momenten fragt man sich als Künstler oder Organisator dann manchmal: „War es die Mühe wert? Für wen mache ich das eigentlich?“ Da ist man dann manchmal ein bisschen demoralisiert. Zum Glück gibt es auch andere Veranstaltungen, wo das Publikum begeistert und interessiert ist und interessante Fragen stellt. Man bekommt konstruktives Feedback und ist zufrieden.
In solchen Momenten fragt man sich als Künstler oder Organisator dann manchmal: „War es die Mühe wert? Für wen mache ich das eigentlich?“
Im Jahr 2021 und auch noch in der Zukunft sind die Veranstaltungen eher klein gehalten und sind eher so eine Art Puzzlestücke. Es gibt nicht mehr das große Event einmal im Monat, wie zum Beispiel beim Ost-West Club, wo man hingeht und genau weiß: da ist heute Poetryslam und man trifft sicher viele Leute, sondern es sind viele kleine Events und es gibt viele kleinere Ideen, die dann umgesetzt werden. Zum Beispiel das „Stadtgeschrei“ in Klausen im September 2021.  Da wurden Texte mit Musik im öffentlichen Raum der Stadt Klausen vorgetragen. Das Event kam gut an und so wurde es im Dezember als „Adventsgeflüster“ fortgesetzt.
 
 
 
Gibt es für dich persönlich ein Highlight von 2021?
 
Puh, das ist schwierig. Es gibt viele Highlights, da kann ich mich fast nicht festlegen.
Was mir sehr gut gefallen hat und auch für mich eine neue Erfahrung, war die Moderation  vom ersten Poetryslam im Garten der Begegnung in Eppan. Ich sollte das erste Mal auf Italienisch moderieren und hatte schon ein bisschen Sorgen. Doch am Ende ist alles gut gegangen und sie haben mich alle verstanden (Lacht).
 
 
Es gab auch einen regen Austausch der Slammer und Slammerinnen und ich fühlte mich einfach wohl. Das Projekt vom Garten der Begegnung finde ich ziemlich cool und es ist meiner Meinung nach ein sehr geeigneter Ort für solche Veranstaltungen. Ein weiteres Highlight war für mich das Event „Just the Two of Us“, im Ahoi Minigolf in Bozen Anfang Juli, organisiert von der SAAV (Südtiroler Autoren- und Autorinnenvereinigung). Acht Zweiergruppen aus Musikern und Poetryslammern wurden gebildet. Der Slammer trug seinen Text vor und der Musiker lieferte die Musik dazu. Zum Schluss kürte eine Jury die Siegergruppe. Dieses Projekt blieb mir besonders in Erinnerung, der Austausch mit Musikern sehr interessant war.
 
Wie siehst du die Entwicklung von Poetryslam in Südtirol?
 
Es ist schon seit einigen Jahren viel los auf dem Gebiet. Da gibt es Veranstaltungen im Astra Brixen, im Ost-West Club Meran oder auch die verschiedenen Veranstaltungen der Slamily - einer Initiative der SAAV, des Poetryjam und des Morgenstern Slams, sowie eine Zusammenarbeit mit Südtirol 1 ausgehend von der  SAAV und der Afzack-Gruppe.
 
Bei der letzten Klima-Demo in Bozen waren unter anderem auch Poetryslammer dabei, die ihre Gedanken zu diesem Thema vorgetragen haben
 
Die öffentliche Wahrnehmung ist da. Wir wollen nicht sagen Poetryjam ist besser als Poetryslam es gehört alles zusammen und je mehr in diese Richtung getan wird, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt diese Szene, ähnlich wie bei der Musik. Fridays for Future zum Beispiel haben das Konzept des Poetryslams aufgegriffen, um über Zukunftsthemen und Klimawandel zu debattieren. Bei der letzten Klima-Demo in Bozen waren unter anderem auch Poetryslammer dabei, die ihre Gedanken zu diesem Thema vorgetragen haben.
 
 
 
Mir kommt vor, im Jahr 2021 wissen schon viele Leute über Poetryslam Bescheid, vor allem die jungen. Aber auch ältere Semester präsentieren ihre Texte. Es ist interessant, eine neue Sichtweise zu sehen, da mir vorkommt, unsere Generation hat einen anderen Blickwinkel auf die Welt und man kann voneinander lernen. Das finde ich spannend. Jeder kann und sollte also bei Poetryslams mitmachen. Wir wollen niemanden abschrecken und es ist eine super Erfahrung, wo man neue Leute kennenlernt, neue Projekte plant und sich neue Ziele setzt.
 
Gibt es für dich ein Schlüsselerlebnis, warum du jetzt Theater spielst und Poetryslams organisierst, moderierst und schreibst?
 
Ja das gibt es. Ich war mit der Schule im Theater und die Schauspieler haben mich so beeindruckt, dass ich mir dachte: das muss ich auch probieren.
Als dann das Stück fertig war und der tobende Applaus ausbrach dachte ich mir, das will ich machen. Für diesen Moment der Anerkennung, des Lobes des Applauses, würde ich mich sogar auf die Bühne stellen. Du bekommst von deinem Publikum als Künstler so viel zurück. Die Mühen, die Verzweiflung und Selbstzweifel sind wie vergessen und du startest voller Elan in neue Projekte. Mir ist das Publikum sehr wichtig und ich hoffe, dass wir bald wieder ein neues Projekt mit größerem Publikum organisieren können. Für mich ist es eine Genugtuung zu sehen, dass sich mittlerweile aus einem Hobby eine Arbeit entwickelt, die mir gefällt und die ich mit meiner ganzen Überzeugung vertrete.
 
Danke Jakob für deine Zeit und das interessante Gespräch. Ich wünsche dir das Beste für deine Projekte und hoffe, dich bald auf einem Jam oder Slam zu sehen.